Video • Reparatur des Herzmuskels bei Herzschwäche

Forscher testen „Herzpflaster“ aus Stammzellen

Weltweit sind 60 Millionen Patienten von Herzmuskelschwäche betroffen. Allein in Deutschland leiden 4 Millionen an Herzmuskelschwäche. Mit etwa 500.000 Fällen pro Jahr ist die Herzmuskelschwäche die häufigste Ursache für eine Krankenhausaufnahme. Nun hat das Paul-Ehrlich-Institut erstmalig die Prüfung eines Herzmuskelpräparates aus Stammzellen, sogenannte „Herzpflaster“, genehmigt.

Nach mehr als 25 Jahren Forschung und präklinischer Entwicklung wird derzeit am Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) die klinische Studie BioVAT-HF-DZHK20 zur „Sicherheit und Wirksamkeit von aus induzierten pluripotenten Stammzell-abgeleitetem menschlichem Herzmuskelgewebe bei terminaler Herzinsuffizienz“ eingeleitet. Der neuartige biologische Therapieansatz, der in dieser Art weltweit das erste Mal zur Anwendung kommt, wurde in Göttingen entwickelt. Dabei wird aus Stammzellen hergestelltes Herzmuskelgewebe auf das erkrankte Herz von Patienten mit Herzmuskelschwäche aufgebracht, um es zu stärken. Die Forschungsarbeiten, die zur Überführung der Methode vom Labor in die klinische Anwendung am Patienten nötig waren, wurden ganz wesentlich am Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), Standort Göttingen, durchgeführt.

Weitere Informationen zur Studie unter ClinicalTrials.gov (Identifier: NCT04396899)

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„Herzpflaster“ aus Stammzellen zur Reparatur des Herzmuskels bei Herzschwäche geht in weltweit erste klinische Prüfung
Quelle: UMG

Insgesamt 53 Patienten sollen in die Studie aufgenommen werden. Rekrutiert werden diese an der Universitätsmedizin Göttingen sowie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck und am Herz- und Diabeteszentrum NRW des Universitätsklinikums der Ruhr-Universität Bochum in Bad Oeynhausen. Die wissenschaftliche Leitung hat Prof. Dr. Wolfram Zimmermann, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der UMG und Sprecher des DZHK-Standorts Göttingen. Die klinische Leitung haben Prof. Dr. Tim Seidler, Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG sowie Dr. Ahmad-Fawad Jebran, Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie der UMG. Gefördert wird die Studie durch das DZHK und die Repairon GmbH.

Der niedersächsische Wissenschaftsminister Björn Thümler sagt: „Herzerkrankungen stehen bei den Volkskrankheiten ganz oben. Herz-Kreislauf-Erkrankungen nehmen weiter zu und sind die Todesursache Nummer eins in Deutschland. Der Start der Studie weltweit erstmals am Menschen ist ein Signal an die Betroffenen, das Hoffnung macht: Wenn das Vorhaben gelingt, können weit schwerere und belastendere Therapieoptionen vermieden werden. Das wäre ein Quantensprung in der klinischen Anwendung.“

Prozess von Nabelschnurblut zur Herzpflaster-Implantation
Prozess von Nabelschnurblut zur Herzpflaster-Implantation

Grafik: UMG/Pharmakologie

„Da die Herzmuskelschwäche durch einen Verlust von Herzmuskelzellen bedingt ist, erscheint die Implantation von Herzmuskelzellen als logischer Ansatz. Durchbrüche im Bereich der Stammzellforschung erlauben es uns heute, menschliche Herzmuskelzellen in großer Menger sowie klinischer Qualität herzustellen. Über das von uns entwickelte Herzpflasterverfahren sollen diese dauerhaft in das erkrankte Herz integriert werden. Umfangreiche präklinische Prüfungen legen nahe, dass wir so das geschwächte Herz auch in Patient*innen mit Herzmuskelschwäche stärken können“, sagt Prof. Dr. Wolfram-Hubertus Zimmermann, wissenschaftlicher Leiter der Studie. „Gelingt es mit einem Implantat aus einer großen Anzahl von Herzmuskelzellen die Herzfunktion zu verbessern, wäre das eine völlig neue Therapiemöglichkeit. Wir freuen uns, mit der Studie BioVAT-HF-DZHK20 eine sorgfältige klinisch-wissenschaftliche Untersuchung dieses Therapieansatzes durchführen zu können“, sagt Prof. Dr. Tim Seidler, Leiter der klinischen Prüfung und stellvertretender Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie an der UMG.

Vor dem Hintergrund des Mangels an Spenderorganen und der kontinuierlichen Zunahme der Patienten mit Herzmuskelschwäche kann die Implantation von Herzpflastern gerade Patienten mit schwerer Herzmuskelschwäche eine neue Behandlungsmöglichkeit bieten

Ahmad-Fawad Jebran

„Patienten mit schwerer Herzmuskelschwäche bleibt häufig nur die Herztransplantation. Vor dem Hintergrund des Mangels an Spenderorganen und der kontinuierlichen Zunahme der Patienten mit Herzmuskelschwäche kann die Implantation von Herzpflastern gerade Patienten mit schwerer Herzmuskelschwäche eine neue Behandlungsmöglichkeit bieten“, betont Dr. Ahmad-Fawad Jebran, stellvertretender Leiter der klinischen Prüfung und Oberarzt der Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie an der UMG. „Nach vier Jahren der Prozessentwicklung konnten wir in enger Abstimmung mit den zuständigen regulatorischen Behörden und in Zusammenarbeit mit der Repairon GmbH als erster Standort in Deutschland einen Herstellungsprozess für ein Prüfpräparat aus pluripotenten Stammzellen gemäß Arzneimittelgesetz aufsetzen“, sagt Priv.-Doz. Dr. Joachim Riggert, Leiter der Abteilung für Transfusionsmedizin an der UMG.

„Mit der operativen Implantation von neuem, vitalem Herzgewebe eröffnen sich ganz neue Behandlungsoptionen für Patienten mit Herzmuskelschwäche. Der im Rahmen der Studie BioVAT-HF-DZHK20 zu erprobende Therapieansatz verspricht, anders als mechanische Kunstherzsysteme, eine biologische Reparatur des Herzens und könnte für unsere Patienten eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität ermöglichen“, sagt Prof. Dr. Ingo Kutschka, Direktor der Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie an der UMG. „Die Studie BioVAT-HF-DZHK20 ist ein Resultat der hervorragenden langjährigen Zusammenarbeit im Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen. Die tatsächliche Translation solcher innovativer Therapieverfahren in die Klinik kann und wird auch in Zukunft nur über eine strukturierte interdisziplinäre Zusammenarbeit möglich sein“, ergänzt Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Vorsitzender des Herzzentrums und Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie an der UMG.


Quelle: Universitätsmedizin Göttingen

10.02.2021

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