
Bildquelle: Uni Würzburg/Christoph Mett
News • Schnelltest auf Influenza-Infektion
Grippe? Am Geschmack erkannt!
Die Grippe (Influenza) ist weit mehr als eine lästige Erkältung – sie zählt zu den gefährlichsten Infektionskrankheiten weltweit und fordert jedes Jahr rund eine halbe Million Todesopfer.
Besonders heimtückisch: Grippeviren sind schon ansteckend, bevor überhaupt erste Symptome auftreten. Trotz dieser Bedrohung sind die bisherigen Diagnosemöglichkeiten alles andere als ideal. Sie sind oft teuer, in der Anwendung kompliziert und in vielen ärmeren Regionen der Welt schlicht nicht verfügbar. Ein Team um Pharmazieprofessor Lorenz Meinel von der Universität Würzburg mit Kollegen aus Braunschweig und Köln stellt nun im Fachjournal ACS Central Science die technologische Grundlage für eine neuartige Selbstdiagnostik bei Influenza vor.
Statt auf teure und komplizierte Testverfahren zu setzen, nutzen wir die natürliche Sensorik des Menschen – den Geschmack – als Werkzeug zur Früherkennung von Infektionen
Lorenz Meinel
Das neue Prinzip könnte die Grippediagnostik künftig einfach, kostengünstig und schnell machen. Jedermann könnte es jederzeit und überall nutzen, etwa in Form eines Kaugummis oder Lutschers, der im Speichel infizierter Personen auf Grippeviren reagiert und einen Geschmacksstoff freisetzt. Im Mund nicht-infizierter Personen dagegen würde nichts passieren. So könnten Betroffene innerhalb weniger Minuten eine Infektion erkennen – ganz ohne Labor, Strom oder medizinisches Personal. „Diese Strategie eröffnet neue Möglichkeiten für die weltweite Früherkennung und Bekämpfung der Influenza“, sagt Lorenz Meinel, der den Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie der Uni Würzburg leitet.
Das neue Diagnose-Werkzeug besteht aus dem Sensormolekül Thymol – einem Naturstoff, der unter anderem in Thymian vorkommt – und einem virusspezifischen Zuckerbaustein. Kommt es mit aktiven Grippeviren in Kontakt, setzen diese das Thymol frei, und im Mund entsteht ein klar erkennbarer Geschmack. „Statt auf teure und komplizierte Testverfahren zu setzen, nutzen wir die natürliche Sensorik des Menschen – den Geschmack – als Werkzeug zur Früherkennung von Infektionen“, so Lorenz Meinel.
Das Prinzip ist flexibel: Sowohl der Geschmacksträger als auch der Erkennungsbaustein lassen sich anpassen. So kann das System etwa mit süßen, bitteren oder salzigen Geschmacksrichtungen ausgestattet werden – auch kindgerecht. Ebenso lässt es sich auf unterschiedliche Krankheitserreger übertragen. „Für andere Infektionen könnte beispielsweise der virusspezifische Zuckerbaustein durch ein bakterienspezifisches Peptid ersetzt werden. Die zugrunde liegende Funktionsweise bleibt dabei erhalten“, erklärt Professor Meinel. So eröffne die Methode neue Möglichkeiten für die niederschwellige Diagnostik viraler und bakterieller Infektionen – von Influenza bis hin zu zukünftigen Erregern, die heute noch gar nicht bekannt sind.
Nun arbeitet das Forschungsteam daran, die Sensoren in Kaugummis oder Lutscher einzuarbeiten und das diagnostische System für eine massenhafte Produktion tauglich zu machen. Dabei kooperiert es mit dem 2024 aus der Uni Würzburg heraus entstandenen Start-up FlareOn Biotech GmbH. Der Entwicklungsprozess wird voraussichtlich rund vier Jahre dauern. Derartige Anwendungen eignen sich besonders für neuralgische Punkte wie Schulen, Kindergärten oder Altersheime, davon ist das Team überzeugt. Gerade in ärmeren Ländern könnten sie bei der Eindämmung von Infektionsherden von entscheidender Bedeutung sein.
Die Forschenden denken auch schon weiter in die Zukunft: Sobald eine Anwendung verfügbar ist, möchten sie alle Nutzer auf freiwilliger Basis bitten, positive Influenza-Testergebnisse mit einer Smartphone-App festzuhalten. Diese Daten könnten ein bislang nicht erreichbares Online-Lagebild ermöglichen, um die Ausbreitung von Influenzaviren in Echtzeit zu verfolgen. Mit künstlicher Intelligenz wären dann auch Vorhersagen möglich, wo es eventuell zu epidemischen oder pandemischen Entwicklungen kommen könnte. Das würde es der Weltgesundheitsorganisation, Regierungen, Kommunen oder auch Einzelpersonen ermöglichen, frühzeitig Vorsichtsmaßnahmen einzuleiten.
Quelle: Universität Würzburg
02.10.2025