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Dr. Robert Zweigerdt (l) und Professor Dr. Ulrich Martin wollen mit gezüchteten Herzmuskelzellen Herzschäden reparieren.

Copyright: Karin Kaiser / MHH

News • Chronische Herzschwäche

Herzinsuffizienz: neue Zellen für das kranke Herz

Die Herzinsuffizienz ist der häufigste Grund für Klinikeinweisungen und eine der häufigsten Todesursachen in der westlichen Welt. Ein internationales Forschungsteam will eine Therapie entwickeln, bei der schadhafte Gewebebereiche mit Hilfe von kleinen Zellverbänden aus biotechnologisch hergestellten Herzmuskelzellen repariert werden können.

Bei vielen Herzerkrankungen werden Blutgefäße geschädigt. Als Folge sterben die dadurch unterversorgten Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten) ab. Es bildet sich Narbengewebe, und die Herzfunktion wird beeinträchtigt. Anders als bei einigen Amphibien und Fischarten werden solche Schäden in einem erwachsenen menschlichen Herz nicht repariert. Weltweit arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daher an Strategien, um zerstörtes Herzgewebe zu ersetzen. Ein vielversprechender Ansatz verwendet dabei sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen). Diese iPS-Zellen lassen sich im Labor aus „zurückprogrammierten“ Körperzellen von Erwachsenen herstellen und können dann jeden beliebigen Zelltyp des menschlichen Körpers hervorbringen – so auch Herzmuskelzellen.

Neben der Herstellung solcher Kardiomyozyten aus iPS-Zellen in der klinisch benötigten Menge und Qualität besteht eine weitere große Herausforderung darin, die Zellen so ins Herz zu bringen, dass sie dort gut anwachsen und in Einklang mit dem Gesamtorgan die Herzmuskelfunktion verbessern. Eine Möglichkeit besteht darin, die iPS-Kardiomyozyten direkt in den geschädigten Herzmuskel zu injizieren. „Der große Nachteil ist, dass auf dem Weg dorthin viele Zellen verlorengehen und nur wenige überleben und anwachsen – vor allem, wenn vereinzelte Zellen verwendet werden“, sagt Dr. Robert Zweigerdt, Zellbiologe an den Leibniz Forschungslaboratorien für Biotechnologie und künstliche Organe (LEBAO) der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Ein anderer Ansatz ist, zunächst ein Gewebekonstrukt aus den Herzmuskelzellen herzustellen und dieses dann operativ einzusetzen. Allerdings können mit dieser Methode nur Gewebeschäden an der Organoberfläche behandelt werden.

Neue Strategie mit kleinen Zellverbänden

Das HEAL-Forschungsteam verfolgt daher eine neue Strategie. „Wir setzen zwar auch auf iPS-Kardiomyozyten, wollen diese aber schon während der Produktion im Labor zu Zellaggregaten heranwachsen lassen“, erklärt der Zweigerdt. In speziellen Bioreaktoren sollen große Mengen dieser kugelförmigen Zellaggregate entstehen, die nicht so schnell verlorengehen, nach der Injektion ins Herzgewebe dort besser verbleiben und überleben sollen. „Wir können je nach Bedarf verschieden große Aggregate züchten, die aber dennoch klein genug sind, um sie mit einer Injektion in die gewünschte Herzregion verabreichen zu können“, sagt Zweigerdt. Dass die Zellklumpen tatsächlich im Herzgewebe anwachsen und die Organfunktion verbessern, konnten die Forschenden bereits im Rahmen des von LEBAO-Leiter Professor Dr. Ulrich Martin koordinierten Projekts iCARE im Tiermodell erfolgreich nachweisen. Im neuen Forschungsvorhaben HEAL solle die Strategien zur Herstellung und Darreichung der iPS-Kardiomyozyten-Aggregate nun so verfeinert werden, dass sie auch zur Herztherapie am Menschen eingesetzt werden kann.

Selbstmordgen soll Tumorbildung verhindern

„Wir bauen in die iPS-Zellen ein Selbstmordgen ein, das aktiviert werden kann, falls die applizierten Zellen im Körper entarten."

Professor Dr. Ulrich Martin

Dieses Ziel stellt das HEAL-Team vor ganz besondere Herausforderungen. Zum einen müssen die iPS-Zellen so angepasst sein, dass die daraus hergestellten Herzmuskelzellen nach der Verabreichung in den Körper möglichst wenige Abwehrreaktionen hervorrufen und das Immunsystem somit nur geringfügig mit Medikamenten in Schach gehalten werden muss. Zum anderen müssen die Zellen besonders sicher sein. „Sie dürfen im Herzen weder Herz-Rhythmusstörungen auslösen, noch dürfen sie zu Tumoren entarten“, erklärt der Zellbiologe. Die mögliche Nebenwirkung von Arrhythmien wollen die Forschenden in einem Großtiermodell untersuchen, das besonders sensibel auf Störungen durch die fremden Kardiomyozyten reagiert. Die Gefahr einer ungewollten Tumorbildung wollen die Forschenden mit Hilfe eines genetischen Tricks bannen. „Wir bauen in die iPS-Zellen ein Selbstmordgen ein, das aktiviert werden kann, falls die applizierten Zellen im Körper entarten“, sagt Martin.

„Am Ende wollen wir sichere Zellprodukte herstellen, die sich unter sterilen Bedingungen im Reinraum auch im großen Stil in extragroßen Bioreaktoren herstellen lassen“, sagt Zweigerdt. So sollen schon jetzt die Voraussetzungen geschaffen werden, damit die neue Herztherapie in Zukunft möglichst vielen Patientinnen und Patienten zugutekommen kann. „Dieser Prozess muss die hohen Standards erfüllen, die an ein Zellprodukt für einen klinischen Einsatz gestellt werden“, betont Martin. 

Aufsichtsbehörden wie das Paul-Ehrlich-Institut begleiten das vierjährige Projekt. Verläuft alles wie geplant, so hoffen die Forschenden, können anschließend Voraussetzungen für eine klinische Studie zur zellbasierten Herzreparatur am Menschen erfüllt werden.

Quelle: Medizinische Hochschule Hannover

05.09.2022

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