Update: Iterative Rekonstruktion
Eine Erfahrungsbericht aus Sicht des Users
Vor etwa zwei Jahren wurde die Iterative Bildrekonstruktion offiziell für die CT-Bildgebung vorgestellt. Keine andere technische Innovation weckt seitdem so große Hoffnungen, Dosis bei der röntgenbasierten Schnittbildgebung drastisch einsparen zu können. Die Möglichkeiten der Methode sind noch lange nicht ausgeschöpft.
Wo steht die Iterative Rekonstruktion derzeit? Und wohin geht die Reise? Über den aktuellen Stand der Dinge unterhielten wir uns mit dem Diplominformatiker und Radiologen PD Dr. Stefan Wirth, Oberarzt am Institut für Klinische Radiologie, Klinikum der Universität München.
Dr. Wirth, was genau macht die Iterative Rekonstruktion?
Stefan Wirth: Grundsätzlich sind CT-Bilder Überlagerungen von echter Information und Bildrauschen. Dieses Bildrauschen besteht aus einem unvermeidbaren Anteil, wie z.B. Gewebeinhomogenitäten und Quantenstreuung, sowie aus einem vermeidbaren Rausch-Anteil, der durch nicht exakte Berechnungen entsteht. Vor allem an dieser letzteren Komponente setzt die neue Innovation an, indem sie diesen Anteil minimiert und dadurch entweder die Bildqualität steigert oder aber, was viel wichtiger ist, eine Dosisreduktion gestattet.
Warum waren die mathematischen Berechnungen bisher nicht exakt?
Stefan Wirth: Der FBP-Algorithmus (filtered backprojection = gefilterte Rückprojektion), der in den letzten 30-40 Jahren zur Rückrechnung der Bildinformation aus den Schwächungswerten verwendet wurde, basiert auf sehr vielen vereinfachenden Annahmen. Zum Beispiel wurde davon ausgegangen, dass eine punktförmige Strahlenquelle und ein punktförmiger Detektor vorliegen. In der Realität haben diese Komponenten aber sehr wohl eine definierte Größe. Zum anderen geht der FBP-Algorithmus von einem rechtwinkligen Strahleneinfall aus. Auch das ist zumindest bei den heute viele Zentimeter breiten Detektorarrays geometrisch nicht korrekt.
Wie löst die neue Methode dieses Problem?
Stefan Wirth: Der erste Ansatz ist die iterative Rekonstruktion (IR), die ein Rauschmodell verwendet und solange schrittweise Bilddaten berechnet, in einen Teil Bildinformation und einen Teil Rauschen trennt und letzteres anhand des Modells minimiert, bis eine Toleranzschwelle unterschritten wird. Die Hersteller bieten hier verschiedene Varianten an.
IR ist mit relativ wenig zusätzlichem Rechneraufwand machbar und dauert maximal zwei Minuten länger als FBP. Die verschiedenen Herstellerprodukte unterscheiden sich vor allem dadurch, dass einige ausschließlich im Bilddatenraum (IRIS-Siemens, AIDR-Toshiba) und andere zusätzlich im Rohdatenraum (ASIR-GE, IDOSE-Philips, SAFIRE-Siemens) arbeiten.
Während die erste Gruppe ähnlich einer filterbasierten Glättung wirkt, bedingt ein Optimierungsschritt in der zweiten Gruppe auch eine Veränderung der Rohdaten. Unabhängig davon ist es üblich, als endgültigen Bildsatz eine Überlagerung von Start- und Enddaten zu präsentieren. Nach bisheriger Erfahrung kann mit IR zwischen 30-60% der Dosis eingespart werden. Meist wird auch eine nachträgliche Aufrüstung bestehender CT-Geräte mit dieser Technik angeboten, was eine gute Alternative darstellt, so früh als möglich von dieser Technik zu profitieren.
Welche weiterführenden Ansätze werden derzeit verfolgt?
Stefan Wirth: Ich bin überzeugt, dass die zusätzliche Berücksichtigung der exakten Geometrie bei der sogenannten modellbasierten iterativen Rekonstruktion (MBIR) die Zukunft der CT so wesentlich gestalten wird, dass dies später als ähnlich wichtiger Techniksprung wie die Einführung der Spiral-CT oder der modulierten MD-CT wahrgenommen werden wird.
Im Moment gibt es allerdings nur einen einzigen Hersteller, der diese technisch völlig neue Methode anbietet und das ist GE Healthcare mit ihrem VEO-Produkt. Die Berücksichtigung der tatsächlichen Eigenschaften wie realer Röhrenfokus und Strahlen-/Detektorgeometrie macht MBIR jedoch enorm rechenaufwändig. Selbst mit extrem leistungsfähigen und entsprechend teuren Servern dauert diese Bildrekonstruktion derzeit noch eine halbe Stunde. Zudem ist MBIR bislang nicht auf älteren Geräten nachrüstbar.
Trotzdem halten Sie diese Lösung für extrem viel versprechend?
Stefan Wirth: Auf jeden Fall. Wir haben das Produkt ein halbes Jahr lang getestet und nehmen es ab diesem Jahr mit in den klinischen Betrieb auf. Wir haben in Studien bereits feststellen können, dass die Bildqualitätsverbesserung von FBP zu IR etwa ein Viertel der Bildqualitätsverbesserung von IR zu MBIR beträgt. Hinzu kommt, dass MBIR den Datensatz komplett als Volumen verarbeitet, was sich nach bisheriger Erfahrung sehr positiv auf Artefakte besonders problematischer Körperregionen auswirkt.
Verschiedene Bildfaltungskerne sind für MBIR nicht mehr notwendig. Der wirklich große Techniksprung ist also mit der MBIR zu erwarten. Die Bildberechnung muss allerdings noch sehr viel schneller werden, damit sie in der breiten Praxis zur Anwendung kommen kann.
Vielen Dank für das Gespräch.
Im Profil
PD Dr.med. Dr. rer. biol. hum Dipl.-Informatiker univ. Stefan Alexander Wirth studierte in seiner Heimatstadt München die Fächer Informatik, Humanbiologie und Humanmedizin. Ab 1999 war der heute 43-Jährige als Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Klinische Radiologie, Klinikum der Universität München, beschäftigt.
2007 erlangte er mit der Facharztanerkennung für Diagnostische Radiologie eine Position als Oberarzt. 2009 folgte die Habilitation für das Fach Radiologie. 2001 gewann Stefan Wirth den Innovationspreis der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. zum Thema „Computerassistierte Radiologie und Traumatologie“. 2008 wurde er mit einem Certificate of Merit von der Nordamerikanischen Röntgengesellschaft (RSNA) geehrt.
11.01.2012