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WHO-Klassifikation für Lungentumoren
wird bald aktualisiert
Lungentumoren sind die am häufigsten zum Tode führende Krebserkrankung in Deutschland, obwohl sie mit 14,2 Prozent aller Krebserkrankungen bei den Männern und 7,4 Prozent bei den Frauen in der Prävalenz „nur“ an dritter Stelle der malignen Tumoren stehen. Die hohe Sterblichkeit bei Lungenkrebs ist auf die Aggressivität und die starke Neigung zur Metastasierung zurückzuführen.
Die aktuellen 5-Jahres-Überlebensraten liegen für Männer bei circa 15 Prozent, für Frauen bei rund 18 Prozent und haben sich in den vergangenen Jahren nicht wesentlich verbessert. Neue genetische Erkenntnisse über die morphologische und molekulare Beschaffenheit des Lungenkarzinoms führen momentan zu einer Aktualisierung der letzten WHO-Klassifikation aus dem Jahr 2004. Damit soll es in Zukunft möglich sein, ein sogenanntes Prognostic Grouping vornehmen zu können, das die Diagnosestellung erleichtert und die Therapien weiter differenziert und verbessert.
„Die WHO-Klassifikation hat das Ziel, weltweit einen gleichen Kenntnis und Diagnosestand im Hinblick auf verschiedene Erkrankungen zu schaffen, der zugleich eine einheitliche Klassifizierung und Kodierung erlaubt. Auch die Radiologen sollten sich auf dem Boden der aktuellen Klassifikation bewegen, um eine qualitätsgesicherte, homogene, vergleichbare und standardisierte Diagnostik zu erreichen“, erklärt Prof. Andrea Tannapfel, Direktorin des Instituts für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum. Auf dem Bayerischen Röntgenkongress wird sie die sich gerade vollziehende Aktualisierung der letzten WHO-Klassifikation für Lungentumoren aus dem Jahr 2004 erläutern.
„Denn es gibt einige Neuerungen, die augenblicklich aufgrund von morphologischen und großen DNA-basierten Untersuchungen vorgeschlagen und die auch Bestandteil der neuen WHO-Klassifikation sein werden.“ Dabei konnte insbesondere die Typisierung des Adenokarzinoms verbessert werden: „Früher hat man immer nur vom Adenokarzinom der Lunge gesprochen, aber heute weiß man, dass diese Tumoren nicht wirklich eine homogene Entität darstellen. Sie mögen ähnlich aussehen, nehmen aber einen unterschiedlichen Verlauf“, stellt Prof. Tannapfel fest. Insgesamt geht man heute von drei unterschiedlichen Subtypen aus. Zunächst gibt es den Typus der EGFR-Mutation, der bei Nichtrauchern häufiger vorkommt und damit für eine zielgerichtete Therapie qualifiziert. Dann gibt es die Gruppe von Adenokarzinomen, die histologisch etwas anders aussehen, bei Rauchern häufig sind und eine ungünstigere Prognose besitzen – unter anderem, weil sie keine EGFR-Mutationen besitzen und auch einen Wildtypstatus von K-ras, einem weiteren Biomarker-Gen, aufweisen. Und dann gibt es noch den Subtypus des gut differenzierten papillären Tumors, der ein mutiertes EGFR und eine K-ras- Mutation aufweist und deshalb eine gute Prognose hat.
Die Pathologen sind verpflichtet – und werden in Audits z. B. der deutschen Krebsgesellschaft überprüft –, die unterschiedlichen Tumorentitäten gemäß WHO-Klassifikation zu benennen, damit die klinischen Kollegen wissen, wie sie mit dem Patienten weiter verfahren müssen. Auch in den S3-Leitlinien zum Lungenkarzinom wird sich die neue Typisierung niederschlagen. Für die Patienten bringt es den Vorteil, dass die Therapie nun wesentlich zielgerichteter einsetzen kann und bestimmte Therapiestandards und neue Erkenntnisse an diese Diagnostik angepasst werden können. „Man weiß jetzt, bei welchem Patienten eine Operation ausreichend ist und bei welchem Patienten aufgrund der genetischen Ausstattung des Tumors eine intensivierte Therapie angezeigt ist. Durch die verbesserte genetische Analytik wird es in Zukunft möglich sein, ein Prognostic Grouping, also eine Gruppenbildung, vorzunehmen. Dadurch kann bereits zum Zeitpunkt der Primärdiagnose eine Aussage über den Therapieerfolg gemacht werden“, erläutert die Pathologin.
I M P R O F I L
Prof. Dr. Andrea Tannapfel ist seit Oktober 2005 Direktorin des Instituts für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum und des Deutschen Mesotheliomregisters. Ihre Schwerpunkte sind die Tumorpathologie, die gastroenterologische Pathologie und die Pathologie von Lungen- und Pleuratumoren. Nach dem Studium der Humanmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover forschte sie mit einem Postdoktorandenstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft ein Jahr am Pathologischen Institut der Universität Hiroshima. An den Universitäten Erlangen und Leipzig absolvierte sie ihre Weiterbildung zur Pathologin, am Leipziger Institut erhielt sie auch eine C3-Professur. Von 2002 bis 2005 erwarb sie durch ein Zusatzstudium den Master of Business Administration (MBA).
24.09.2012