Die Thoraxradiologie hat Nachholbedarf ...

… sagt Prof. Dr. Bernward Passlick, der am Freitag den Vorsitz beim Thoraxtag zur Diagnostik und Therapie des Emphysems beim diesjährigen Röntgenkongress in Hamburg hat. Sprechen wird er dann über die chirurgische Therapie des Emphysems.

Prof. Dr. Bernward Passlick
Prof. Dr. Bernward Passlick
Prof. Dr. Bernward Passlick
Prof. Dr. Bernward Passlick

Als Ärztlicher Direktor der Klinik für Thoraxchirurgie am Universitätsklinikum Freiburg liegt ihm besonders am Herzen, den Blick seiner chirurgischen und radiologischen Kollegen für eine bessere diagnostische und kostenreduzierende Zusammenarbeit zu schärfen. RöKo Heute verriet der Thorax-Experte, wo noch Bedarf besteht.

RöKo Heute: Wie wichtig ist für Sie als Thoraxchirurg die gute Zusammenarbeit mit Radiologen – grundsätzlich und im
Tumorboard?

Passlick: Für die Pneumologie und Thoraxchirurgie ist eine intensive und vertrauensvolle Kooperation mit der Radiologie so essenziell, wie vermutlich in kaum einem anderen Fach. Letztendlich können viele thoraxchirurgische Erkrankungen, vom Pneumothorax über die Fibrose, bis hin zu den malignen Erkrankungen, fast ausschließlich bildgebend diagnostiziert und verlaufskontrolliert werden. Dabei können sich Radiologie und Thoraxchirurgie gegenseitig befruchten. Im Gegensatz zum Radiologen kann der Thoraxchirurg täglich radiologische Befunde mit dem anatomischen und pathologischen Substrat korrelieren und so eine Übersetzungshilfe bieten. Dies spiegelt sich auch in gut funktionierenden Tumorboards wider, in denen sich eine ausgezeichnete Plattform bietet, um einen sinnvollen interdisziplinären Austausch zu schaffen, beispielsweise im Hinblick auf die Frage der Infiltration von Nachbarorganen, der Differenzierung von Infiltraten usw.

Was könnte dieses Fach besser machen, um Ihren klinischen Bedürfnissen mehr entgegenzukommen?
Wesentliche Erkrankungen, die den thoraxchirurgischen Alltag bestimmen, sind die Malignome, insbesondere der primäre Lungenkrebs, Mesotheliome sowie Lungenmetastasen. Darüber hinaus spielt die funktionelle Thoraxchirurgie im Hinblick auf Emphysem und Zwerchfellerkrankung eine große Rolle. Die Radiologie kann hierbei unterstützen, in dem sie den aktuellen klinischen Trends folgt.
So werden derzeit vermehrt bei kleinen Lungentumoren (< 2 cm) Segmentresektionen anstelle von Lobektomien eingesetzt bzw. erforscht. Bei der exakten präoperativen Darstellung des Tumorsitzes ist der Radiologe hilfreich, weil er die Segmentgrenzen röntgenologisch arstellen kann, was dem Operateur die Planung erleichtert. Dazu muss er die Bilder so optimieren, dass sie den Bedürfnissen des Chirurgen gerecht wird. Hierzu gibt es einige Ansätze, die der weiteren Verfolgung bedürfen.Die Volumetrie von Rundherden im zeitlichen Verlauf könnte bei breitem und reproduzierbarem Ansatz eine wertvolle Hilfe bei der Entscheidung zur Operationspflichtigkeit sein.

Welche besonderen Anliegen beschäftigen Sie hinsichtlich der gemeinsamen Sitzungen der DRG und DGP bzw. DGT?
Anlässlich des diesjährigen Kongresses der Röntgengesellschaft stehen Lungenkrebsscreening, die Fibrose und das Emphysem im Mittelpunkt. Das Lungenkrebsscreening könnte vermutlich weitere Akzeptanz finden, wenn es gelänge, die Strahlenbelastung weiter zu reduzieren und den Gesetzgeber davon zu überzeugen, dass zumindest in definierten Hochrisikogruppen ein Screening sinnvoll ist, um Leid zu vermeiden und letztendlich auch Kosten zu reduzieren. Hier sollten Radiologen und Thoraxchirurgen gegenüber dem Gesetzgeber an einem Strang ziehen. Die radiologische Zuordnung von interstitiellen Lungenerkrankungen spielt im Hinblick auf die Transplantationsnotwendigkeit eine große Rolle. Vielleicht gelingt es, durch eine Kooperation mit den Pathologen hier zu einer Verringerung der Interobservervariabilität zu kommen, die gegenwärtig noch enorm ist. Die Volumenbestimmung bei Emphysempatienten könnte hilfreich sein im Hinblick auf die Beurteilung der Effektivität verschiedener Therapieansätze und bei der Bestimmung von sogenannten Zielzonen bei der Emphysemchirurgie. Auch hier bietet sich ein breites Feld.

Wie stehen Sie zu radiologischen Interventionen, wie RFA, die auch beim Thorax angewendet werden können?
Radiologische Interventionen, wie die RFA müssen sich messen mit anderen minimalinvasiven Verfahren zur Therapie bzw. zur Diagnostik von Lungentumoren, wie etwa der videoassistierten minimalinvasiven Resektion oder auch der stereotaktischen Strahlentherapie.
Heute gelingt es, selbst kleine Tumore mit minimalstem Aufwand, ohne Einlage von Drainagen thorakoskopisch zu resezieren, sodass hier fast immer der Vorzug gegeben werden kann. Hochrisikopatienten, die keinem operativen Eingriff zugänglich sind, sind zumeist auch nur schwierig mit einer RFA zu therapieren, sodass hier die stereotaktische Bestrahlung zumeist bevorzugt wird. Zentral gelegene, kleine Tumore, die für alle Disziplinen schwierig sind, könnten unter Umständen mit einer interoperativen RFA therapiert werden, auch hier sind Forschungsmöglichkeiten gegeben.

Die Radiologie ist ein stark von innovativer Technik getriebenes Fach, welche Rolle spielt die Technik auf Ihrem Gebiet?
Aufgrund der Tatsache, dass sowohl Pneumologie als auch Thoraxchirurgie erst spät Einzug in die Universitäten gefunden haben, und dies auch jetzt noch nicht flächendeckend der Fall ist, besteht aus meiner Sicht im Hinblick auf die thorakale Radiologie ein enormer Nachholbedarf. Vermeidung von Strahlenbelastung, Ersatzmöglichkeiten für gegenwärtig verwendete Kontrastmittel, Beurteilung der Infiltrationstiefe von Tumoren, die Kooperation zwischen Nuklearmedizin, Radiologie und Thoraxchirurgie sind Felder, die genug Raum für innovative Forschung bieten, sodass die universitären Thoraxchirurgen innovativen Verfahren in der thorakalen Radiologie mehr als offen gegenüberstehen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!


Im Profil
Nach seinem Studium der Humanmedizin an verschiedenen Universitäten in Deutschland, Italien und den USA, spezialisierte sich Prof. Dr. Bernward Passlick in der Thorax- und Gefäßchirurgie. Später wurde er eines der Gründungsmitglieder der Arbeitsgemeinschaften Thoraxchirurgische Onkologie der DKG und Universitäre Thoraxchirurgie der DGT. Seit 2004 ist er Professor für Thoraxchirurgie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Er ist Mitherausgeber des „Zentralblatts für Chirurgie“ und steht dem Zentrum für Thorakale Tumore des des Comprehensive Cancer Center
des Universitätsklinikums Freiburg (CCCF) vor.

Veranstaltung
Raum Peters
Fr., 30.05.2014,
17:10 - 17:30 Uhr
Chirurgische Therapie
Passlick B. / Freiburg
Session: Radiologie trifft Thoraxchirurgie und Pneumologie II – Emphysem

29.05.2014

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