Wenn das Herz schlapp macht…

Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie nimmt Herzschwäche in den Fokus

27.04. – 30.04.11 in Mannheim

Interview: Karoline Laarmann

Über 300 Veranstaltungen mit 1.800 Referenten umfasst die 77. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Dabei spiegelt das Kongressprogramm das gesamte Spektrum der Herz-Kreislauf-Erkrankungen von der Grund-lagenforschung bis zur klinischen Routine wider. Auf besonderen Wunsch von Tagungspräsident Prof. Dr. Gerd Hasenfuß wird ein Gros der Sitzungen im Zeichen der „Herzinsuffizienz und Regeneration“ stehen.

Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Universitätsklinikum Göttingen Herzzentrum,...
Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Universitätsklinikum Göttingen Herzzentrum, Direktor der Abt. Kardiologie und Pneumologie
Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Universitätsklinikum Göttingen Herzzentrum,...
Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Universitätsklinikum Göttingen Herzzentrum, Direktor der Abt. Kardiologie und Pneumologie

Die Herzinsuffizienz ist eine der häufigsten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die häufig in Folge eines Myokardinfarkts entsteht. Sowohl die diastolische (gestörte Füllung der Herzkammern) als auch die systolische (gestörter Blutauswurf) Herzmuskelschwäche führen nicht nur zu einer starken Einschränkung der Leistungsfähigkeit, sondern auch zu einer erhöhten Sterblichkeitsrate der Patienten. Dabei verstirbt etwa die Hälfte der Herzinsuffizienz-Patienten nicht am Pumpversagen, sondern an Rhythmusstörungen.

Prof. Hasenfuß, welche Behandlungsstrategien stehen bei der Herzinsuffizienz zur Verfügung?
Eine wichtige Erkenntnis, die wir in den letzten Jahren gewonnen haben, ist, dass die Betroffenen sich nicht schonen sollten, sondern ganz im Gegenteil durch körperliche Belastung ihre Herzfunktion optimieren können. Deshalb ist ein gezieltes Ausdauertraining ein wichtiger Baustein für die Verbesserung der Beschwerden. Darüber hinaus gibt es viele technische Entwicklungen im Bereich Schrittmacher- und Pumpen-Systeme. So können insbesondere im fortgeschrittenen Krankheitsstadium kleine Miniaturpumpen als eine Alternative zur Herztransplantation eingesetzt werden. Das gilt vor allem für ältere Patienten, die in Anbetracht der Organknappheit aus den Transplantationsregistern herausfallen.

Zusätzlich zu den operativen Verfahren gewinnen Kathethertechniken immer mehr an Bedeutung, z. B. bei der Behandlung einer Undichtigkeit der Mitralklappe. Dabei ist die Klappe nicht mehr in der Lage, das Blut in der Herzkammer daran zu hindern, in die Vorkammer zurückzufließen. Hinzu kommt, dass bei Patienten mit einer Herzschwäche im Endstadium häufig auch die Nierenfunktion mit beeinträchtigt ist. Zwar stehen in diesem Fall noch nicht viele Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, dennoch ist die differentialtherapeutische Berücksichtigung einer Nierenfunktionseinschränkung von wesentlicher Bedeutung.

Was genau ist unter dem Begriff „Regeneration“ zu verstehen?

Im engeren Sinne ist damit der Einsatz von Stammzellen zum Ersatz von Narbengewebe durch neues Herzmuskelgewebe zur Restitution der Herzfunktion gemeint. Zwar ist die Herzregeneration in diesem Sinne heute noch nicht am Patienten durchführbar, in vitro funktioniert die Herstellung von neuem Herzgewebe aber schon gut. Um in Zukunft einmal Herzzellen aus anderen Körperzellen zu gewinnen, müssen zunächst einmal geeignete Stammzellen identifiziert werden. Es gibt bereits Studien, in denen Knochenmarksstammzellen bei Patienten mit Myokardinfarkt eingesetzt wurden und teilweise zu einer Verbesserung der Herzfunktion geführt haben. Aber dabei hat sich gezeigt, dass Knochenmarkszellen sich nicht im Gewebe vermehren und zu Herzzellen entwickeln.

Am Herzzentrum Göttingen versuchen wir deshalb andere Stammzellen zu identifizieren, die zu Herzmuskelzellen differenzieren können. So ist es heute auch schon möglich, Haarzellen zu Herzzellen umzupolen. Aber dafür benötigt man Viren, um genetisches Material in die Zellen einzuschleusen. Desweiteren muss sichergestellt werden, dass diese Zellen sich nicht zu Tumoren entwickeln. Die Stammzellenforschung birgt aber nicht nur die Möglichkeit der Regeneration, sondern auch der Forschung an Krankheitsursachen, um neue Medikamente zu entwickeln. Eine weitere Studie an unserem Haus beschäftigt sich mit der Undichtigkeit des Kalziumspeichers. Kalzium ist der intrazelluläre Überträgerstoff, der die Herzmuskelzelle aktiviert. Dieser Speicher, so haben wir in unserer Klinik herausgefunden, ist bei der Herzinsuffizienz undicht. Die entsprechenden Medikamente, die diese Undichtigkeit beheben sollen, befinden sich momentan in der klinischen Erprobung.

 Welche aktuellen Erkenntnisse gibt es zum Thema Bildgebung und Herz?

Hier stellt sich vor allem die Frage, wie sich am intakten Organismus Störungen des Herzens möglichst ohne Katheter und mit geringer Strahlenbelastung feststellen lassen. Im Vordergrund steht dabei aus meiner Sicht die Magnetresonanztomographie (MRT). Auch dazu haben wir in Göttingen zusammen mit dem Max-Planck-Institut ein großes Forschungsprojekt laufen, um Real-Time-MRT zu betreiben. Wir sind mittlerweile in der Lage, eine hohe zeitliche Auflösung mit 50-100 Bildern/Sek. zu generieren. Dadurch lassen sich Bilder während eines einzigen Herzzyklus erstellen. Wandbewegungsstörungen, Perfusion oder die Bewegung der verschiedenen Herzareale werden dadurch sehr viel besser sichtbar. Das langfristige Ziel ist es, im MRT eine Angiographie und eine Intervention durchführen zu können. Das ist etwa interessant für die Ablation von Rhythmusstörungen. Hier hoffen wir, mithilfe der MRT sofort erkennen zu können, ob eine Unterbrechung der elektrischen Leitung erfolgreich war. Dieses Verfahren wird in etwa fünf Jahren einsatzbereit sein.

Prof. Hasenfuß, vielen Dank für das Gespräch!

Mehr Informationen unter http://ft2011.dgk.org/

20.04.2011

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