Detailtreuer Blick ins Gehirn
Verfeinerte Aufnahmetechniken und Spulen erlauben gute Beurteilbarkeit der Hirnnerven im MRT. Prof. Dr. Elke Gizewski, Direktorin der Universitätsklinik für Neuroradiologie an der Medizinischen Universität Innsbruck und Spezialistin für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie, erläutert Pathologien und Untersuchungstechniken intrakranieller Hirnnerven.
Unklare Riechstörungen, Schwindel, Gesichtsschmerzen und Lähmungen – das sind die typischen Symptome, bei deren Auftreten die Hirnnerven neuroradiologisch untersucht werden. Wie viele andere Nerven auch, handelt es sich bei den Hirnnerven um sehr kleine und feine Strukturen. Sie liegen im Gehirn selbst und um dieses herum. Grenzen Knochen und Luftareale direkt an die Weichteilstrukturen des Gehirns an, sind die Hirnnerven im MRT oft schwer identifizier- und darstellbar.
Neue Techniken machen es möglich
Erwiesenermaßen stellt die Visualisierung von Hirnnerven eine besondere Herausforderung an das Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) und die räumliche Auflösung dar. Je kaudaler die Hirnnerven liegen, desto schwieriger wird es, sie eindeutig zu identifizieren. Vor allem der elfte und der zwölfte Hirnnerv sind nicht immer eindeutig voneinander zu trennen, auch weil diese Nerven zu den dünnsten Hirnnerven gehören. Die modernen MR-Techniken haben entscheidend zur besseren Darstellung beigetragen. Eine höhere Auflösung, bessere Stabilität der Bildqualität, Optimierung der Sequenzen und Reduzierung der Artefakte sind die Folge.
1,5, 3 und 7 Tesla
Die CISS-Sequenz wurde früher aufgrund ihres hohen Liquor-Gewebe-Kontrasts eingesetzt und sorgte für eine verbesserte Darstellung, zumindest bei 1,5 Tesla. Bei 3 und erst recht bei 7 Tesla wird diese Sequenz allerdings sehr störanfällig, da hierbei der Liquor zu stark betont wird und zu Artefakten führt. Eine Alternative stellt die MP2RAGE dar, eine T2-gewichtete Sequenz, die auch 3D schafft, bei gleichzeitig geringer Störanfälligkeit. „Wenn wir 3-Tesla-MR-Geräte als Standard nehmen, verfügen wir über ein höheres Signal in Relation zum Rauschverhältnis und damit auch über eine bessere Auflösung der Hirnnerven“, erläutert Gizewski. Der Einsatz von parallelen Akquisitionstechniken (PAT) erzielt ein noch besseres Bildergebnis. Eine weitere Steigerung lässt sich mit den modernen Mehrkanalspulen erzielen. Der Einsatz von 7 Tesla wird dann fast schon wieder schwieriger, trotz der guten Auflösung in vielen Bereichen. „Denn gerade da, wo die Knochen- und Luftgrenzen aufeinandertreffen, verursacht die hohe Feldstärke eher mehr Artefakte. Grundsätzlich von einer höheren Feldstärke immer auf aussagekräftigere Bilder zu schließen, ist insofern nicht korrekt“, so die Neuroradiologin. Als ergänzende Untersuchung, zum Beispiel zur Darstellung des Felsenbeins mit dem Innenohr, wird deshalb eine Kombination aus hochaufgelöster MRT und CT im Knochenfenster bei den meisten Fragestellungen präferiert.
Bei Schmerz und Schwindel
Neben den Patienten mit unklaren Riechstörungen, bei denen der Bulbus olfactorius dargestellt und untersucht wird, werden zur Untersuchung der Hirnnerven Patienten mit Schmerz und Schwindel überwiesen. Wenn es zu Gefäßnervenkontakten kommt, die Gefäße mit kleinen Gefäßschlingen also in den Porus acusticus internus ragen, kann das die Ursache für massive Schwindelsymptome sein. Manchmal ist aber nicht der Nerv, sondern sein Kerngebiet betroffen (zum Beispiel durch einen MS-Herd), sodass immer auch eine hochaufgelöste Darstellung der Hirnstammstruktur erfolgen muss.
Aber auch onkologische Patienten untersucht die Neuroradiologin immer wieder: Bei einer Meningeosis carcinomatosa findet eine diffuse Tumorzellaussaat im Liquorraum statt, oft unter Beteiligung der Hirnnerven. Bei Patienten mit einer Retrobulbärneuritis oder mit Sehstörungen unklarer Genese wird der Nervus opticus untersucht. Aufgrund seiner Dicke und Ausdehnung ist dieser relativ gut darstellbar.
Auch mit Kontrast
Üblicherweise dauert die neuroradiologische Untersuchung 20 bis 30 Minuten und wird je nach diagnostischem Schwierigkeitsgrad vom Neuroradiologen oder Radiologen durchgeführt. Die Patienten werden meist von HNO-Ärzten, Neurologen, Neurochirurgen und Ophthalmologen zugewiesen. In Abhängigkeit von der jeweiligen Problematik wird entweder mit oder ohne Kontrastmittel gearbeitet. Zur Darstellung der Anreicherung an den Hirnnerven bei beginnender Meningeose oder des häufigeren Tumors am Nervus vestibulocochlearis (Akustikusschwannom) wird auf jeden Fall Kontrastmittel verabreicht. Im Kontext mit Pathologien des Sehnervs können im Kontrast Tumoren an der Nervenscheide ausgeschlossen werden. Bei typischen Gesichtsschmerzen ist das nicht zwingend notwendig.
Option bei Trigeminusneuralgie
Für therapeutische Zwecke kommt die CT zum Einsatz. So wird die Thermokoagulation am Nervus trigeminus stereotaktisch gesteuert im CT durchgeführt – bei chronischem Gesichtsschmerz eine der am häufigsten praktizierten Therapiemethoden der Trigeminusneuralgie. Auch in Innsbruck sei das ein gängiges Verfahren, um die Patienten von ihrer Qual zu befreien, bestätigt Gizewski.
PROFIL:
Prof. Dr. Elke R. Gizewski ist Radiologin mit dem Schwerpunkt Neuroradiologie und seit 2012 Direktorin der Universitätsklinik für Neuroradiologie an der Medizinischen Universität Innsbruck. Sie ist spezialisiert sowohl auf die Diagnostische als auch die Interventionelle Neuroradiologie und hat zudem eine Zusatzbezeichnung in Psychotherapie sowie einen Master in Health Business Administration. In Innsbruck baute sie die multimodale MRT-Bildgebung aus und etablierte fMRT-Paradigmen sowie auch Spezialanwendungen bis hin zur MR-Spektroskopie. Sie ist Leiterin des 3-Tesla-MRTs der Core Facility Neurowissenschaftliche Bildgebungsforschung der Medizinischen Universität Innsbruck. Elke Gizewski war und ist Mitglied von DFG-Forschergruppen, die Placebo-Einflüsse und Lernprozesse bei Schmerzverarbeitungen untersuchen, und kooperiert mit vielen nationalen und internationalen Gruppen auch in der Evaluation neuer therapeutischer, zumeist endovaskulärer Verfahren.
28.11.2014