Studie
Darmkrebs-Vorsorge in Deutschland hat hohe Qualität
Die Darmspiegelung ist Bestandteil des gesetzlichen Vorsorgeprogramms in Deutschland. Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum und vom Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (Zi) werteten nun alle Befunde der ersten zehn Jahre nach Einführung des Screening-Programms aus. Dabei stellte sich heraus, dass die Rate der Personen, bei denen Gewebeveränderungen entdeckt wurden, innerhalb dieser Periode deutlich angestiegen ist. Diese Rate gilt als Maßstab für die Zuverlässigkeit und Effektivität der Darmkrebsvorsoge und entspricht den international geforderten Qualitätskriterien.
Deutschland war 2002 eines der ersten Länder weltweit, das die Darmspiegelung als Bestandteil des gesetzlichen Krebsvorsorgeprogramms eingeführt hat. Seither haben über fünf Millionen Menschen daran teilgenommen. Als Maßstab für die Qualität der Untersuchung gilt die Entdeckungsrate von Gewebeveränderungen (Adenomen), die sich möglicherweise zu Krebs weiterentwickeln können: Je zuverlässiger der Arzt solche Veränderungen entdeckt (und sogleich entfernt), desto geringer ist das Risiko, dass eine gefährliche Krebsvorstufe übersehen wird.
Wissenschaftler um Hermann Brenner im Deutschen Krebsforschungszentrum werteten nun gemeinsam mit Kollegen um Lutz Altenhofen vom Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (Zi)* die Adenom-Detektionsrate** für die ersten zehn Jahre des Screening-Programms aus. Sie fanden heraus, dass Ärzte mit den Jahren sowohl bei Männern als auch bei Frauen, über alle Altersstufen hinweg, zunehmend mehr Gewebeveränderungen entdeckten.
Diese Steigerung ging allerdings hauptsächlich auf das Konto der sehr kleinen und zumeist harmlosen Adenome unter einem Zentimeter Durchmesser. Hier stiegen die Detektionsraten zwischen 2003 und 2012 bei Männern von 13,3 auf 22,3 Prozent, bei Frauen von 8,4 auf 14,9 Prozent. Fortgeschrittene Gewebeveränderungen oder echte Krebsfälle entdecken die Ärzte gegen Ende des untersuchten Zeitraums ebenfalls häufiger als zu Beginn des Screening-Programms, allerdings war hier der Anstieg weniger stark.
Was steckt hinter der gesteigerten Detektionsrate? Hermann Brenner und Kollegen sehen keine Anhaltspunkte dafür, dass Gewebeveränderungen tatsächlich häufiger auftreten, beispielsweise aufgrund geänderter Lebensstilfaktoren innerhalb der Bevölkerung. Für wahrscheinlicher halten die Epidemiologen, dass die Verbreitung moderner, leistungsfähiger Untersuchungsinstrumente und eine sehr hohe Qualität des Vorsorgeprogramms in Deutschland für diesen Trend verantwortlich sind.
Diese positive Entwicklung hat allerdings zwei Seiten. Auf der einen Seite verbessert es den präventiven Effekt einer Darmspiegelung, wenn Gewebeveränderungen möglichst vollständig erfasst werden. Auf der anderen Seite sehen die Forscher jedoch die Gefahr zu häufiger Kontrollen, wenn beim Screening zunehmend kleinere und zumeist harmlose Adenome entdeckt werden. Dies sollte daher bei den Empfehlungen zur Kontrolluntersuchung berücksichtigt werden. „Die Herausforderung ist nun, für Patienten mit kleineren Adenomen sinnvolle Intervalle für die Kontrolluntersuchung zu definieren“, sagt Hermann Brenner.
Bislang empfehlen die Ärzte Patienten, bei denen ein fortgeschrittenes Adenom gefunden wurde, die Untersuchung nach drei Jahren zu wiederholen, bei einem kleinen Adenom nach fünf Jahren. Patienten ohne Befund wird zu einer wiederholten Darmspiegelung nach zehn Jahren geraten.
* Die Screening-Koloskopie wird seit ihrer Einführung vom Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (Zi) wissenschaftlich begleitet, finanziert von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen.
** Adenom-Detektionsrate: Prozentsatz der untersuchten Personen, bei denen mindestens ein Adenom entdeckt wurde.
Referenz:
Hermann Brenner,Lutz Altenhofen,Jens Kretschmann,Thomas Rösch,Christian Pox,Christian Stock,and Michael Hoffmeister: Trends in Adenoma Detection Rates During the First 10 Years of the German Screening Colonoscopy Program. Gastroenterology 2015, DOI: 10.1053/j.gastro.2015.04.012
Quelle: Deutsche Krebsforschungszentrum
08.09.2015