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Heilbar, aber meistens tödlich
Prävention und Früherkennung beim Pankreaskarzinom kann Leben retten. Jährlich erkranken fast ebenso viele Menschen neu an Bauchspeicheldrüsenkrebs, wie Patienten an dieser Krebsform sterben. Das liegt nicht nur daran, dass es sich um eine besonders aggressive Tumorentität handelt, sondern dass die Erkrankung in den meisten Fällen nicht rechtzeitig erkannt wird.
Denn das Pankreaskarzinom macht sich erst dann klinisch bemerkbar, wenn es für ein kuratives Eingreifen bereits zu spät ist. Prof. Dr. Thomas Lauenstein, stellvertretender Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie am Universitätsklinikum Essen, berichtet, vor welche Schwierigkeiten und Herausforderungen die Früherkennung des Pankreaskarzinoms die medizinische Bildgebung stellt.
„Eines der Hauptziele, um die Heilungschancen bei Pankreaskrebs zu verbessern, ist, die Bevölkerungsgruppen mit erhöhten Risikofaktoren zu identifizieren“, betont der Professor, „damit wir entweder präventive Maßnahmen ergreifen können oder der Tumor in einem möglichst frühen Stadium diagnostiziert werden kann, wenn er noch nicht gestreut hat und noch klein genug ist, um operativ entfernt werden zu können.“ Als Hochrisikofaktoren gelten neben übermäßigem Alkohol- und Tabakkonsum vor allem familiär bedingte Prädispositionen und bestimmte Krankheitskomplexe wie das Peutz-Jeghers-Syndrom, die ein Pankreaskarzinom begünstigen.
Dass ein Früherkennungsprogramm für solche Hochrisikopatienten wirksam ist, bestätigt eine aktuelle Studie aus Schweden (Marco Del Chiaro, Caroline S. Verbeke et al./JAMA Surg. 2015;150(6):512-518). Dabei wurden mithilfe von MRT-Screening-Untersuchungen Vorstufen des Pankreaskrebses mit hoher Genauigkeit in einem ausgewählten Patientenkollektiv diagnostiziert. „Das Problem ist, dass Pankreaskrebs auch bei Personen auftreten kann, die diese Vorbelastungen nicht aufweisen“, kommentiert Thomas Lauenstein. Ein bevölkerungsweites Screening hält er deshalb zwar für denkbar, jedoch nicht zu realisieren: „Wenn sich jeder Mensch im Dreijahresrhythmus ins MRT legen würde, wäre das allein aus sozioökonomischen Gründen leider kaum zu schultern.“
Darüber hinaus spalten sich die Geister bei der Frage, ob es überhaupt die Magnetresonanztomographie (MRT) sein muss oder nicht doch lieber die Computertomographie (CT). Bei Patienten mit hochgradigem Verdacht oder bereits bestätigter Diagnose eines Pankreaskarzinoms setzt das Essener Institut in der Regel auf die CT, sagt Lauenstein: „Ob ein Patient mit Pankreaskrebs behandelt und damit geheilt werden kann oder nicht, hängt davon ab, ob der Tumor vollständig entfernt werden kann oder nicht. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, ob die angrenzenden Gefäße vom Karzinom infiltriert oder ummauert sind. Diese Fragestellung können wir mit der CT sehr zuverlässig und vor allem schnell beantworten.“
Grundsätzlich glaubt der Radiologe jedoch, dass die Entscheidung für eine der beiden Bildmodalitäten individuell und patientenabhängig getroffen werden sollte: „Insbesondere bei älteren Patienten, die die Luft nicht mehr gut anhalten können oder denen es schwerfällt, lange still zu liegen, ist die CT das weniger störanfällige Bildgebungsverfahren. Wenn ich auf der anderen Seite einen Patienten habe, der bei der Untersuchung gut mitmacht, liefert die MRT natürlich die besseren Bilder, wenn es darum geht, die Grenzen des Tumors im Weichteilgewebe darzustellen.“
Die großen Hoffnungen, die zunächst in die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) gesetzt wurden, um mithilfe von metabolischen Mustern zwischen Tumoren und Entzündungen in der Pankreas unterscheiden zu können, haben sich dagegen zerschlagen. Wissenschaftliche Studien zeigten, dass die PET in beiden Fällen häufig zu falsch positiven Ergebnissen kommt, weil es nicht in der Lage ist, zwischen Stoffwechselprozessen in Tumoren und Entzündungen zu unterscheiden.
Wenn wir all diese Bildinformationen wie Mosaiksteine zusammensetzen, erhalten wir am Ende ein umfassenderes Gesamtbild.
Prof. Dr. Thomas Lauenstein
Dennoch folgt auch die Bauchspeicheldrüsendiagnostik dem radiologischen Trend hin zur multiparametrischen Bildgebung, bei der neben morphologischen auch funktionelle Kriterien in die Befundung einfließen. „Wenn wir all diese Bildinformationen wie Mosaiksteine zusammensetzen“, ist sich Prof. Lauenstein sicher, „erhalten wir am Ende ein umfassenderes Gesamtbild, das es uns ermöglichen könnte, kleinere Pankreaskarzinome frühzeitig zu erkennen und größere Tumoren besser zu beschreiben, damit wir klare Aussagen darüber treffen können, ob es eine kurative Chance gibt oder nicht.“
Profil:
Prof. Dr. Thomas Lauenstein wurde 1972 in Saarbrücken geboren. Er kam 1999 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Essen, wo er heute als Leitender Oberarzt und stellvertretender Direktor tätig ist. Dazwischen war Lauenstein zwei Jahre lang als Assistant Professor in der Radiologie am EMORY University Hospital in Atlanta, Georgia, beschäftigt. Für seine Habilitation zum Thema „Morphologische MR-Tomographie des Gastrointestinaltraktes“ wurde er 2010 mit dem Wilhelm-Conrad-Röntgen-Preis ausgezeichnet.
Veranstaltungshinweis
Raum: Congress-Saal
Freitag, 30.10.2015, 14:30 Uhr
Diagnostik solider Pankreastumoren
Thomas Lauenstein, Essen
Session: Pankreas
30.10.2015