Artikel • Intervention

„Die Patientenselektion ist der Schlüssel“

Noch vor wenigen Jahren herrschte Konsens darüber, dass metastatische Tumorerkrankungen als systemisch aufzufassen und dementsprechend systemisch zu behandeln sind. Doch neue klinische Erkenntnisse zu Patienten mit einer weniger aggressiven Tumorbiologie und einer begrenzten Anzahl von Tumorabsiedlungen in einzelnen Organsystemen wie der Leber haben ein Umdenken herbeigeführt.

Bericht: Karoline Laarmann

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Prof. Dr. Max Seidensticker ist Stellvertretender Klinikdirektor der Klinik und Poliklinik für Radiologie an der Universitätsklinik München.

Bei solchen oligometastatischen Patienten hat sich herausgestellt, dass die Destruktion der Lebermetastasen die Überlebensaussichten erheblich verbessert. Hier kommen zusätzlich zu systemischer Chemotherapie und/oder operativen Resektionstechniken auch vermehrt radiologisch-interventionelle Ablationsverfahren zum Einsatz. Was das therapeutische Mittel der Wahl ist, muss stets in einem interdisziplinären Team entschieden werden. 

„Die Patientenselektion ist der Schlüssel“, sagt Prof. Dr. Max Seidensticker, Stellvertretender Klinikdirektor der Klinik und Poliklinik für Radiologie an der Universitätsklinik München. „Um herauszufinden, welche Patienten von einer lokalen Therapie profitieren, muss man sie genauer kennen – lässt sich ihr Krankheitszustand mit einer Chemotherapie stabilisieren? Können relevante extrahepatische Tumormanifestationen ausgeschlossen werden? Auf keinen Fall sollte man in eine unbekannte Tumordynamik hineintherapieren, insbesondere nicht in einer progredienten Phase, weil man dann mit einer lokalen Therapie in der Regel nichts erreicht.“

Lebermetastasen sind ein bevorzugtes Behandlungsziel, da die hepatische Metastasierung in der Regel die prognostisch relevante Metastasierung darstellt, auch wenn vereinzelte extrahepatische Manifestationen vorhanden sind.

Besonders weite Kreise zieht aktuell die randomisierte CLOCC-Langzeitstudie (Ruers et al. J Natl Cancer Inst. 2017 Sep 1;109(9).) zu nichtresektablen kolorektalen Lebermetastasen. Die darin veröffentlichten Daten belegen, dass eine systemische Therapie in Kombination mit RFA im Vergleich zu einer alleinigen Chemotherapie das Gesamtüberleben des Patienten signifikant verbessert. Die European Society of Medical Oncology (ESMO) hat darauf reagiert und die lokalen Ablationsverfahren in ihr 2016 publiziertes Konsensuspapier zur Behandlung des mCRC mit aufgenommen. Für die Interventionelle Radiologie bedeutet dies einen großen Erfolg, der ihren Stellenwert im Therapiemanagement insbesondere von oligometastatischen Patienten weiter festigt.

74-jähriger Patient mit einem metachron hepatisch metastasierten kolorektalen...
74-jähriger Patient mit einem metachron hepatisch metastasierten kolorektalen Karzinom mit einer solitären, zentralen Metastase im Lebersegment 2/3 (Bild 1, MRT mit Gd-EOB-DTPA). Die Metastase zeigt sich stabil unter einer systemischen Chemotherapie. Aufgrund von Komorbiditäten wurde der Patient als inoperabel eingestuft; eine Radiofrequenzablation ist aufgrund der zentralen Lage nicht möglich. Somit Entscheidung zur Durchführung einer CT-gesteuerten katheterbasierten Radiotherapie (interstitielle Brachytherapie); Applikation von 20Gy in einer Sitzung (Bild 2). Folgend Erhaltungstherapie. 1 Jahr nach Ablation zeigt sich ein schrumpfendes narbiges Residuum in der morphologischen Bildgebung (Bild 3, MRT mit Gd-EOB-DTPA). Eine FDG-PET (Bild 4) 1,5 Jahre nach Ablation verifiziert die komplette Devitalisierung der Metastase.

Die ESMO-Leitlinie legt auch die hohe Flexibilität der Methodenauswahl dar. Die Vorgehensweise wird dabei vor allem durch die Lage, Größe und Anzahl der Metastasen bestimmt. Seidensticker selbst war unter der Leitung von Prof. Dr. Jens Ricke zunächst in Berlin und später in Magdeburg an der Entwicklung der katheterbasierten Radiotherapie (oder aber Brachytherapie) beteiligt, die nun auch in München praktiziert wird. Statt thermischer Energie wird hier nach CT-gestützter Kathetereinlage temporär eine radioaktive Strahlenquelle in die Metastase eingebracht, um sie von innen heraus zu zerstören. Das Verfahren ermöglicht es, größere Ablationsareale als mit der RFA zu behandeln und auch Läsionen, die für eine thermische Behandlung ungünstig liegen wie z.B. an den Gallenwegen, beizukommen. Die verschiedenen Therapieverfahren sind nicht in Konkurrenz, sondern als Werkzeugkasten des Interventionellen Radiologen zu sehen, so Seidensticker abschließend: „Nicht jedes Verfahren ist für jeden Tumor geeignet. Deshalb sind wir froh, wenn wir für eine Vielzahl von Konstellationen das richtige Werkzeug haben.“


Profil:

Prof. Dr. Max Seidensticker ist seit Juli 2017 Stellvertretender Klinikdirektor der Klinik und Poliklinik für Radiologie am Klinikum der Universität München und Vertretungsprofessor für Radiologische Bildführung in der minimal-invasiven Onkologie an der Medizinischen Fakultät der LMU München. Davor war er Oberarzt der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin an der Universitätsklinik Magdeburg und hatte eine W2-Professur für Bildgeführte Mikrotherapie der Medizinischen Fakultät der Universität Magdeburg inne. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem die Mikrotherapie von Lebermalignomen, insbesondere unter Berücksichtigung strahlenbasierter Verfahren, sowie neuartige Ablationstechniken von Lebermalignomen.


Veranstaltung:

Freitag, 19.01.2018, 

14:20-14:40 Uhr

Onkologische CT-Interventionen – leitliniengerechte Therapie

Max Seidensticker (D-München)

Session: Abdomen und Intervention

15.01.2018

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