Das neu entwickelte neuronale Netz nimmt CT-Aufnahmen des Fingergrundgelenks...
Das neu entwickelte neuronale Netz nimmt CT-Aufnahmen des Fingergrundgelenks als Grundlage, um entzündliche Veränderungen zu identifizieren.

Bildquelle: Folle et al., Frontiers in Medicine 2022 (CC BY 4.0)

News • Entzündliche Veränderungen am Knochen

Arthritis: KI soll Früherkennung verbessern

Arthritis ist nicht gleich Arthritis. Doch die Diagnose, unter welcher Art von Entzündungskrankheit die Gelenke genau leiden, fällt nicht immer leicht. In einem interdisziplinären Forschungsprojekt der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und des Universitätsklinikums Erlangen konnten Informatiker und Mediziner einem künstlichen neuronalen Netzwerk beibringen, zwischen rheumatoider Arthritis, Psoriasis-Arthritis und gesunden Gelenken zu unterscheiden.

Im Rahmen des Projekts „Molekulare Charakterisierung der Remission von Arthritis“ (MASCARA), gefördert vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), stellte sich ein Team unter der Leitung von Prof. Andreas Maier und Lukas Folle, Lehrstuhl für Informatik 5 (Mustererkennung) an der FAU, sowie von PD Dr. Arnd Kleyer und Prof. Dr. Georg Schett von der Medizin 3 des Uni-Klinikums Erlangen die Fragen: Kann künstliche Intelligenz (KI) anhand von Gelenkformen verschiedene Arten von Arthritis erkennen? Ist es so auch möglich, bei Fällen von undifferenzierter Arthritis eine genauere Diagnose zu machen? Gibt es außerdem bestimmte Bereiche in Gelenken, auf die man sich bei einer Diagnose konzentrieren kann? 

Die Ergebnisse des Forschungsprojekts sind im Journal Frontiers in Medicine nachzulesen.

Mithilfe von künstlicher Intelligenz kann Arthritis leichter klassifiziert werden, was eine schnellere und zielgerichtete Behandlung ermöglichen könnte

Lukas Folle

Aktuell erschweren fehlende Biomarker häufig eine genaue Klassifizierung der jeweiligen Arthritisform. Zu Hilfe genommene Röntgenaufnahmen können ebenfalls nicht für hundertprozentige Sicherheit sorgen: Ihre Zweidimensionalität ist nicht genau genug, lässt also Raum für Interpretationen. Hinzu kommt, dass die richtige Positionierung des zu untersuchenden Gelenks für das Röntgenbild schwierig sein kann. 

Um seine Antworten zu finden, legte das Forschungsteam den Fokus seiner Untersuchungen auf die Fingergrundgelenke – Regionen im Körper, die im Rahmen von Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis oder Psoriasisarthritis sehr häufig und früh betroffen sind. Ein Netz aus künstlichen Neuronen wurde dann mit Finger-Scans aus der hochauflösenden peripheren quantitativen Computertomographie (HR-pQCT) trainiert mit dem Ziel, „gesunde“ Gelenke von Rheumatoider Arthritis oder Psoriasisarthritis zu unterscheiden. Dabei wurde die HR-pQCT gewählt, weil es aktuell die qualitativ hochwertigste Methode ist, um den menschlichen Knochen in der höchsten Auflösung dreidimensional darzustellen. Im Fall einer Arthritis lassen sich so Veränderungen in der Knochenstruktur sehr gut erkennen, was eine zuverlässige Klassifizierung möglich macht. Anschließend wurde anhand von 932 neuen HR-pQCT-Scans von 611 Patienten geprüft, ob das künstliche Netzwerk das Erlernte denn auch umsetzen kann: Beurteilt es die vorher bereits klassifizierten Fingergelenke richtig? 

Die Ergebnisse: Die KI erkannte gesunde Fingergelenke zu 82 Prozent, rheumatoide Arthritis zu 75 Prozent und Psoriasisarthritis in 68 Prozent der Fälle – eine sehr hohe Trefferwahrscheinlichkeit bereits ohne weitere Informationen. Kombiniert mit der Expertise eines Rheumatologen könnte dies zu viel eindeutigeren Diagnosen führen. Außerdem war das Netzwerk in der Lage, vorgelegte Fälle von undifferenzierter Arthritis zu klassifizieren. „Wir sind mit den Ergebnissen der Studie sehr zufrieden, denn sie zeigen: Mithilfe von künstlicher Intelligenz kann Arthritis leichter klassifiziert werden, was eine schnellere und zielgerichtete Behandlung ermöglichen könnte. Dabei ist uns klar, dass es noch weitere Kategorien gibt, die dem Netzwerk beigebracht werden müssen. Zudem ist geplant, die Methodik der KI auf andere bildgebende Verfahren wie Ultraschall oder MRT anzuwenden, die häufiger verfügbar sind“, erklärt Lukas Folle. 

Während das Forschungsteam für aussagekräftige Ergebnisse auf die hochauflösende Computertomographie zurückgreifen konnte, steht diese Form der Bildgebung Ärzten unter normalen Umständen aus Platz- und Kostengründen selten zur Verfügung. Dennoch können die neu gewonnenen Erkenntnisse weiterhelfen: So machte das neuronalen Netzwerk gewisse Regionen im Gelenk fest, die jeweils für eine bestimmte Form der Arthritis am aussagekräftigsten sind, sogenannte intraartikuläre Hotspots. „Für die Zukunft könnte das bedeuten, dass diese Bereiche Medizinerinnen und Medizinern als weiteres Teil im Diagnostikpuzzle dienen, um eine Verdachtsdiagnose zu erhärten“, erklärte Dr. Kleyer. Das erspart bei der Diagnose Zeit und Aufwand und ist beispielsweise bereits mithilfe von Ultraschall machbar. In einem Folgeprojekt planen Kleyer und Maier, zusammen mit ihren Gruppen diesen Ansatz noch weiter zu untersuchen. 


Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

03.05.2022

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