Artikel • EU-Projekt „Hypmed“

Hybridbildgebung: Verhindert deutsche Auslegung der EU-Regelung neue Diagnoseansätze?

Ein Forschungsteam des Universitätsklinikums Aachen ist 2016 mit dem Ziel angetreten, die Hybrid-Bildgebung zu revolutionieren. Gemeinsam mit Partnern aus Deutschland, Frankreich, Österreich und den Niederlanden haben sie innerhalb von fünf Jahren eine MR-Oberflächenspule konstruiert, die MR-kompatible, vollständig digitale PET-Detektoren enthält, wodurch eine synchrone MR-PET Hybridbildgebung gezielter Körperregionen ermöglicht wird.

Artikel: Sonja Buske

Durch dieses Konzept wird nicht nur eine bislang unerreichte PET-Sensitivität erreicht, sondern auch, dass jedes „normale“ klinische MRT-System als ein höchst leistungsfähiges Hybridsystem genutzt werden kann. Das Problem: Die neue Medical Device Regulation (MDR) verhindert, dass der Prototyp am Patienten studienhalber eingesetzt werden kann.

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Prototyp der neuen Spule

Bild: Prof. Kuhl

Prof. Dr. Christiane Kuhl hat die Leitung des von der EU geförderten Projekts inne. Für die Direktorin der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums Aachen stand die Suche nach neuen Möglichkeiten, Krebserkrankungen früher zu diagnostizieren und gezielter zu behandeln, stets im Fokus ihrer wissenschaftlichen Forschung. „MR-PET Hybrid-Systeme sind seit vielen Jahren verfügbar, ihr Vorteil gegenüber der PET-CT ist aber kaum wirklich ersichtlich“, so die Expertin. „Das könnte daran liegen, dass eine Ganzkörper-Bildgebung es nicht ermöglicht, den MR-Anteil einer MR-PET wirklich für eine onkologisch-funktionelle Diagnostik zu nutzen. Aber auch für die Nutzung der PET für die Charakterisierung von Tumoren sind Ganzkörper-Detektoren nicht ideal. Eine viel höhere PET-Sensitivität wird erreicht, wenn man die PET-Detektoren nah an das zu untersuchende Organ bringt – ähnlich wie bei der MRT die Oberflächenspule.“ Das Forschungsteam hat daher entschieden, die Ganzkörper-Philosophie der PET aufzugeben und stattdessen volldigitale, MRT-transparente PET-Detektoren in eine neuartige mehrkanalige, ihrerseits PET-transparente MRT-Oberflächenspule zu integrieren mit dem Ziel, MR-Antenne und PET-Detektor so nah wie möglich an das Organ heranzubekommen. „Dass das gelungen ist, ist eine ingenieurswissenschaftliche Meisterleistung“, zeigt sich Kuhl begeistert. 

Zum Einsatz soll das neue Konzept als erstes bei der Diagnostik des Mammakarzinoms kommen. „Brustkrebs ist eine Erkrankung, bei der der Bedarf an nicht-invasiver Charakterisierung und bildgebender Steuerung neuer zielgerichteter Therapien stetig wächst“, erklärt Kuhl. „Daneben ist das Mammakarzinom für die Entwicklung neuer bildgebender Methoden auch ein ideales Tumormodell, da wir alle Befunde mittels gezielter Biopsie abklären und somit validieren können.“ Konstruiert wurde eine Doppelbrustspule, die eine synchrone PET-MR-Darstellung beider Brüste ermöglicht. „Durch die Kombination von hochsensitiver PET- und MRT-Bildgebung ist zu erwarten, dass kleinste Brustkrebsherde identifiziert und charakterisiert werden können“, so Kuhl.

Hypmed-Device an jeden Magneten koppelbar

Aktuell wird in Bezug auf die regulatorischen Auflagen faktisch nicht mehr zwischen wissenschaftlichen Studien an Probanden und der Markt-Einführung eines neuen Medizinproduktes unterschieden.

Christiane Kuhl

Ein weiterer Vorteil ist, dass das so genannte Hypmed-Device wie eine „normale“ Oberflächenspule an jeden Magneten gekoppelt werden kann, um dann ein einfaches MR-System als PET-MR-Hybridsystem nutzen zu können. Doch solche Prototypen, die in akademischen Einrichtungen zu Zwecken des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns hergestellt wurden, dürfen nach der deutschen Auslegung der neuen MDR, konkret dem Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG), nicht an Patienten eingesetzt werden, auch nicht studienhalber. „Aktuell wird in Bezug auf die regulatorischen Auflagen faktisch nicht mehr zwischen wissenschaftlichen Studien an Probanden und der Markteinführung eines neuen Medizinproduktes unterschieden. Um das Hypmed-Device in Betrieb nehmen und seine Leistungsfähigkeit im Probanden demonstrieren zu dürfen, müssten wir sehr hohe Auflagen erfüllen. Das ist für eine Universität nicht machbar“, erklärt Kuhl und ergänzt, dass es selbstverständlich sei, dass die technische Sicherheit solcher Geräte durch externe Dritte umfassend zertifiziert werden müsse. Der hohe zusätzliche Dokumentations- und Zertifizierungsaufwand sei für akademische Einrichtungen jedoch nicht darstellbar. 

Dabei könnte das Hypmed-Konzept nicht nur erhebliche diagnostische Vorteile für viele Patienten bringen, sondern auch die Hybridbildgebung insgesamt verfügbarer machen. „Die Detektoren sind der Kostenpunkt“, weiß die Radiologin. „Je näher wir an das Organ herangehen können, desto leistungsfähiger wird ein einzelner Detektorkranz. Kosten sind natürlich auch immer eine Frage der Stückzahl. Wir können die extrem hohe Sensitivität auch nutzen, um mit deutlich geringerer Tracer-Dosis auszukommen. Dann wäre die Strahlenbelastung durch eine PET-MR-Untersuchung der Brust so niedrig, dass man sie in viel breiterem Umfang als bislang rechtfertigen kann. Wir könnten dann das Hypmed-Gerät als eine elegante Hochpräzisions-Methode für die Brustkrebs-Diagnostik einsetzen, bei der die Empfindlichkeit der MRT bewahrt, aber die Spezifität durch die PET-Diagnostik verbessert wird.“

MDR-Auslegung in Deutschland ändern

Kuhl hält die Richtung, die mit der MPDG eingeschlagen wird, für schwierig. „Die medizintechnische Forschung in Deutschland ist akut bedroht – und das betrifft längst nicht nur Projekte wie das unsere. Wir brauchen jetzt risiko-angemessene Regelungen, die sicherstellen, dass eine wissenschaftliche Weiterentwicklung und Neukonzipierung von medizintechnischen Geräten in Deutschland auch weiterhin praktikabel und erschwinglich bleibt. Ansonsten sind wir sehr schnell international abgehängt.“ 

Stillstand herrscht im Projektteam aktuell aber trotzdem nicht. Das Hypmed-Device wird nun an Phantomen getestet, um die Aufnahmen mit Ganzkörper-PET-Aufnahmen zu vergleichen. Eine gute Übergangslösung, findet Kuhl, aber nicht ausreichend. 


Profil: 

Prof. Dr. Christiane Kuhl ist seit 2010 Direktorin der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums Aachen. Zuvor war die Fachärztin für Radiologie und Neuroradiologie in der onkologischen Diagnostik und interventionellen Radiologie am Uniklinikum Bonn tätig. Kuhl zählt zu den renommiertesten deutschen Radiologen und macht sich insbesondere für die Brustkrebs-Früherkennung stark.

24.05.2022

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