Dr. Felix Nensa, Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle...
Dr. Felix Nensa, Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie an der Universität Essen.

Quelle: Universität Essen

Artikel • Kardiologie

Die fast unbegrenzten Möglichkeiten der PET/MRT

Die MRT ist inzwischen bei vielen Indikationen der klinische Goldstandard für die bildgebende Diagnostik des Herzens mit Ausnahme der Darstellung der Koronararterien. Insbesondere wenn es darum geht, Funktion und Morphologie zu beurteilen, ist die MRT die führende Technologie. Mithilfe eines der ersten 3 Tesla PET/MRT-Systeme, die in Deutschland betrieben werden, dringt die Myokarddarstellung am Universitätsklinikum Essen in weitere, bisher unbekannte Gebiete vor.

Report: Daniela Zimmermann

2012 publizierten die Essener den weltweiten ersten Case Report über die PET/MRT des Herzens im renommierten HEART Magazin. Und deren Möglichkeiten sind für die kardiovaskuläre Bildgebung noch nicht annähernd bekannt und erforscht, schildert Felix Nensa, Mitglied der Arbeitsgruppe Kardiovaskuläre Bildgebung des Instituts für Radiologie am Universitätsklinikum Essen. „Im MRT haben wir den Vorteil, die einzelnen anatomischen Kompartimente und Gewebetypen viel besser beurteilen zu können als im CT, denn das Herz liegt ja nicht einfach axial transversal sondern relativ komplex im Körper. Mit Hilfe von Localizern richten wir das MRT-Gerät an der anatomischen und nicht an der Körperachse aus, zudem können wir beliebig viele Achsen, Ebenen und Kontraste bestimmen“, erklärt Felix Nensa einige Vorteile der MRT im Vergleich zur CT. Eine MR-Untersuchung beginnt zunächst mit einem Standardprotokoll, das einen Überblick über das Herz und die angrenzenden Regionen gibt. Daran schließen sich verschiedene Herzprotokolle an, nicht selten folgt z.B. eine Überprüfung der Herzfunktion, also die Darstellung des Herzens in seiner Bewegung.

Tatort Herzinfarkt

"Nur wenn sich im Bereich des late enhancement auch ein Ödem zeigt, wissen wir, dass es sich um einen akuten Infarkt handelt."

Wie T2 gewichtete Sequenzen und Late enhancement Auskunft über den Infarktzeitpunkt geben Zeigt sich bei der Herzfunktionsmessung z.B. mit 3D Volumenrekonstruktion oder beim Vierkammerblick ein auffälliger Befund, so empfehlen sich zur weiteren Diagnostik T2 gewichtete Sequenzen. Da hierbei das Fett unterdrückt und das Wasser besser sichtbar wird, können damit Ödeme im Herzmuskel besonders gut nachgewiesen werden (Tissue Classification). Eine vermehrte Wasseransammlung im Gewebe ist ein eindeutiger Hinweis auf einen akuten Infarkt oder eine entzündliche Herzerkrankung. Mit einer kontrastmittelgestützten Perfusionsuntersuchung wird die Durchblutung des Herzmuskels untersucht. So dann folgt eine der wichtigsten Sequenzen der Herzuntersuchung: Etwa zehn Minuten nach der Perfusion mit Kontrastmittel kann man das sogenannte „late enhancement“ erkennen, helle Bereiche, die dadurch entstehen, dass sich das Kontrastmittel an bestimmten Stellen im Herzmuskel angereichert hat. Dies ist ein sicherer Hinweis auf untergegangenes Herzmuskelgewebe, das sowohl von einem akuten Infarkt, aber auch von einer chronischen Narbe herrühren kann. „Diese Sequenz ist unglaublich sensitiv und anatomisch hochaufgelöst, so dass auch sehr kleine Narben im Myokard sichtbar werden. Aber erst zusammen mit der T2 Sequenz können wir eine Aussage darüber treffen, wie lange das Gewebe bereits abgestorben ist. Denn nur wenn sich im Bereich des late enhancement auch ein Ödem zeigt, wissen wir, dass es sich um einen akuten Infarkt handelt, befindet sich an der Stelle kein Ödem so handelt es sich um eine ältere Narbe“, erklärt Felix Nensa. Das ist insofern wichtig, weil davon die Therapie und somit auch die Heilungschancen abhängen.

Mit Glukose den Herzstoffwechsel austricksen

"Der Zucker leuchtet bei gesunden Patienten im linken Ventrikel homogen, tut er dies nicht, ist das ein Hinweis auf eine Pathologie."

Einige der beschriebenen Untersuchungen können auch von der Nuklearmedizin erbracht werden, dabei haben die PET-Aufnahmen eine wesentlich höhere räumliche Auflösung als z.B. die Myokardszintigraphie. Grundlage der PET ist die Darstellung des Stoffwechsels, die man sich auch in der PET/MRT zunutze macht: Im Normalzustand verstoffwechselt das Herz vor allem Fettsäuren, wird es aber einem richtigen Zuckerschock ausgesetzt, indem der Patienten 75 Gramm Glukose zu sich nimmt, stellt das Herz seinen Stoffwechsel auf Zucker um. „Dies ist hilfreich bei der Infarktbeurteilung. Der Zucker leuchtet bei gesunden Patienten im linken Ventrikel homogen, tut er dies nicht, ist das ein Hinweis auf eine Pathologie. Der mangelnde Zuckerstoffwechsel ist ein Hinweis auf abgestorbenes Gewebe“, so der Radiologe. Allerdings gibt es auch Situationen, in denen zum Beispiel das Herzmuskelgewebe noch intakt ist, aber trotzdem kein oder weniger Zucker verstoffwechselt wird, wie beim sogenannten „stunned myocardium“. Wenn nach einem Infarkt die Koronararterie sehr schnell wieder eröffnet werden konnte, erholt sich das geschädigte Gewebe an dieser Stelle vielleicht wieder, weshalb in der Regel deshalb im MRT ein Ödem aber kein late enhancement sichtbar ist, weil das Gewebe noch nicht abgestorben ist. Die PET liefert hier wertvolle Zusatzinformationen zum Zustand des betroffenen Gewebes.

Weiterhin gibt es den Fall, dass der linke Ventrikel besonders intensiv leuchtet. Dies kann ein Hinweis auf ein „hibernating myocardium“ sein, also ein Myocard im Winterschlaf, das durch eine chronische Minderperfusion charakterisiert ist. Im MRT ist zu erkennen, dass der Bereich minderperfundiert ist und ggf. eine Wandbewegungsstörung vorliegt. „Man vermutet, dass das Gewebe hier autoprotektiv agiert und ein Reiz dem Herzmuskelgewebe signalisiert, so wenig Stauerstoff wie möglich zu verbrauchen, um nicht unterzugehen. Normalerweise würde man erwarten, dass an dieser Stelle auch weniger Zucker verbraucht wird, aber das Gegenteil ist der Fall. Im Gegensatz zur Beta-Oxidation beim Fettsäurestoffwechsel, benötigt die anaerobe Glykolyse beim Zuckerstoffwechsel fast gar keinen Sauerstoff. Zwar ist sich die Forschung hier noch nicht einig, doch ist es eine mögliche Erklärung, dass der Herzmuskel bei wenig vorhandenem Sauerstoff auf das schonendste Stoffwechselverfahren umstellt. Die Vitalität von minderperfundiertem Gewebe zu beurteilen, ist entscheidend für die Therapieplanung, denn eine Revaskularisation der verstopften Koronararterien ist nur dann sinnvoll, wenn das Gewebe noch nicht endgültig abgestorben ist“, erklärt Nensa.

Die fast unbegrenzten Möglichkeiten der PET/MRT

Tracer als Schlüssel für metabolische Informationen

Bei der PET/MRT wird die gute anatomische Auflösung mit den metabolischen Informationen der PET kombiniert. Der etablierteste Tracer beim Herzmuskel ist das 18F-FDG, nämlich markierter Zucker. Für die Perfusion, also die Untersuchung der Durchblutung des Herzmuskels kommt oft Ammoniak (13N-NH3) zum Einsatz. Diese beiden Tracer bilden auch die Grundlage einer rein nuklearmedizinischen PET-Untersuchung ohne MRT, denn nur mit beiden Tracern in Kombination kann eine sichere Diagnose gestellt werden. Für die Perfusion in Europa weniger etabliert sind markiertes Wasser und Rubidium. Rubidium hat den Vorteil, dass die Herstellung mit einem Generator vor Ort erfolgen kann, und die Halbwertszeit nur 90 Sekunden beträgt. Perfusionsmessungen mit MRT Kontrastmittel haben den Nachteil,  dass diese in den Interzellularraum eindringen und dort zeitweise verbleiben können, ein Effekt, der beim late enhancement sehr gewünscht ist, weniger allerdings bei der Perfusion, denn die Umrechnung in absoluten Fluss pro Zeit ist sehr schwierig. „Bei einem Patienten mit einer Dreigefäßerkrankung fehlt dann der Bezugspunkt. Ideal ist für die Perfusion daher Wasser, das frei diffundieren kann. Allerdings lassen sich nicht alle Tracer in einer Untersuchung kombinieren. Da sie alle die gleiche Strahlung von 511 keV aussenden, ist für die Detektion die Halbwertzeit entscheidend. Wenn mehrere Tracer kombiniert werden sollen, wie z.B. 18F-FDG mit einem Perfusionstracer machen die Nuklearmediziner eine Überspritzung, d.h. ein Bild mit einem bestimmten Tracer und einer bestimmten Intensität wird von einem Tracer mit einer wesentlich höheren Intensität überstrahlt.

Auf der Spur der Herzinsuffizienz

Der große Vorteil der PET/MRT ist, dass wir nicht nur die linksventrikuläre Ejektionsfraktion bestimmen können, sondern auch die sympathische Innervation, die in der Regel auch kompromittiert ist.

Weitere sehr vielversprechende Tracer sind das C-11-Hydroxyephedrin (11C-HED) oder das mit Jod markierte MIBG (124I-MIBG), das bislang nur in Essen zum Einsatz kommt und als Nor-/Adrenalinanalogon, den Platz des Neurotransmitters, also die Signalübermittlung zwischen Nerven- und Muskelzellen übernimmt. Damit lässt sich bei Herztransplantierten das Nachwachsen der synaptischen Verbindungen zwischen Herz und Nervensystem nachweisen. Ein weiteres wichtiges Einsatzgebiet dieser Tracer ist die Herzinsuffizienz. Weil immer mehr Menschen einen Herzinfarkt überleben, gibt es eine zunehmende Zahl von Patienten mit Herzinsuffizienz aufgrund verminderter Pumpleistung im Bereich der Infarktnarbe. Ein wichtiger Parameter zur Volumenmessung ist die linksventrikuläre Ejektionsfraktion, die bei einer Insuffizienz verringert ist. „Der große Vorteil der PET/MRT ist die Tatsache, dass wir nicht nur die linksventrikuläre Ejektionsfraktion bestimmen können, sondern auch die sympathische Innervation, die in der Regel auch kompromittiert ist. Das können wir jetzt mit der PET/MRT darstellen“, erläutert der Radiologe. Beim SPECT wird 124I-MIBG schon lange angewendet, doch bislang ohne anatomischen Bezug, der erst durch die PET/MRT gegeben ist.

Entzündliche Veränderungen und Tumorerkrankungen

ine wichtige Rolle kann die PET/MRT in Zukunft auch bei der Diagnostik von entzündlichen Veränderungen des Herzens und Tumorerkrankungen haben. Sehr gefährlich ist die Myokarditis, eine Herzmuskelentzündung oftmals bei jungen Menschen aufgrund eines verschleppten grippalen Infekts zu finden. Definitiv kann die Entzündung des Herzmuskels nur mittels Biopsie nachgewiesen werden, die zwar hochspezifisch aber dafür nicht sehr sensitiv ist, d.h. nur wenn an der richtigen Stelle das Gewebe entnommen wird, kann die Entzündung (immun-)histopathologisch nachgewiesen werden. Wenn der Herzmuskel komplett auf Fettsäurestoffwechsel umgestellt und damit für den 18F-FDG Tracer „stumm“ wird, kann nachgewiesen werden, dass an den Stellen, die Glukose anreichern ein entzündetes Areal vorliegt, denn Entzündungszellen können keine Fettsäurestoffwechsel betreiben, sondern nur Zuckerstoffwechsel. D.h. mit der Atkins-Diät kann zwischen entzündeten und nicht entzündeten Zellen unterschieden werden. Gleiches gilt für Tumorerkrankungen des Herzens. Auch Tumorzellen verstoffwechseln in hohem Maße Zucker. Damit ist es sogar möglich zwischen gut- und bösartigen Tumoren zu unterscheiden. Auch schwer zu diagnostizierende Krankheiten wie z.B., die kardiale Sarkoidose können so frühzeitig entdeckt und therapiert werden. „Es vor allem die Kombination von beiden Verfahren, die so vielversprechend ist und wo sich uns fast unbegrenzte Möglichkeiten für die kardiovaskuläre Bildgebung auftun.“

Gute interdisziplinäre Zusammenarbeit

Im Moment betreten die Essener noch sehr viel Neuland, nicht immer ist die Relevanz ihrer Ergebnisse schon klar. Allerdings lässt sich bereits jetzt das Ansprechen einer Therapie in vielen Fällen wesentlich leichter beurteilen. Enorm erleichtert wird die klinische Erprobung der PET/MRT durch die gute Zusammenarbeit mit den Nuklearmedizinern der Universität und mit dem Geräteentwickler und Hersteller Siemens. „Inzwischen sind wir wirklich schon weit gekommen und sind jetzt dabei die ersten Studien konkret umzusetzen“, schildert Nensa. Nur wenn es eindeutige Indikationen gibt, wird sich das Projekt PET/MRT auch durchsetzen und wirtschaftlich rentieren. Als Referenzzentrum von Siemens gehören die Essener zu den Ersten, die neue entwickelte Sequenzen und Software klinisch evaluieren. Andererseits nimmt Siemens auch die Erfahrungen und Anregungen Nensas und seiner Kollegen gerne auf. „Dieser Austausch ist für beide Seiten extrem wichtig, es ist ein Geben und Nehmen, wir bekommen die neueste Technologie zur Verfügung gestellt und liefern die neuesten Erkenntnisse dazu. Dabei haben beide Seiten das gleiche Ziel vor Augen: die Technologie weiter voranzutreiben und die Patientenversorgung zu verbessern“, freut sich Felix Nensa.

Profil:
Als Kind des Ruhrgebiets hat Felix Nensa zunächst im Fernstudium Informatik studiert und von 2001-2007 Humanmedizin an der Ruhr-Universität Bochum, inklusive von zwei Auslandssemestern an der Universität von Straßburg/Frankreich. Bereits direkt nach dem Abitur begann seine Mitarbeit als freiberuflicher Softwareentwickler am Research Institute for Diagnosis and Treatment of Early Lung Cancer am Augusta Krankenhaus Bochum, wo er unter anderem eine neuen Diagnose-Software für die automatische Sputumzytometrie programmierte. Seit 2011 ist er Assistenzarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie des Universitätsklinikums Essen und betreut Forschungsprojekte aus den Bereichen PET/MRI, Cardio-MRI und DCE-MRI.

08.03.2013

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