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Gadolinium sorgt in MR-Kontrastmitteln für gute Bildergebnisse, kann jedoch auch Ablagerungen im Gehirn hinterlassen. Bei vielen Patienten sorgt das für Verunsicherung.

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Gadoliniumablagerungen im Gehirn – was sage ich besorgten Patienten?

Gadolinium sorgt in MR-Kontrastmitteln für gute Bildergebnisse, kann jedoch auch Ablagerungen im Gehirn hinterlassen. Bei vielen Patienten sorgt das für Verunsicherung.

Dr. Frederik Strobl, Oberarzt und Bereichsleiter gynäkologische und urologische Bildgebung in der Klinik und Poliklinik für Radiologie am Klinikum der LMU München, hat auf dem MR-Symposium den Vorsitz in einer Session über die Hintergründe zum Einsatz von Gadolinium-Kontrastmitteln und verrät, welche Informationen er besorgten Patienten auf den Weg gibt. „Man muss das Phänomen der Gadoliniumretention im Gehirn sicherlich ernstnehmen“, sagt Strobl. Aktuell werden deshalb Gadolinium-haltige Kontrastmittel nur dann eingesetzt, wenn die Vorteile der Kontrastmittelgabe eindeutig helfen, klinische Fragestellungen der Untersuchung zu beantworten. Bei linearen Kontrastmitteln wurde eine höhere Retentionsrate festgestellt als bei makrozyklischen Präparaten, daher werden lineare Kontrastmittel – mit Ausnahme von leberspezifischen Kontrastmitteln – in Europa mittlerweile nicht mehr verwendet.

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Als Arzt sollte man ohnehin jede Kontrastmittelgabe kritisch hinterfragen

Frederik Strobl

Das Phänomen der Gadoliniumretention ist erst seit 2014 bekannt; ob und wie schädlich sie für den Patienten letztendlich ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Strobl: „Es ist daher wichtig, dem Patienten darzulegen, dass es bislang noch keinerlei evidenzbasierte Berichte über klinische Symptome durch diese Ablagerungen gibt.“ Weder in Tierversuchen noch in kontrollierten Studien konnten entsprechende Effekte nachgewiesen werden. „Tatsächlich gibt es mittlerweile sogar Evidenz, dass die Ablagerungen nach einer bestimmten Zeit zumindest teilweise abgebaut und vom Körper ausgeschieden werden – das so genannte Wash-Out-Phänomen.“

In der Bildgebung mit Magnetresonanz-Tomographie (MRT) haben Kontrastmittel für viele Patienten einen überragenden klinischen Vorteil, zum Beispiel bei der Charakterisierung von Leberläsionen oder bei der Beurteilung, ob zerebrale Metastasen vorliegen, zählt Strobl auf. „In diesen Fällen überwiegt der klinische Benefit ganz klar das – noch nicht bewiesene – Risiko“. Der Experte rät dennoch zur Vorsicht: „Als Arzt sollte man ohnehin jede Kontrastmittelgabe kritisch hinterfragen. Die jüngst entdeckte Gadoliniumretention ist für Radiologen ein zusätzlicher Anlass, den Einsatz von Fall zu Fall genau abzuwägen.“ Anhand der Anamnese des Patienten und in Absprache mit dem klinischen Zuweiser muss eruiert werden, ob eine Kontrastmittelgabe wirklich notwendig ist – oder ob sich Fragestellungen auch ohne Kontrastmittel oder mithilfe alternativer Bildgebung beantworten lassen, etwa per Computertomographie (CT) oder Ultraschall.

Empathischer Kommunikationsstil für Radiologen wichtig

portrait of frederik strobl
Dr. Frederik Strobl ist Oberarzt für Radiologie und Bereichsleiter gynäkologische und urologische Bildgebung in der Klinik und Poliklinik für Radiologie am Klinikum der LMU München.

Durch die mediale Aufmerksamkeit der vergangenen Jahre ist das Thema Gadoliniumretention auch in das Bewusstsein vieler Patienten gerückt – das zeigt sich auch im klinischen Alltag, wie Strobl zu berichten weiß: „Oft informieren sich Patienten vor einer MRT-Untersuchung im Internet und fragen dann gezielt nach. Es kommt auch vor, dass sie mit dem Hinweis auf das ungeklärte Risiko durch die Ablagerungen die Kontrastmittelgabe ablehnen.“ Diese Patienten umstimmen zu wollen hält der Experte für den falschen Ansatz: „Die Sorgen sollte man als Mediziner ernst nehmen. Jeder Mensch ist Herr über seine eigene Gesundheit und es ist sein gutes Recht, eine Untersuchung abzulehnen. Es ist nicht ärztliche Aufgabe, diese Patienten zu überzeugen, sondern ihnen die aktuelle Evidenz aufzuzeigen und dann eine eigene Entscheidung treffen zu lassen.“ Steht zu befürchten, dass ein Patient ohne Kontrastmittelgabe zu Schaden käme, sollte der Arzt das allerdings deutlich benennen, betont Strobl. Dabei ist jedoch ein empathischer Kommunikationsstil gefragt und keine Behandlung von oben herab. Dazu gehört auch, ein Nein des Patienten zu akzeptieren. Der Hinweis auf den aktuellen Wissensstand bringt jedoch viele Patienten dazu, ihre ursprüngliche Ablehnung zu überdenken.

Sollte die Untersuchung mit Kontrastmittelgabe verweigert werden, kann die native MRT-Aufnahme eine Alternative sein. „Im Befundtext muss dann darauf hingewiesen werden, dass das Bild für gewisse Fragestellungen nur eingeschränkt beurteilbar ist.“ Letztendlich, sagt Strobl, hilft nur mehr Forschung und mehr Evidenz, um die noch offenen Fragen zur Gadoliniumablagerung im Gehirn beantworten zu können und so die Skepsis der Patienten zu mindern“. „Die Forschung und das kritische Hinterfragen aktueller Protokolle kann im besten Fall auch dazu führen, Wege zu finden, manche klinische Fragestellungen in Zukunft auch ohne Kontrastmittelgabe zu beantworten, etwa durch die Diffusionsbildgebung.“


Profil:
Dr. Frederik Strobl ist Oberarzt für Radiologie und Bereichsleiter gynäkologische und urologische Bildgebung in der Klinik und Poliklinik für Radiologie am Klinikum der LMU München. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen insbesondere unterschiedliche Themen aus der interventionellen Radiologie. Er befasst sich zudem mit den Auswirkungen von Kontrastmitteln im Körper, insbesondere mit den Ablagerungen Gadolinium-basierter Kontrastmittel im Gehirn.

Veranstaltungen
Donnerstag, 17.1.2019, 18:00–18:45 Uhr
Dr. Frederik Strobl (München)
Session: Gadoliniumablagerung im Gehirn - Aktueller Stand

Donnerstag, 17.01.2019, 16:25–16:35 Uhr
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Dr. Frederik Strobl (München)
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