Zertifikat
Die Zukunft nachhaltig im Blick
Medizinischer Fortschritt und demografische Entwicklung stellen steigende Anforderungen an das Gesundheitssystem insgesamt und die klinische Versorgung im Besonderen. Krankenhäuser stehen vor der Aufgabe, ihre Einrichtungen auf wirtschaftlicher, ökologischer, qualitativer und sozialer Ebene nachhaltig zu gestalten. Doch nur wer die eigenen Schwachstellen kennt, kann handeln. Jens Schneider, Leiter der Siemens Healthcare Consulting, stellt die Blue Hospital Zertifizierung vor, bei der die komplette Klinik auf den Prüfstand kommt.
Interview: Sascha Keutel
Was bedeutet der Begriff „Blue Hospital“?
Blue Hospital ist ein integratives Konzept, das darauf ausgelegt ist, Ökologie, Ökonomie und Effizienz mit dem Wohlbefinden der Menschen in Einklang zu bringen. Wir geben Krankenhäusern Instrumente an die Hand, wie Synergieeffekte aus den Komponenten Innovation, technologischer Fortschritt und dem verantwortungsvollen Umgang mit den natürlichen Ressourcen generiert werden können.
Das Verfahren wurde von der Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik im DIN und VDE (DKE) – die in Deutschland zuständige Organisation für die Erarbeitung von Standards in den Themenfeldern Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik – entwickelt und dient dem Prüf- und Zertifizierungsinstitut VDE als Grundlage für die Umsetzung in der Praxis. Als erster Dienstleister hat Siemens Healthcare diese Zertifizierung nach dem Blue-Hospital-Ansatz durchlaufen und kann damit Krankenhäuser nach dem Standard „Blue Hospital“ beraten.
Die Analyse bietet Kliniken die Chance, bisher ungenutzte Einsparpotenziale zu identifizieren. Blue Hospital ist damit nicht zuletzt ein probates Werkzeug auch für kleinere und mittlere Häuser, die ihre Prozesse nachhaltig beeinflussen und zukunftsfähig ausrichten wollen.
Wie wird die Zertifizierung durchgeführt?
In einem ersten Schritt erhebt die Klinik systematisch alle wichtigen Kennzahlen in den Bereichen Ökologie, Ökonomie und Patientenqualität. In einer zweiten Stufe treten wir als zertifizierter Dienstleister in Erscheinung, untersuchen vor Ort, analysieren die Daten und ermitteln daraus eine Kennzahl für die Nachhaltigkeit des gesamten Krankenhauses.
Dieser Score steht sozusagen an der Spitze einer Pyramide. Auf einer darunter liegenden Ebene lässt sich das Abschneiden in den einzelnen Sektoren, also in den Teilbereichen Qualität, Effizienz und Umwelt, darstellen. 40 Themenbereiche werden überprüft: Von der Heizung und Warmwasserversorgung bis hin zur Mitarbeiter- und Patientenzufriedenheit reicht dabei das Spektrum. Wer einen noch detaillierten Überblick benötigt, kann an der Basis der Pyramide rund 400 abgefragte Detailbereiche nachvollziehen.
Zu der Darstellung der Ist-Situation erhält die Klinik eine Bewertung. Diese ergibt sich aus einem Benchmark mit Häusern ähnlicher Größe und Struktur. Aufbauend darauf erarbeiten wir einen konkreten Maßnahmenkatalog mit einem quantifizierten Verbesserungspotenzial. Die Klinik kann dann ganz gezielt Verbesserungen umsetzen, um einen höheren Score zu erreichen.
Welche Motivation haben Kliniken, sich zertifizieren zu lassen?
Durch die steigenden Ausgaben im Gesundheitswesen stehen Krankenhäuser unter einem enormen Kostendruck. Die Zeiten, in denen einfache Lösungen ausreichten, sind vorbei. Beispielsweise richtet sich in anderen Ländern wie den USA und Schweden die Vergütung nicht mehr pauschal nach der Art der Behandlung sondern auch nach der vom Patienten wahrgenommenen Qualität. In Deutschland ist ein ähnlicher Trend festzustellen. Einschnitte beim Personal oder in der Infrastruktur erzielen dann nicht mehr den gewünschten Effekt.
Es hilft also wenig, in einem Bereich zu optimieren, ohne das Gesamtbild vorher erfasst zu haben. Wenn alle Bereiche systematisch durchleuchtet sind, lassen sich sinnvolle Optimierungspotenziale identifizieren. Bei der Energieversorgung können in der Regel relativ leicht Potenziale gehoben werden, und auch die prozessualen Bereiche wie Mitarbeiter-, Patienten- und Logistikworkflow sind dankbare Kandidaten.
Manche Krankenhäuser lassen sich vor Neu- oder Umbaumaßnahmen zertifizieren, um von vornherein Effizienz und Nachhaltigkeit zu garantieren. Aber auch für Verhandlungen um Fördergelder und die allgemeine Außendarstellung ist eine Zertifizierung sinnvoll.
PROFIL:
Jens Schneider schloss sein Studium an der Phillips-University Marburg 2001 als Diplomkaufmann ab. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Berater für Banken und Consulting Unternehmen war er von 2004 bis 2008 Leiter Planung am University Hospital Aachen und kaufmännischer Berater mehrerer Kliniken. Seit 2008 ist Schneider für die Siemens AG (nun Siemens Healthcare GmbH) tätig und ist seit 2011 Principal von Siemens Healthcare Consulting. Er ist bei Siemens Experte für Krankenhausmanagement und leitet Beratungsprojekte in den Bereichen Strategie, Prozesse und Infrastruktur in Gesundheitseinrichtungen weltweit.
18.11.2015