Ein „Materialschrank“ voller Möglichkeiten

Die thorakale Aortenintervention

"Die interventionelle Therapie ist eine äußerst kreative und handwerkliche Tätigkeit. Uns steht ein Schrank voller Materialien zur Verfügung, aus dem wir uns für einzelne Indikationen bedienen sollten, um auch mal neue Wege zu gehen", so postuliert es Privatdozent Dr. Niels Zorger, Chefarzt der Radiologie und Neuroradiologie am Krankenhaus Barmherzige Brüder in Regensburg. Einige prägnante Beispiele hierfür wird er in seinem Kongressbeitrag zur thorakalen Aortenintervention ausführlich darstellen.

PD Dr. Niels Zorger
PD Dr. Niels Zorger

Doch zunächst wird es um die Frage gehen, welche Art der Bildgebung notwendig ist, um Aortenerkrankungen so zu diagnostizieren, dass eine Therapie überhaupt möglich ist. „Das wichtigste Tool ist hier der Multi-Slice-CT, mit dem wir die Aorta von der Schädelbasis bis zur Leiste darstellen und mittels parasagittaler und parakoronaler Rekonstruktionen die Intervention planen können“, so Zorger.

Zu den häufigsten Erkrankungen, die sich für einen Eingriff via Katheter eignen, zählen die Aortenruptur, das Aneurysma, das penetrierende Aortenulkus und schließlich die B-Dissektion, also der Einriss der Aortenmembran. Zorger: „Ein praktisches Beispiel, das ich ausführlicher behandeln möchte, ist die Aortenisthmusstenose, die mittlerweile endovaskulär über die Leistenarterie behandelt werden kann. Und besondere Aufmerksamkeit möchte ich auch der komplexen Dissektion und der Therapie durch Fenestrierung, also einer Schlitzung der Membran, widmen. Diese Methode wird nur noch relativ selten eingesetzt und ist in der Praxis darum nicht allzu bekannt. Bei der Schlitzung beziehungsweise Fenestrierung geht es darum, vom falschen ins wahre Lumen und umgekehrt zu stechen und die Dissektionsmembran zu eröffnen, um die Perfusion der Viszeralarterien aufrechtzuerhalten. Standardmäßig wird die Perfusion heute mittels einer Prothese erzielt. Diese Methode ist jedoch nicht bei allen Patienten anwendbar, weshalb neben der ‚Membranschlitzung‘ neu entwickelte Prothesen an Bedeutung gewinnen werden.“

Ein solches neues Werkzeug im Materialschrank der thorakalen Aortentherapie sind sogenannte gebranchte Prothesen, wie sie beim Aortenaneurysma im abdominellen Bereich schon heute eingesetzt werden. „Im thorakalen Bereich ist der Einsatz dieser Prothesen komplexer, weil der Aortenbogen so anguliert ist, dass die Platzierung der Seitenärmchen äußerst schwierig ist. Bis dato sind diese Therapien nur mit einer Operation möglich, der Trend geht jedoch massiv hin zur minimalinvasiven Intervention, denn der Bedarf ist groß. Dabei liegen die Probleme weniger in der exakten Berechnung der Aussparungen, sondern vielmehr in der genauen Platzierung an den Abgängen. Erste Studien zur Ermittlung einer sicheren Platzierungsvariante laufen bereits, der Stein der Weisen wurde bisher aber noch nicht gefunden. Ein Weg könnte zum Beispiel darin bestehen, die Prothesen an kleinen Schnürchen hochzuziehen oder Drähte in den Abgängen ‚vorzuladen‘. Das ist derzeit aber noch Zukunftsmusik“, so der Experte.

Die Übergänge zwischen thorakaler und abdomineller Therapie sind in der Praxis relativ fließend, denn: „Wir müssen die Aorta als Ganzes sehen. In manchen Fällen müssen beispielsweise Stents vom Aortenbogen bis hin zum Beckenbereich gelegt werden. Natürlich gibt es gezielte Eingriffe, wie beispielsweise der Einsatz von konventionellen Prothesen bei Bauchaortenaneurysmen, die ausschließlich den abdominellen Bereich betreffen. Grundsätzlich ist eine strikte Trennung jedoch nicht möglich“, so Zorger abschließend.
 

Im Profil

Privatdozent Dr. Niels Zorger ist seit April 2010 Chefarzt des Instituts für Radiologie und Neuroradiologie am Krankenhaus Barmherzige Brüder in Regensburg. Davor war er als Stellvertretender Direktor und Leitender Oberarzt des Instituts für Röntgendiagnostik am Universitätsklinikum Regensburg tätig. Ihm und seinem Team gelang weltweit erstmalig die magnetresonanzgeführte Stentimplantation in Beckenarterien. Seine wissenschaftlichen und klinischen Schwerpunkte legt Dr. Zorger auf die interventionelle Radiologie und moderne Schnittbilddiagnostik sowie die Behandlung von Lebertumoren.

Veranstaltungshinweis

Samstag, 9. Oktober 2010, 09:10 Uhr–10:10 Uhr: Aorta
Vorsitz: Ch. Paetzel, Weiden, und S. Thurnher, Wien

09:10 Uhr: Intervention thorakal
N. Zorger, Regensburg

05.10.2010

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