Denken Föten – und wenn ja: wie?
Über die Bedeutung des MRT bei der Überwachung Schwangerer
Ultraschall ist unangefochten das Screening-Instrument der Wahl in der fetalen Bildgebung. Aber bei mangelndem Fruchtwasser, ungünstiger Lage des Fötus oder bei adipösen Schwangeren kann auch die beste Sonografie an ihre Grenzen stoßen. Dann ist die pränatale MR (PMR) als ebenfalls nicht-invasives und strahlungsfreies Verfahren eine hilfreiche diagnostische Ergänzung.
Die PMR springt vor allem dann ein, wenn das Ultraschallbild keine eindeutigen Befunde zeigt, zum Beispiel eine unklare Fehlbildung. Oder, so Univ.-Prof. Dr. Daniela Prayer von der Abteilung für Neuroradiologie des AKH Wien, „wenn man nicht sicher ist, ob die Organentwicklung wirklich normal ist. Oder auch wenn man eine Fehlbildung findet, die sehr oft in einem genetischen Syndrom vorkommt und man dieses nachweisen oder ausschließen möchte. Eine andere Indikation ist zum Beispiel das Vorkommen genetischer Defekte in der Familie – das heißt, hier ist zu prüfen, ob der sich entwickelnde Fötus eine Morphologie zeigt, die auf einen solchen Defekt hinweist. Auch bei unklaren Aborten oder Fehlgeburten in der Vorgeschichte ist eine PMR anzuraten.“
Fast alle Körperteile des Fötus – Gesicht, Nacken, Thorax, Abdomen, zusätzliche Nieren und Nierengewebe – sowie das Gewebe der Mutter lassen sich in der PMR zuverlässig und präzise darstellen. Auch die Gehirnentwicklung kann mit nahezu histologischer Genauigkeit evaluiert werden. Außerdem können intrinsische Bewegungen der Organe in Echtzeit sichtbar gemacht werden. „Hat ein Fötus mit einer Ösophagusstenose Schwierigkeiten, Fruchtwasser zu schlucken”, so Univ.-Prof. Prayer, „kann das in der PMR gut erkannt werden. Dadurch kann der Arzt mögliche chirurgische Eingriffe direkt nach der Geburt planen.” Die gute Nachricht für die klinische Praxis dabei ist, dass eine qualitativ hochwertige PMR nicht unbedingt die allerneueste und allerteuerste Technologie wie ein 3-Tesla- oder gar ein 7-Tesla-Gerät erfordert – auch ein 1,5-Tesla-System bringt sehr gute Ergebnisse, wie Prayer aus ihrer langjährigen Erfahrung bestätigt. Dennoch arbeitet sie zu Forschungszwecken mit dem 3-Tesla-Gerät und fügt an: „Ob und wann sich der 3-Tesla-MR in der fetalen Bildgebung durchsetzen wird, ist noch unklar. In etwa einem halben Jahr dürften wir dazu Ergebnisse haben.“
Das Spektrum dessen, was mit der MRT alles diagnostiziert werden kann, erweitert sich ständig, so die Spezialistin: „Wir kümmern uns um die Morphologie, stellen neuerdings aber mittels funktioneller MRT auch die Konnektivitäten im Hirn dar, beobachten die Organreifung außerhalb des Hirns, können mittels Spektroskopie Aussagen über metabolische Vorgänge erhalten und haben jetzt auch mit funktioneller MRT angefangen.“ Bereits etwa ab der 17. bis 18. Schwangerschaftswoche analysiert Prof. Prayer in Resting-State-Untersuchungen die Aktivität des ruhenden Hirns. Ziel dabei ist es, normale und abweichende Aktivitäten zu kategorisieren. Erste veröffentlichbare Ergebnisse erwartet Prof. Prayer im Frühjahr 2011.
Im Profil
Im Juli 2009 übernahm Univ.-Prof. Dr. Daniela Prayer gleichzeitig die Professur für Neuroradiologie an der MedUni Wien und die Leitung der Klinischen Abteilung für Neuroradiologie und Muskuloskelettale Radiologie der Universitätsklinik für Radiodiagnostik, eines der weltweit führenden Zentren für pränatale Magnetresonanztomografie. Univ.-Prof. Dr. Daniela Prayer ist unter anderem im Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Perinatologie sowie im Board der International Society of Prenatal Diagnosis. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen Epilepsie, Hirntumoren, degenerative Erkrankungen sowie Diffusions-Tensor-Bildgebung (= Messung der Diffusionsbewegung von Wassermolekülen im Körpergewebe mittels MRT) peripherer Nerven.
18.01.2011