Robotik

„Das Schweizer Taschenmesser der Radiologie“

Nicht alle Neuerungen, die das Etikett „Weltpremiere“ tragen, bewegen die Welt tatsächlich. Mit dem neuen Roboter-Röntgensystem „Multitom Rax“ (Robotic Advanced X-ray) stellen Siemens Healthcare und das Universitätsklinikum Erlangen eine Weltneuheit in der Medizintechnik vor, die das Etikett allerdings verdient hat. Mit der Kombination aus Roboter- und Medizintechnik betritt das Unternehmen eine "komplett neue Klasse und komplett neue Technologie", erklärt Dr. Bernd Montag, Vorsitzender der Geschäftsführung Siemens Healthcare, bei der Vorstellung des neuen Gerätes.

Report: Sascha Keutel

Während der eine die Röntgenröhre samt großem Berührbildschirm führt,...
Während der eine die Röntgenröhre samt großem Berührbildschirm führt, trägt der andere Arm den 43 cm x 43 cm großen Flachdetektor, der nicht nur statische und dynamische Bilder, sondern auch fluoroskopische Sequenzen ermöglicht. Die beiden deckengehängten Arme des Multitom Rax lassen sich dank Robotertechnik automatisch, sowie bei Bedarf – beispielsweise zur Feinjustierung – auch manuell mittels Servomotoren in Position bringen.
Mit Multitom Rax sind nun erstmals mit einem Röntgensystem 3D-Aufnahmen unter...
Mit Multitom Rax sind nun erstmals mit einem Röntgensystem 3D-Aufnahmen unter natürlicher Gewichtsbelastung möglich.
Quelle: Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin, Universitätsspital Basel, Schweiz.

Das Multitom Rax verfügt über zwei an der Decke befestigte Arme, die sich dank Robotertechnik automatisch und bei Bedarf auch manuell mittels Servomotoren in Position bringen lassen. Der eine Arm führt die Röntgenröhre samt großem Touchscreen, der andere Arm trägt den 43 cm x 43 cm großen Flachdetektor. Dieser ermöglicht sowohl statische und dynamische Bilder als auch fluoroskopische Sequenzen. Dank Fernbedienung behält die bedienende Person jederzeit die Kontrolle über die Bewegungen des Systems. Die an den „Mars-Roboter“ angelehnte Robotertechnik steuert die Arme vollautomatisiert um den Patienten herum. „Diese Art der Technik erlaubt einen völlig neuen Grad an Präzision und Automatisierung. Sie führt damit auch zu mehr Standardisierung und einem höheren Patientendurchsatz", erklärt Francois Nolte, Leiter der Business Line X-Ray Products bei Siemens Healthcare. Der Patient muss nicht mehr umgelagert werden, damit sind die Untersuchungen auch weniger schmerzhaft. Nolte verdeutlicht. „Die genaue Positionierung der Roboterarme in allen Achsen erleichtert die Untersuchungen enorm: Ob stehender, sitzender oder liegender Patient, die Roboterarme können ihn zielgenau ansteuern. Unser Konzept folgt dem Motto: der Scanner bewegt sich und nicht der Patient.“

Klinische Arbeitsabläufe optimieren

Neben mehr Qualität, besserem Workflow und gesteigerter Präzision wird mit dem neuen System auch die Wirtschaftlichkeit der medizinischen Versorgung verbessert werden. Statt mehrere Geräte für unterschiedliche Untersuchungsräume anzuschaffen, benötigen Kliniken fortan nur noch ein Gerät in einem Raum. Denn abgesehen von konventionellen 2D-Röntgenaufnahmen können mit dem System auch Fluoroskopie-Untersuchungen und Angiographie-Anwendungen durchgeführt werden. Das hilft in großem Maße, klinische Arbeitsabläufe zu optimieren. „Das Multitom Rax ist als Universalgerät angelegt, das die komplette Röntgendiagnostik abdeckt. Es ist sozusagen das Schweizer Taschenmesser der Radiologie", erklärt Prof. Dr. Michael Lell, Leitender Oberarzt am Radiologischen Institut des Universitätsklinikums Erlangen.

Für den Radiologen ist auch eine andere Neuerung sehr wichtig: Mit dem Multitom Rax können 3D-Aufnahmen in Echtzeit generiert werden. Dabei sind gerade im Stehen durchgeführte Aufnahmen für die Diagnose bedeutungsvoll, denn Knie, Becken oder Wirbelsäule stellen sich unter der Last des Körpergewichts anders dar als im Liegen. Dies biete deutlich mehr Diagnosesicherheit, so der Experte. Denn beispielsweise feine Haarrisse wären im Knochen bei konventionellen 2D-Röntgenbildern nicht immer sichtbar, weshalb zusätzlich ein CT durchgeführt werden müsse, was mit höherem Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist. Das Gerät helfe daher bei der langfristigen Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Krankenhäuser, ist sich Montag sicher. Sein Fazit: „Es wird für die Krankenhäuser deutlich teurer, das neue Gerät nicht zu haben.“

 

30.11.2015

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