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Dr. Lena Marie Seegers, Assistenzärztin in der Medizinischen Klinik 3: Kardiologie, Angiologie am Universitätsklinikum Frankfurt (UKF), ist Preisträgerin des Martina Grote-Wissenschaftspreises "Frauenherzen" der Deutschen Herzstiftung

Bildquelle: Universitätsklinikum Frankfurt (UKF)

News • Wissenschaftspreis für Kardiologin

Atherosklerose: Herz-Plaques bei Männern und Frauen anders

Dr. Lena Marie Seegers vom Universitätsklinikum Frankfurt, Zentrum für Innere Medizin III, erhält den Wissenschaftspreis „Frauenherzen“ der Deutschen Herzstiftung für ihre Arbeit über geschlechtsspezifische Unterschiede von Plaque-Strukturen.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit nach wie vor eine der Haupttodesursachen. Inzwischen ist bekannt, dass es dabei deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt. So belegen Studien zum Beispiel geschlechtsspezifische Unterschiede im Erscheinungsbild von Herzerkrankungen, die mit Durchblutungsstörungen einhergehen und die in ein akutes (Herzinfarkt) oder chronisches Koronarsyndrom (stabile koronare Herzkrankheit, KHK) münden können. Auslöser sind stets Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen, die koronare Atherosklerose – und zwar bei beiden Geschlechtern. Unterschiede bestehen jedoch im Detail bei den Merkmalen dieser Ablagerungen aus Blutfetten, Blutgerinnseln und Kalk, den sogenannten Plaques. Einen wichtigen Beitrag, diese Unterschiede zu verstehen und damit künftig vielleicht auch eine bessere individuelle Behandlung anbieten zu können, hat die Forschungsarbeit von Dr. Lena Marie Seegers geleistet.

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Dr. Lena Marie Seegers

Bildquelle: Universitätsklinikum Frankfurt (UKF)

Die Ärztin in der Medizinischen Klinik 3: Kardiologie, Angiologie am Universitätsklinikum Frankfurt (UKF) hat mit Hilfe eines Stipendiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Cardiology Laboratory for Integrative Physiology and Imaging (Prof. Ik-Kyung Jang, MD, PhD) am Massachusetts General Hospital der Harvard Medical School in Boston (MA, USA) genderspezifische Unterschiede bei atherosklerotischen Plaques mittels Optischer Kohärenztomographie (OCT) untersucht. Hierbei wurden Hinweise gefunden, dass offenbar bei Frauen das Fortschreiten der Ablagerungen anders verläuft als bei Männern und auch die Mechanismen, die atherosklerotische Plaques wieder stabilisieren können, Unterschiede aufweisen. Für diese neuen Erkenntnisse erhält sie den Martina Grote-Wissenschaftspreis „Frauenherzen“. Ihre Arbeit wurde vor Kurzem auch im Fachmagazin „Circulation: Cardiovascular Imaging“ publiziert.1 Die Arbeit von Dr. Seegers, die aktuell das 2023 gegründete Women's Heart Health Center Frankfurt (WHHC) am UKF leitet, war aus insgesamt 13 eingereichten wissenschaftlichen Bewerbungen von einem unabhängigen Gutachtergremium bewertet und ausgewählt worden. 

„Die Erkenntnisse aus dieser Forschung sind ein wichtiger Baustein in unserem Verständnis der koronaren Herzerkrankung und der zugrundeliegenden Ablagerungsprozesse“, betont Kardiologe Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Denn etwa jeder dritte Mann und jede fünfte Frau weist ab einem Alter von 70 Jahren eine KHK auf, die pro Jahr über 120.000 Todesopfer fordert und zu 550.000 Krankenhausaufnahmen in Deutschland führt. Martina Grote, Stifterin und Namensgeberin des Preises, ergänzt: „Die Arbeit von Frau Seegers zeigt einmal mehr, dass es ganz offensichtlich wichtige und für Behandlungen relevante Unterschiede zwischen Männer- und Frauenherzen gibt und sie ist ein wichtiger Schritt, um langfristig geschlechterspezifische Behandlungsmethoden für Atherosklerose zu finden.“ Der Preis in Höhe von 10.000 Euro wurde Dr. Lena Marie Seegers in Frankfurt von der Deutschen Herzstiftung überreicht.

Die Plaquestruktur macht den Unterschied bei der KHK

Bis eine koronare Herzerkrankung diagnostiziert wird und eine Behandlung beginnt, vergeht häufig wertvolle Zeit. Denn die KHK schreitet oft schleichend voran, ohne dass ein auffälliges akutes Ereignis wie ein Herzinfarkt stattfindet. Der Prozess der Gefäßablagerungen, der einer KHK zugrunde liegt, kann dabei gleichförmig oder sprunghaft verlaufen. Wie kritisch die KHK verläuft, hängt nicht nur davon ab, wie groß das Ausmaß der Ablagerungen ist, sondern auch, wie die einzelnen atherosklerotischen koronaren Plaques aufgebaut sind. Diese Strukturen lassen sich gut mit der OCT darstellen. Dabei kann zum Beispiel festgestellt werden, ob eine Ablagerung aus mehreren Plaqueschichten unterschiedlicher Dichte besteht, Mediziner sprechen von „layered plaques“ (engl. layered = geschichtet). Diese gelten als ein Zeichen stummer vorausgegangener Plaquedestabilisierungen.

In Studien [sind] geschlechtsspezifische morphologische Unterschiede hinsichtlich Plaqueprogression und Plaquestabilsierungsmechanismen bisher nicht untersucht worden

Lena Seegers

Solche Vorgänge, wie etwa das Aufreißen einer Plaque, gelten als Risikofaktor für das Entstehen eines Blutgerinnsels, das dann zum Herzinfarkt führen kann. Doch der menschliche Körper ist häufig in der Lage, durch Eigenregulation eben solche Plaquedestabilisierungen verheilen zu lassen, ohne dass es zu einem akutem Koronarsyndrom kommt. Allerdings weist kann das Vorhandensein der dann entstehenden Plaqueschichten darauf hin, dass so ein klinisch stummer Prozess stattgefunden hat. „In Studien wurden zwar bereits mit Hilfe bildgebender Verfahren Unterschiede am Herzen von Männern und Frauen mit einer KHK nachgewiesen, aber geschlechtsspezifische morphologische Unterschiede hinsichtlich Plaqueprogression und Plaquestabilsierungsmechanismen sind bisher nicht untersucht worden“, erläutert Dr. Lena Seegers. „Zusammen mit Prof. Jang und seinem Team habe ich zudem nach Phänotypen bei layered, also geschichteten, plaques gesucht, die auf diese Heilungsvorgänge in den Plaques sowie auf ein Fortschreiten der Ablagerungen deuten.“ 

Dazu wurden in ihrem Projekt 533 Patienten, davon 115 Frauen, mit einem chronischen Koronarsyndrom untersucht, die vor einem Koronareingriff eine OCT-Bildgebung erhalten hatten. Seegers und US-Kollegen konnten anhand der Aufnahmen eine detaillierte Analyse durchführen. Sie bildeten auf Basis der Daten dann verschiedene Gruppen von Patienten mit und ohne geschichteten Plaques und trennten diese nochmals nach Geschlecht. Insbesondere die Ablagerungsschichten in der Gruppe der layered plaques wurden weiter speziell vermessen: Zahl und Struktur dieser Plaques wurden erfasst und geprüft wurde, ob ein intaktes oder unterbrochenes Schichtmuster vorlag.

Insgesamt wiesen zwar Männer und Frauen gleich häufig layered plaques auf (55% der Männer versus 54% der Frauen). „Wir konnten jedoch deutliche Unterschiede im Aufbau dieser Plaques feststellen“, so Seegers. So zeigten die geschichteten Plaques der Männer eine andere Morphologie (Aufbau) und sie wiesen mehr Merkmale vulnerabler Plaques (= Plaques, die zu Komplikationen neigen) auf. Sie waren unter anderem häufiger lipidreich und enthielten mehr Fresszellen (Makrophagen) und Cholesterinkristalle im Vergleich zu ungeschichteten Plaques in der Männergruppe. Einen solchen Unterschied gab es bei den Frauen nicht. 

In den geschichteten Plaques von Männern fanden sich jedoch mehr Hinweise auf frühere Plaqueverletzungen (Rupturen) als bei Frauen, wie zum Beispiel ein durchbrochenes Schichtmuster. Aufgrund dieser Ergebnisse folgert Seegers, dass bei Frauen vermutlich eher nicht-entzündliche Prozesse eine größere Rolle beim Fortschreiten der Ablagerungen spielen (sogenannte Plaqueerosionen), während bei Männern wohl mehrfache Plaquerupturen mit ausgeprägten Entzündungsvorgängen in den Gefäßen zum Fortschreiten der Erkrankung führen. 

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„Frauen müssen stärker in Studien und Leitlinien einbezogen werden“

Frauen und Männer sind unterschiedlich. Kaum jemand wird diese Aussage anzweifeln, dennoch spielt das Geschlecht in der Medizin eine untergeordnete Rolle. Weder in der Forschung noch in der Prävention noch in der Therapie wird dieser Unterschied angemessen berücksichtigt. „Das ist nicht länger akzeptabel“, findet Prof. Dr. Vera Regitz-Zagrosek.

„Der Bedarf an mehr Forschung – Grundlagen-, klinische oder epidemiologische Forschung – ist enorm, um geschlechtsbezogene kardiologische Unterschiede zu klären und die Therapien zu individualisieren“, hob Prof. Achim Welz, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF) in seiner Laudatio hervor. Die Forschungsarbeit von Dr. Seegers habe in hohem Maße die Ausschreibungsanforderung erfüllt nämlich auf einem patientennahen Forschungsgebiet eine geschlechtsspezifische kardiologische Fragestellung voranzubringen. 

„Ich begrüße es sehr, dass frauenspezifische Herzprobleme in den vergangenen Jahren zum Glück auch in der Forschung stärker in das Bewusstsein gerückt sind“, sagte auch die Stifterin des Preises Martina Grote zur Preisvergabe. „Der Wissenschaftspreis Frauenherzen will genau diese Forschungen unterstützen und dabei helfen, die Aufmerksamkeit für die frauenspezifische Herzforschung weiter zu erhöhen.“ Der Preis in Höhe von 10.000 Euro wird künftig jährlich von der Deutschen Herzstiftung gemeinsam mit der Projektgruppe „Frauen und Familie in der Kardiologie“ und der „Arbeitsgruppe Gendermedizin in der Kardiologie“ der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) vergeben. (ne) 


Publikation: 

  1. Seegers et al.: Sex Differences in Coronary Atherosclerotic Phenotype and Healing Pattern on Optical Coherence Tomography Imaging; Circulation: Cardiovascular Imaging 2023


Quelle: Deutsche Herzstiftung

25.11.2023

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