Artikel • Tückische Leber
Kontrast und Kenntnis helfen bei der Leber
Professor Dr. Thomas Lauenstein, Chefarzt der Radiologischen Klinik am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf, erläutert neue radiologische Techniken für die Diagnostik von Lebertumoren und Metastasen.
Interview: Daniela Zimmermann
Was ist bei der Diagnostik von hepatozellulären Karzinomen (HCC) und Metastasen zu beachten?
Zunächst einmal ist der klinische Kontext, mit dem der Patient zu uns kommt, wegweisend. Bei einer bereits geschädigten Leber, im schlimmsten Fall bei einer Leberzirrhose, können wir von einem erhöhten Risiko für ein hepatozellluläres Karzinom ausgehen. Kommt dagegen ein Patient mit Darmkrebs, werden voraussichtlich Lebermetastasen gefunden. Grundsätzlich stehen bei der Diagnostik zwei Aspekte im Vordergrund: die Sensitivität, die möglichst hoch sein sollte, um Läsionen bereits in einem sehr frühen Stadium detektieren zu können. Je früher Tumore entdeckt werden, desto besser kann therapeutisch gegen sie vorgegangen werden. Der zweite Aspekt ist die Spezifität. Ist sie hoch, so lässt sich mit ihr sicher unterscheiden, ob es sich um eine Metastase, um ein HCC oder aber um eine gutartige Leberläsion ohne therapeutische Konsequenz handelt.
Welche Tücken gibt es?
Nun, die klassischen Bildcharakteristika eines HCC müssen bekannt sein und vom Radiologen auch als solche erkannt werden. Auch bei den Metastasen muss sehr genau hingeschaut werden. Die Metastase von einem Eierstockkarzinom sieht anders aus, als die bei der Schilddrüse. Absiedelungen eines malignen Melanoms sind optisch anders, als Metastasen vom Darmkrebs und Metastasen des Nierenzellkarzinoms unterscheiden sich morphologisch von denen des Mammakarzinoms. Kurz gesagt, Metastase ist nicht gleich Metastase. Diese Unterschiede muss ein Radiologe wissen und im Bild erkennen. Nur so kann er fachlich korrekt interpretieren und valide Aussagen treffen.
Welche Verfahren kommen zur Anwendung?
Das CT fungiert im radiologischen Alltag oft als „taugliches Arbeitspferd“
Thomas Lauenstein
Metastasen können, je nach Verfahren, bis zu einer Größe von drei bis fünf Millimetern detektiert werden. Im CT ist es etwas schwieriger, kleine Läsionen zu entdecken. Das gelingt im MRT besser, vor allem dann, wenn neue Techniken zum Einsatz kommen. Gerade auch mit Blick auf Sensitivität und Spezifität ist das MRT in der Regel klar im Vorteil und für mich daher das Mittel der Wahl. Dennoch fungiert im radiologischen Alltag das CT oft als „taugliches Arbeitspferd“. Kommt zum Beispiel ein Darmkrebs-Patient zum Staging, dann ist es oft pragmatischer ein CT des Bauchraums durchzuführen. Neben der Leber, als typischem Organ für Darmkrebsmetastasen, kann ich zusätzlich das gesamte Abdomen betrachten und unter Umständen auch andere Metastasen, etwa im Lymphknoten, ausfindig machen. Dass die Leber nicht so gut dargestellt wird wie im MRT, ist nicht so relevant. Im Übrigen kann ich in unklaren Fällen immer noch ein MRT zu Rate ziehen.
Und wie gehen Sie bei einem HCC vor?
Bei der Diagnose eines HCC verhält es sich anders, da hier die Leber im Fokus steht. In diesem Fall kommt das MRT mit seiner höheren Spezifität und Sensitivität zum Einsatz. Das Auffinden von Metastasen außerhalb der Leber spielt in der Regel keine so große Rolle, da das HCC erst in einem sehr späten Stadium Absiedelungen entwickelt – meist erst dann, wenn der Tumor bereits über die Leberkapsel hinausgewachsen ist.
Sie sprachen von neuen MRT-Techniken. Welche sind das?
Da ist zum einen die Diffusionswichtung. Sie kommt ursprünglich aus der Neuroradiologie, genauer gesagt aus der Schlaganfall-Diagnostik. Nach und nach wurde erkannt, dass diese Technik jenseits des Gehirns zu einer verbesserten Bildgebung beiträgt. Seit zehn Jahren etwa findet die Diffusionswichtung auch in der Abdomendiagnostik Anwendung. Das Verfahren verfolgt einen ganz anderen Ansatz. Bisher wurde bei der Bildgebung die Morphologie von Strukturen dargestellt. Eine Metastase sieht im CT deshalb anders aus, als das angrenzende gesunde Lebergewebe, weil sie morphologisch anders konfiguriert ist. Die Diffusionswichtung macht sich dagegen die Physik, nämlich die Bewegung von Wassermolekülen, zu Nutze. Bekanntermaßen besteht der menschliche Körper zu über 90 Prozent aus Wasser, entsprechend viele Wassermoleküle gibt es im Körper, die sich frei bewegen. Diese Bewegung kann gemessen und in ein Bildsignal umgewandelt werden. Aufgrund der dicht gepackten Zellen im Tumorgewebe bewegt sich das Wasser hier jedoch nicht wie in gesunden Arealen. Es geht in diesem Verfahren nicht um die Darstellung der Morphologie, sondern um die funktionelle Messung von Bewegung.
Gibt es noch weitere neue Verfahren?
Ja, in der Tat. Üblicherweise wird das Element Gadolinium als Standard-Kontrastmittel intravenös eingesetzt. Es wird ganz normal über die Niere und den Urin ausgeschieden. Besonders geeignet für die Diagnostik von Metastasen oder eines HCC ist ein leberspezifisches Kontrastmittel, das via Rezeptormechanismus von gesunden Hepatozyten aufgenommen und später von der Leber über die Gallenflüssigkeit wieder ausgeschieden wird. Im Bild zeigen sich die gesunden Leberzellen hell, da sie das Kontrastmittel gespeichert haben. Zellen ohne Rezeptor wie Tumorzellen erscheinen dagegen dunkel. Bösartige Tumore bilden sich bei dieser Methode wie schwarze Löcher in der hellen Leber ab. Beide Verfahren, Diffusionswichtung und die Verwendung eines leberspezifischen Kontrastmittels haben erst in den letzten 10 Jahren Einzug in die Bildgebung gehalten. Sie haben großes Potenzial, Sensitivität und Spezifität, also die relevanten Faktoren in der bildgebenden Diagnostik, enorm zu verbessern. Um sie aber in der Breite anwenden zu können, muss das Erkennen von Läsionen und die Einordnung in gut- und bösartig zunächst voll-kommen beherrscht werden.
Profil:
Prof. Thomas C. Lauenstein hat in Bonn und Valencia/Spanien Humanmedizin studiert. Von 1999 bis 2005 absolvierte er die Facharztausbildung, 2000 promovierte er. Der Radiologe habilitierte sich 2007 zum Thema „Morphologische und funktionelle MRT des Gastrointestinaltrakts“. Von 2006 bis 2008 war Lauenstein als Assistant Professor im Department of Radiology an der EMORY University in Atlanta/USA tätig. Von 2008 bis 2015 an war er stellvertrender Direktor am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Universitätsklinik Essen. Seit November 2015 ist Lauenstein Chefarzt der Radiologischen Klinik am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf.
Veranstaltungshinweis:
Do, 9.11.2017, 10:00 – 10:30
Maligne Lebertumoren - HCC und CCC
Prof. Dr. Thomas Lauenstein, Düsseldorf
Session: Leber (mit TED)
Congress-Saal
09.11.2017