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Lungenkrebs: Ungewöhnliche Befunde und Pitfalls beim Staging

Lungenkrebs ist der am häufigsten zum Tode führende maligne Tumor. Die Erkrankung entwickelt sich meist im Verborgenen und viele Betroffene bemerken lange keine Anzeichen, dass etwas nicht stimmt. „Sobald dann erste Symptome auftreten, ist der Krebs meistens schon in einem fortgeschrittenen Stadium mit einer entsprechend schlechten Prognose“, weiß PD Dr. Dag Wormanns, Ärztlicher Direktor der Evangelischen Lungenklinik Berlin.

Report: Sascha Keutel

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Diffus wachsendes Adenokarzinom im rechten Oberlappen, initial als Pneumonie diagnostiziert.

Erschwert wird die Diagnose zudem durch unspezifische Formen des Krankheitsbildes, die sich nicht immer sofort als typisch für Lungenkrebs einordnen lassen. „Das ist gefährlich für den Patienten, denn die Prognose ist umso besser, je früher wir den Tumor erkennen. Deshalb muss der Radiologe die atypischen Formen des Lungenkarzinoms kennen“, sagt Wormanns.

Häufig werden solche atypischen Formen zunächst für eine Pneumonie oder alte Narbenveränderungen gehalten, die sich aber im Laufe der Zeit vergrößern. Spätestens wenn bei einer vermuteten Pneumonie die zweite Antibiotikatherapie keine Befundbesserung bringt, ist es an der Zeit, die Verdachtsdiagnose kritisch zu hinterfragen und über Differentialdiagnosen nachzudenken, zu denen häufig auch die atypische Manifestation eines Lungenkarzinoms gehört. „Es gibt aber auch benigne Veränderungen, die maligne entarten können. Diese muss der Radiologe kennen, um bei den betroffenen Patienten langfristige Verlaufskontrollen zu initiieren“, mahnt Wormanns.

Staging des Lungenkarzinoms

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PD Dr. Dag Wormanns, Ärztlicher Direktor der Evangelischen Lungenklinik Berlin.

Ist die Diagnose Lungenkrebs gestellt, gilt es durch Staging die Ausbreitung des Tumors möglichst genau zu bestimmen, denn die Therapie hängt stark von der lokalen Ausbreitung des Tumors sowie vom Vorhandensein von Fern- und Lymphknotenmetastasen ab. Da das radiologische Staging die Weichen für die weitere Behandlung des Patienten stellt, sollten Radiologen typische Pitfalls kennen.

Nicht alle im Staging auffallenden Zusatzbefunde sind Metastasen. Das gilt beispielsweise für Rundherde in der nicht tumorbefallenen Lunge, die keinesfalls unkritisch als Metastasen gewertet werden sollten. Ebenso sind Nebennierenraumforderungen ein ganz häufiger Zufallsbefund – gutartige Nebennierenadenome treten bei zwei bis drei Prozent der Bevölkerung auf. Die Nebenniere ist aber auch ein bevorzugter Metastasierungsort des Lungenkarzinoms. Folglich sollte der Radiologe seine Möglichkeiten zur Differentialdiagnostik von Nebennierentumoren ausschöpfen, um die Fehldiagnose einer Nebennierenmetastase zu vermeiden. Grundsätzlich sind therapieentscheidende Befunde wenn möglich histologisch zu sichern.

Denn ist das fernmetastierende Stadium erst diagnostiziert, kommt nur noch eine palliative Systemtherapie in Frage, aber keine kurativ intendierte Lokaltherapie mehr wie die chirurgische Resektion oder Strahlentherapie. Die Palliativtherapie zielt auf Verlängerung der Lebenszeit und die Linderung der Symptome. Sie hat aber nicht den Anspruch, den Patienten dauerhaft von seinem Tumor zu heilen. „Es gilt also, Overstaging zu vermeiden, denn Overstaging ist eine indirekte, aber wirksame Art, als Radiologe das Leben des Patienten zu gefährden“, warnt Wormanns abschließend.

Profil:
PD Dr. Dag Wormanns studierte Humanmedizin in Berlin und Münster. 2005 habilitierte er am Institut für Klinische Radiologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Von 2002 bis 2006 war er als Oberarzt am Institut für Klinische Radiologie des Uniklinikums Münster tätig. Anschließend wechselte er an die Evangelische Lungenklinik Berlin, die er seit 2007 als Ärztlicher Direktor leitet. Seit 2003 ist er im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Thorax der DRG.

07.11.2019

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