News • NSTEMI bei Ü75-Patienten
Herzinfarkt-Therapie im Alter: kein Vorteil durch invasive Behandlung
Wie sollte ein Herzinfarkt bei hochbetagten Patienten behandelt werden? Diese Frage steht im Zentrum des Keynote-Vortrages von Professorin Vijay Kunadian beim Jahreskongress 2025 der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) in Weimar (18.-20. September).

Bildquelle: DGG; Foto: privat
Als erste Frau hat Vijay Kunadian im Vereinigten Königreich die Professur für interventionelle Kardiologie inne. Als Personal Chair Professorin an der Newcastle University genießt sie die höchste Auszeichnung für herausragende wissenschaftliche und akademische Leistungen in Großbritannien. Beim Kongress der DGG präsentiert sie ihre international vielbeachtete SENIOR-RITA-Studie – die bislang größte randomisierte Studie zur Behandlung des sogenannten Nicht-ST-Strecken-Hebungs-Myokardinfarkts (NSTEMI) bei Menschen über 75 Jahren. Die im New England Journal of Medicine publizierten Ergebnisse erfordern ein Umdenken in der invasiven Herzinfarkt-Therapie bei älteren Menschen
„Unsere Studie zeigt, dass eine routinemäßige invasive Behandlung bei älteren Herzinfarktpatienten keinen signifikanten Vorteil gegenüber einer rein medikamentösen Therapie bringt“, sagt Kunadian. In der SENIOR-RITA-Studie wurden 1.518 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 82 Jahren an 48 britischen Kliniken untersucht. Während rund die eine Hälfte die bestmögliche medizinische Therapie allein erhielt, bekam die andere Hälfte zusätzlich eine invasive Strategie mit Herzkatheteruntersuchung und gegebenenfalls Bypass oder Stent. Rund ein Drittel der Teilnehmenden galt als gebrechlich.
Es ist höchste Zeit, dass wir in der Kardiologie nicht länger automatisch davon ausgehen, dass invasiv gleich besser bedeutet, vor allem bei unseren älteren Patienten
Vijay Kunadian
Ziel war es herauszufinden, ob sich durch eine invasive Strategie das Risiko für einen kardiovaskulären Tod oder einen weiteren Herzinfarkt reduzieren lässt. Das Ergebnis: Nach einem mittleren Beobachtungszeitraum von 4,1 Jahren ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Während in der invasiv behandelten Gruppe 25,6% der Teilnehmenden an einem kardiovaskulären Tod verstarben oder einen nicht-tödlichen Herzinfarkt bekamen, lag der Anteil in der konservativ behandelten Gruppe bei 26,3%.
„Wir konnten somit zeigen, dass eine konservative Therapie bei älteren Menschen mit NSTEMI ähnlich sicher ist wie eine invasive Behandlung – mit vergleichbaren Langzeitergebnissen, aber weniger Risiken und Belastungen“, so Kunadian. Die Ergebnisse der SENIOR-RITA-Studie haben weitreichende Implikationen für die klinische Praxis. Gerade im höheren Lebensalter müssen Therapieentscheidungen sorgfältig abgewogen werden – unter Berücksichtigung von Gebrechlichkeit, Multimorbidität und Lebensqualität. „Es ist höchste Zeit, dass wir in der Kardiologie nicht länger automatisch davon ausgehen, dass invasiv gleich besser bedeutet, vor allem bei unseren älteren Patienten“, betont Kunadian. Ihre Forschung unterstreicht die Notwendigkeit individualisierter Therapieentscheidungen und stärkt die Rolle der Geriatrie in der kardiologischen Versorgung.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Geriatrie
08.07.2025