Fetaler Ultraschall der Wirbelsäule

Neuralrohrdefekte sind nach Herzfehlern die zweithäufigsten angeborenen Fehlbildungen bei Feten.

… und im 2D-Bild.
… und im 2D-Bild.
Quelle: Prof. Dr. med. Sevgi Tercanli

Dazu zählt die Spina bifida aperta, bei der der Wirbelkanal teilweise offen liegt. Je nach Lage und Höhe der offenen Stellen, handelt es sich um einen größeren Defekt, sodass Frauen die Schwangerschaft frühzeitig beenden können oder eine Operation im Mutterleib als ganz neue Behandlungsoption in Erwägung ziehen können. Prof. Dr. med. Sevgi Tercanli, Fachärztin für Gynäkologie mit dem Schwerpunkt Pränataldiagnostik in der Schweiz, sieht in der fetalen Diagnostik eine Ultraschalldomäne.

Beim Routinescreening zwischen der 20. und der 23. Schwangerschaftswoche wird die Sonoanatomie der Wirbelsäule und des Kopfes durchgeführt. Das ist in erster Linie ein 2D Ultraschall – gegebenenfalls dient 3D/4D als Zusatzmethode, Ultraum eine Ansicht auf verschiedenen Ebenen zu erhalten, die z.T. eine bessere Visualisierung und vor allem eine plastischere Darstellung ermöglichen. Im Ultraschall sind die pathologischen Anzeichen des Spina bifida aperta gut zu sehen: „Man erkennt sehr gut die Verschlussstörung der Wirbelbögen und den Wirbelkanal, der bei einer Spina bifida aperta nicht mit Haut überdeckt ist. Ferner kann beurteilt werden, ob eine Meningozele oder eine Meningomyelozele (eine leichte und eine schwere Variante der Spina bifida) oder auch eine Spina bifida occulta vorliegt (mit oder ohne offenliegendes Nervengewebe )“, sagt Tercanli.

Frühe Hinweise auf eine Spina bifida können Pränatalmediziner neuerdings schon ab der 12. bis 14. Schwangerschaftswoche sehen. Zeigt die hintere Schädelgrube bestimmte Auffälligkeiten, kann dies bereits ein Frühzeichen sein. Weitere Hinweiszeichen im Verlauf für einen Neuralrohr defekt sind eine auffällige Kopfform und die auffällige Lage und Form des Kleinhirns (bananaoder lemon-sign ). Das frühe Screening wird vor allem bei Frauen angewandt, die bereits ein Kind mit offenem Rücken ausgetragen haben, denn sie haben ein drei- bis vierprozentiges Wiederholungsrisiko. Vor der nächsten Schwangerschaft kann dem mit einer erhöhten Dosis Folsäure entgegengewirkt werden, aber ein Restrisiko bleibt bestehen. Die MRT ist zur Diagnostik der Spina bifida aperta nicht besser geeignet, weil die Aussagefähigket der Bilder von der Lage des Kindes abhängig sind. Liegt das Kind auf dem Rücken, sind die MRT- Aufnahmen unbrauchbar. „Der Ultraschall bietet da bessere Möglichkeiten, verschiedene Ebenen zu sehen. Wir können uns die gesamte Wirbelsäule, den Nervenkanal und den daran entlanglaufenden Nervenstrang einerseits im Längsschnitt und andererseits im Querschnitt anschauen. Wir können uns von Wirbelkörper zu Wirbelkörper arbeiten und genau ausmachen, in welcher Höhe sich die offene Stelle befindet und wie viele Wirbelkörper betroffen sind“, erklärt die Professorin. Sobald ein Defekt lokalisiert ist, müssen ebenfalls im Ultraschall weitere Fehlbildungen, zum Beispiel an Organen, ausgeschlossen werden.

Hochkomplizierter Eingriff
Sitzt die offene Stelle sehr tief, unterhalb der Lendenwirbelsäule, resultiert daraus keine Querschnittslähmung, sondern ein Ausfall des Analreflexes und eine Störung der Blasenentleerung. Wir bieten immer ein interdisziplinäres Konsil mit Kinderneurologen an, die mit uns gemeinsam Schwangere mit der Diagnose eines Kindes mit einem Neuralrohrdefekt über Behandlungsmöglichkeiten beraten. Grundsätzlich gibt es zwei Optionen: Der etwa drei Jahre alte MOMs Trial hat gezeigt, dass die Spina bifida aperta bereits intrauterin im Mutterleib erfolgreich operiert werden kann. In der Regel wird dieser vorgeburtliche Verschluss nur in wenigen spezialisierten Zentren durchgeführt, weil er ein erhöhtes Frühgeburts-, Infektions- und Frühfehlgeburtsrisiko birgt. Die Studien haben aber auch gezeigt, dass je früher der Defekt behoben wird, desto weniger schwer fallen die neurologischen Anfälle aus. In der Fetalchirurgie wird in der Regel eine Laparotomie bei der Schwangeren mit Eröffnung der Gebärmutter zum Verschluss der offenen Stellen beim Feten durchgeführt. Auch die Behandlung durch einen minimal-invasiven Eingriff per Laparaskopie wird angeboten – allerdings gibt es hier noch keine Vergleichsstudien. Erfolgversprechend ist dieser Ansatz, wenn die laparoskopische Vorgehensweise, das Risiko von frühzeitigen Wehen und Folgekomplikationen reduziert.

Im Profil:
Prof. Dr. med. Sevgi Tercanli ist Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe und Spezialistin auf dem Gebiet der Pränatalmedizin. Seit 2009 hat sie die Titularprofessur Frauenheilkunde und Geburtshilfe an der Universität Basel inne. Ihre eigene „Ultraschallpraxis Freie Strasse“ in Basel, Schweiz, eröffnete sie 2012 und führt dort unter anderem mit der erworbenen DEGUM III Stufe gynäkologischen Ultraschall, Mammadiagnostik und Dopplersonographie durch. Tercanli ist Mitglied in mehreren Gesellschaften wie der DEGUM sowie im Vorstand der SGUM und Mit-Herausgeberin des European Journal of Ultrasound.

Veranstaltung:
Saal Tirol Mi., 29.10., 15:20–15:40 Uhr Wirbelsäule – Normal und Pathologisch S. Tercanli, Basel (CH) Session: Pränatalmedizin, Teil 4: Pränatalmedizin aktuell (AWS1)
 

11.11.2014

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