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Interview • Quo Vadis Radiologie
Brauchen wir noch konventionelle Röntgendiagnostik?
Mit dieser Frage beschäftigen sich beim 100. Deutschen Röntgenkongress vom 29. Mai bis 1. Juni vier unterschiedliche radiologische Leistungserbringer – der Direktor eines Universitätsinstituts, der Chefarzt eines großen Krankenhauses, ein niedergelassener und ein im Krankenhaus tätiger niedergelassener Radiologe – im Rahmen der Reihe „Quo Vadis Radiologie“. Organisator Prof. Dr. Hermann Helmberger, Chefarzt am Zentrum für Radiologie und Nuklearmedizin Nymphenburg in München, gibt vorab im Interview seine persönliche Einschätzung zu dem Thema.
Der Titel der Reihe lautet: Brauchen wir noch konventionelle Röntgendiagnostik? Was ist der Hintergrund zu dem Thema auf dem Deutschen Röntgenkongress?
Es gibt eine zunehmende Konzentration im Bereich der Radiologie bei Praxis- und Klinikverbünden. Hinzu kommt, dass zunehmend andere Konstruktionen gewählt werden und sich Finanzinvestoren in diesem Bereich engagieren, die radiologische Leistungen anbieten. Wir beobachten, dass größere radiologische Praxiskonglomerate anfangen, auf die Durchleuchtung zu verzichten. Auch wird in einigen Teilen Deutschlands keine Mammografie mehr angeboten. In der Klinik erscheinen die Patienten dann oft mit einem MR-Befund, wo ein konventionelles Röntgenbild vielleicht auch ausgereicht hätte. Hier stellt sich natürlich die Frage, ob das medizinisch sinnvoll ist. Vor allem unter der Maßgabe, dass die konventionelle Radiologie nach wie vor die zahlenmäßig häufigste Untersuchung ist, wie das Bundesamt für Strahlenschutz erst kürzlich wieder in einer Übersicht aufgelistet hat. Im Krankenhaus ist das definitiv so, in der Praxis nicht. Deshalb stellen wir uns in dieser Session die Frage nach dem Warum. Wird die konventionelle Diagnostik dort nicht benötigt? Oder werden die Aufnahmen anderweitig erstellt? Geht es vielleicht immer mehr in Richtung Teilgebietsradiologie, dass also der Orthopäde seine Röntgenbilder selbst anfertigt, und für ein MRT an den Radiologen verweist? Oder hat die konventionelle Aufnahme tatsächlich ausgedient?
Wie wird das Ergebnis Ihrer Meinung nach ausfallen?
Wir können definitiv nicht auf das Röntgen verzichten. Die Frage ist jedoch, warum die Praxen es dennoch vermehrt tun. Im Krankenhaus wird es die konventionelle Radiologie immer geben, denn für den akuten Notfall, zum Beispiel für die Frakturdiagnostik, ist sie unverzichtbar. Möglicherweise geht die Schere immer weiter auseinander, so dass Notfälle nicht mehr in der Praxis auftauchen, weshalb man dort darauf verzichten kann. Eine mögliche Argumentation wird sein, dass sie in der Praxis zu schlecht vergütet wird und zu viel Arztzeit bindet.
Durch diesen Trend läuft es aber leider darauf hinaus, dass die Kenntnisse der klinischen Kollegen in konventioneller Radiologie immer schlechter werden. Zu Zeiten, als es zur Diagnostik der Lunge nur ein Thoraxbild gab, musste das Gros der Symptome auf der Aufnahme erkannt werden. Heute macht man im Zweifelsfall ein CT. Oft ist das notwendig, zum Beispiel in der Traumadiagnostik. Wenn ein Patient angibt, Schmerzen zu haben, auf der Aufnahme dafür aber kein Grund erkennbar ist, muss eine weitere Diagnostik in der CT erfolgen. Dennoch, die dezidierte Kenntnis des Röntgenverfahrens ist beispielsweise in der Onkologie bei Knochentumoren ein wenig verloren gegangen, da der Patient dort sowieso ein CT oder MRT bekommt.
Stirbt das konventionelle Röntgen also doch mit der Zeit aus?
Das wird nicht so sein, dem werden auch alle Experten auf dem Kongress zustimmen, weil es speziell in der Traumadiagnostik keine Alternative zum Röntgen gibt, die auch nur im Ansatz genauso schnell und genauso billig ist. Solange wir nicht wie in einem Science-Fiction-Film einen Patienten in eine Röhre legen und ihn in 30 Sekunden ohne Strahlenbelastung scannen und alle Diagnosen ausgespuckt bekommen, stirbt das konventionelle Röntgen nicht aus.
Ganz so abwegig ist diese Vision aber ja nicht…
Nein, aber so lange das nicht so ist, wird es die konventionelle Röntgendiagnostik weiterhin geben.
Profil:
Prof. Dr. Hermann Helmberger ist seit 2000 Chefarzt am Zentrum für Radiologie und Nuklearmedizin Nymphenburg, München mit drei Klinikstandorten. Als Mitglied der Steuerungsgruppe des Chefarztforums der DRG (CAFRAD) und Mitglied im Bundesvorstand des Berufsverbandes der Radiologen (BDR) organisiert er seit Jahren das berufspolitische Programm des Deutschen Röntgenkongresses unter dem Titel „Radiologie in Klinik und Praxis“. 2012 war Helmberger Kongresspräsident des Deutschen Röntgenkongresses in Hamburg.
Veranstaltungshinweis:
Donnerstag, 30.05.2019 von 17:30-17:40 Uhr
Raum Krause
Spezialkurs: Radiologie in Klinik und Praxis III: Quo vadis Radiologie 2025? - brauchen wir noch konventionelle Röntgendiagnostik?
Brauchen wir noch konventionelle Röntgendiagnostik?
Hermann Helmberger (München)
29.05.2019