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Artikel • Personalisierte Medizin
Biobanken: Schatzkammern für biomedizinische Forschung
Die moderne Medizin wird immer präziser: Krankheiten werden zunehmend anhand feinster molekularer Differenzen diagnostiziert, um Patienten mit einer personalisierten Therapie zu behandeln. Biobanken spielen dabei eine wichtige Rolle, indem sie menschliche Bioproben verarbeiten, lagern und Wissenschaftlern die zugehörigen Daten für biomedizinische Forschung zur Verfügung stellen.
Bericht: Sascha Keutel
Biobanken sind Sammlungen biologischer Materialien, also Gewebeproben oder Körperflüssigkeiten wie Blut oder Speichel. Diese Sammlungen sind wahre Schatzkammern für die medizinische Forschung. Denn die Biobanken verarbeiten diese Proben und stellen sie für die genetische oder molekulare Grundlagenforschung, für alle Phasen der Arzneimittel- und Therapieentwicklung sowie für die Entwicklung und Prüfung von Diagnostika bereit. Die Analyse dieser Bioproben hilft dabei, die Ursachen einer Erkrankung früher zu erkennen oder Erkrankungen gezielter zu therapieren. „Das nötige Wissen dafür lässt sich nur durch die umfassende Analyse von Bioproben sowohl von gesunden als auch erkrankten Menschen erarbeiten“, sagt Prof. Dr. Michael Hummel, Leiter des German Biobank Node (GBN).
German Biobank Alliance
Um akademische Biobanken in Deutschland zu vernetzen und einheitliche Qualitätsstandards für sie zu etablieren, wurde die German Biobank Alliance (GBA) gegründet. Unter der Leitung des GBN und gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) startete sie am 1. Mai 2017 mit zunächst elf Biobank-Standorten sowie zwei IT-Entwicklungszentren. „Nach der diesjährigen Bewerbungsrunde heißen wir sechs neue Biobanken in der GBA willkommen“, sagt Hummel. „Die GBA umfasst jetzt insgesamt 37 Standorte in Deutschland und damit rund 95 Prozent der medizinischen Fakultäten.“
Seit 2021 nimmt die GBA auch Observer-Biobanken auf – ‚jüngere‘ Einrichtungen, die sich noch im Aufbau befinden. ‚Volle‘ Partner-Biobanken der GBA nehmen an den Allianz-übergreifenden Ringversuchen teil und werden durch regelmäßig durchgeführte interne Audits auf Akkreditierungen nach der 2018 veröffentlichten Biobanken-Norm DIN EN ISO 20387 vorbereitet. „Bioproben aus GBA-Biobanken entsprechen damit strengsten Anforderungen und eignen sich insbesondere für standortübergreifende Probenkollektive“, sagt Prof. Dr. Thomas Illig, Stellvertreter von Michael Hummel und Leiter der Hannover Unified Biobank (HUB).
Sample Locator
Für verlässliche Forschungsergebnisse ist die Qualität von Bioproben und ihrer zugehörigen Daten von enormer Bedeutung. Deshalb hat der GBN innerhalb der Biobanken-Allianz gemeinsame Qualitätsstandards etabliert. Mit ihren Sammlungen erweitern die neu aufgenommenen Biobanken perspektivisch den gemeinsamen Proben-Pool der Allianz, den Wissenschaftler online über den ‚Sample Locator‘ nach bestimmten Eigenschaften durchsuchen und dadurch passende Proben für ihre Forschung finden können.
Liegt eine entsprechende Einwilligungserklärung der Patienten oder Probanden vor, erlaubt der Sample Locator seit Herbst 2019 einen einfachen Zugang zu Proben aus zahlreichen deutschen Biobanken. Die webbasierte Suche wurde vom GBN in Kooperation mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg entwickelt und steht in einer Entwicklerversion zur Verfügung.
Erfolgsgeschichten
Was kommt heraus bei der Forschung mit Bioproben und ihren zugehörigen Daten? Über 1,5 Millionen humane Bioproben hat die GBA in den vergangenen fünf Jahren für Forschungsprojekte zur Verfügung gestellt, rund 2.600 wissenschaftliche Publikationen gingen daraus hervor.
GBN veröffentlicht regelmäßig Erfolgsgeschichten, die Ergebnisse von in Kooperation mit GBA-Biobanken durchgeführten Forschungsprojekten vorstellen. So lieferte die zentralisierte Biomaterialbank der RWTH Aachen (RWTH cBMB) Proben und Daten für ein Projekt, das Biomarker identifizierte, um die Schwere einer Covid-19-Erkrankung frühzeitig festzustellen. Eine wegweisende Studie, die in Zusammenarbeit mit der Zentralen Biobank Charité/BIH (ZeBanC) durchgeführt wurde, konnte zeigen, wie die Immunantwort bei schweren Krankheitsverläufen von Covid-19 in einer Dauerschleife aus Aktivierung und Hemmung gefangen ist.
Wissenschaftler des Universitätsklinikums Dresden, der Universität Dresden, des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) Dresden, des DKFZ Heidelberg und Dresden sowie des Deutschen Zentrums für Translationale Krebsforschung (DKTK) haben untersucht, ob der Behandlungserfolg der CAR T-Zelltherapie sowie ihre möglichen Nebenwirkungen vom Vorliegen einer ‚klonalen Hämatopoese von unbestimmtem Potenzial‘ (clonal hematopoiesis of indeterminate potential, CHIP) beeinflusst werden.
Dafür untersuchten die Forscher Bioproben von 32 Patienten, die an einem aggressiven Lymphdrüsenkrebs erkrankt waren, vor und nach der Behandlung mit CAR T-Zellen. Vor Therapiebeginn wiesen sie bei elf der 32 Patienten CHIP nach. Die anschließenden Untersuchungen zeigten, dass die CHIP-Patient vergleichbar gut auf die Therapie ansprachen.
Um diese Methode anwenden zu können, benötigten die Forscher weiße Blutzellen (Leukozyten). Mitarbeiter der BioBank Dresden isolierten diese Zellen aus den Blut- und Knochenmarkproben und stellten sie in kryokonservierter Form zur Verfügung.
Ausblick
„Für die nächsten fünf Jahre und darüber hinaus haben wir uns viele weitere Ziele vorgenommen, um Biobanking als Forschungsinfrastruktur in Deutschland und Europa noch stärker zu verankern“, sagt Hummel. Dazu gehöre insbesondere die enge Zusammenarbeit mit flankierenden nationalen Initiativen wie dem Netzwerk Universitätsmedizin (NUM), der Medizininformatik-Initiative (MII) sowie dem europäischen Biobanken-Netzwerk BBMRI-ERIC. „Darüber hinaus werden wir weiterhin für einen starken Biobanken-Nachwuchs sorgen und unser Engagement in diesem Bereich verstärken – sowohl mit Blick auf die Unterstützung neu gegründeter Biobanken als auch auf die Aus- und Fortbildung von Biobank-MitarbeiterInnen“, sagt GBN-Geschäftsführerin Dr. Cornelia Specht.
28.06.2022