Querschnitt durch das Herzgewebe einer Maus. Die Gefäße des Herzmuskels sind...
3D-Bild eines embryonalen Mäuseherzens. Endothelzellen bilden die Gefäße in den Wänden des Herzmuskels (grün dargestellt). Durch diesen Prozess entsteht das Herzkranzgefäßsystem, das den Herzmuskel mit Nährstoffen versorgt.

© Max Delbrück Center

News • Regeneration nach Infarkt oder Schlaganfall

Forscher decken auf, wie das Herz Arterien bildet

Über welchen Mechanismus sich neue Arterien im Herzen bilden, hat ein Team unter Leitung von Dr. Elena Cano aus der Arbeitsgruppe „Integrative Vaskuläre Biologie“ von Professor Holger Gerhardt am Max Delbrück Center in Berlin entschlüsselt.

Die in „Circulation Research“ publizierte Studie schließt eine wichtige Lücke in unserem bisherigen Verständnis zur Entstehung von Herzkranzgefäßen. Sie könnte dazu beitragen, Schäden am Herzmuskel nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall besser zu behandeln. Beides gehört weltweit zu den Hauptursachen für Tod und Behinderung. Das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) hat die Arbeit unterstützt. 

Durch einen Herzinfarkt oder Schlaganfall kann Herzmuskelgewebe absterben. Infolgedessen verschlechtert sich die Blutversorgung des Herzens, was zu einer dauerhaften Schädigung führt. Obwohl ein Teil des Gewebes dank neuer Blutgefäße spontan heilen kann, reicht das häufig nicht aus, um die Blutversorgung vollständig wiederherzustellen. Derzeit konzentrieren sich Therapien auf die Symptome und darauf, das Fortschreiten der Herzerkrankung zu verlangsamen.

Wir zeigen, dass dieser Mechanismus [der Neubildung von Arterien] nicht nur während der Entwicklung bei Mäusen und Menschen besteht. Er bleibt während des gesamten Lebens erhalten und wird nach einem Herzinfarkt aktiviert

Elena Cano

Forscher haben verschiedene Methoden getestet, um neue Blutgefäße in geschädigtem Herzgewebe wachsen zu lassen. Aber bislang gelang es ihnen nicht, ein stabiles, ausgereiftes Gefäßnetzwerk zu etablieren, das die Herzfunktion verbessert, sagt Cano. Ein großes Hindernis war vor allem, dass wir die vielschichtigen molekularen, zellulären und strukturellen Signale, die Gefäßzellen nutzen, um ein hierarchisches Blutgefäßnetzwerk aufzubauen, noch nicht gut genug verstehen. Die Expertin untersuchte, wie Gewebe Gefäße ausbilden – und entdeckte dabei in ihren Proben eine Art präarterielle Zelle, die offenbar eine wichtige Rolle beim Wachstum neuer Arterien spielt. Andere Forscher hatten diese präarteriellen Zellen bereits beschrieben. Cano wollte sie jedoch mit einer neuen Technologie untersuchen. 

Mithilfe der Einzelzell-Sequenzierung analysierte das Forschungsteam, welche Teile des Erbguts Herzzellen von Mäusen in verschiedenen Stadien der Entwicklung gerade ablasen. Die Forscher*innen konnten zeigen, dass sich diese präarteriellen Herzzellen aus „tip cells“ (Zellen an der Spitze) entwickeln. Das sind spezialisierte Zellen, die Umwelthinweise wahrnehmen, um wachsende Gefäße in bestimmte Richtungen zu lenken. Das Team belegte diese Ergebnisse zusätzlich durch eine 3D-Kartierung in Raum und Zeit. Darüber hinaus wiesen sie nach, dass diese präarteriellen Zellen bereits „markiert“ waren, um sich zu arteriellen Zellen zu entwickeln, was der aktuellen Lehrmeinung zur arteriellen Entwicklung widerspricht. Bisher hatte man angenommen, dass neue Arterien ihre charakteristischen Eigenschaften, wie Länge und Durchmesser, ausschließlich auf Grundlage mechanischer Reize ausbilden – etwa aufgrund der Geschwindigkeit der durch sie fließenden Flüssigkeit. „Diese Studie zeigt jedoch, dass präarterielle Zellen bereits Eigenschaften von Arterien aufweisen, bevor überhaupt Flüssigkeit durch sie fließt“, sagt Cano. 

Die Forscher analysierten zudem Ergebnisse von Einzelzelluntersuchungen neu, die von Wissenschaftler im Vereinigten Königreich zu menschlichem Embryonalherzgewebe veröffentlicht hatten. Diese verglichen sie mit ihren eigenen Maus-Daten von durch Infarkt geschädigtem Herzgewebe. Dabei stellten sie fest, dass sich neue Arterien im menschlichen Embryonalgewebe durch denselben Mechanismus bildeten wie nach einer Schädigung durch einen Herzinfarkt bei Mäusen. „Wir zeigen, dass dieser Mechanismus nicht nur während der Entwicklung bei Mäusen und Menschen besteht. Er bleibt  während des gesamten Lebens erhalten und wird nach einem Herzinfarkt aktiviert“, sagt Cano.

Wer versteht, wie sich Herzkranzgefäße normalerweise bilden und regenerieren, könne auch Behandlungen entwickeln, die diese regenerativen Prozesse stimulieren und möglicherweise Herzmuskelschäden rückgängig machen, sagt Cano. „Jetzt wissen wir, dass nicht nur der Blutfluss vaskuläre Endothelzellen dazu anregt, sich in Arterien zu verwandeln, sondern dass auch Spitzenzellen zu präarteriellen Zellen und schließlich in Arterien zu werden“, sagt Gerhardt. „Überraschenderweise besitzen nicht alle Spitzenzellen die Fähigkeit, Arterien zu bilden. Das eröffnet die Möglichkeit, den Zellbestand für therapeutische Zwecke selektiv zu vergrößern.“ 

„Das ist ein Schritt nach vorne“, fügt Cano hinzu. „Es handelt sich um einen neuen Mechanismus, den wir möglicherweise während der Regeneration anregen können. Dann können wir sehen, ob sich neue Arterien für eine optimale Wiederherstellung der Blutversorgung bilden lassen.“ 


Quelle: Max Delbrück Center; Text: Gunjan Sinha

03.09.2024

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