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Warum die strukturierte Befundung mehr als ein Trend ist

Jeder Befund in der Radiologie ist auf seine Art strukturiert. Die Betonung liegt „auf seine Art“. Denn frei formulierte Befundberichte sind so individuell wie ihre Verfasser. Dass dadurch auch Fehlkommunikation entstehen kann, ist vorprogrammiert.

Bericht: Karoline Laarmann

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Prof. Dr. Andreas Schreyer ist stellvertretender Direktor des Instituts für Röntgendiagnostik am Universitätsklinikum Regensburg.
Quelle: UKR

Das geht besser, meinen Prof. Dr. Andreas Schreyer, stellvertretender Direktor des Instituts für Röntgendiagnostik am Universitätsklinikum Regensburg, Prof. Dr. Johannes Wessling, Chefarzt der Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie am Clemenshospital Münster und PD Dr. Thorsten Persigehl, leitender Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Köln. Sie erläutern, wie die strukturierte Befundung in bestimmten Fällen Fakten schaffen kann und warum Bedenken in Richtung „Produktivitätswahn“ unbegründet sind.

Es war ein US-Paper, das Prof. Schreyer, Leiter der AG Gastrointestinal- und Abdominaldiagnostik der DRG, selbst zum Gläubigen des Structured Reporting machte (Brook O.R. et al, Radiology 2015). Im Rahmen einer multizentrischen Vergleichsstudie wurden Chirurgen in drei unterschiedlichen Ausbildungsstadien strukturierte und konventionelle Befundberichte zum Pankreaskarzinom vorgelegt. Das Ergebnis: die befragten Operateure waren zu 96, 69 und 98 Prozent mit den strukturierten Befundungen zufrieden, mit den konventionellen Befunden dagegen nur zu 31, 43 und 25 Prozent.

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Beispielhafter strukturierter Befundbericht zum Pankreas-Ca. (Klicken zum Vergrößern)
Quelle: Mint Medical

Aber was definiert eine strukturierte Befundung eigentlich? „Es gibt keine offizielle Definition, aber gemeint ist, dass man eine Checkliste mit Key Features – die für die weitere Diagnose und Therapie relevant sind – Punkt für Punkt abarbeitet“, erklärt der Regensburger. Kollegen, die befürchten, sie würden dadurch vom Radiologen zum „Abklicker“ degradiert, kann Wessling, Vorstand AG Gastrointestinal- und Abdominaldiagnostik beruhigen: „Die strukturierte Befundung ist nicht der heilige Gral der Radiologie, sondern nur für ganz dedizierte Fragestellungen geeignet. Dann allerdings ist sie eine hervorragende Methode, um nichts Wichtiges zu vergessen, die interdisziplinäre Kommunikation zu verbessern und schnelle Entscheidungen zu ermöglichen. Letztendlich geht es hier nicht um die persönlichen Vorlieben des Befunders, sondern darum, was für den Patienten das Beste ist.“

„Das Pankreaskarzinom lag als Thema besonders nah, weil es sich um eine pathologische Entität handelt, die klar umrissen ist. Zudem ist der Bauchspeicheldrüsenkrebs eine Erkrankung, deren Prävalenz leider zunimmt, und deren Verlauf beim inoperablen Stadium nahezu immer tödlich ist. Deshalb ist es wichtig, dass die behandelnden Ärzte sich sehr schnell Klarheit darüber verschaffen können: Bringt eine Operation einen Überlebensvorteil für den Patienten oder nicht?“ Ein weiterer „idealer Kandidat“ für die strukturierte Befundung ist das Rektumkarzinom, ergänzen Wessling und Persigehl; letzterer leitet die AG onkologische Bildgebung.

Beim richtigen Begriff poppt das Arbeitstool automatisch auf

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Prof. Dr. Johannes Wessling ist Chefarzt der Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie am Clemenshospital Münster.

In Zusammenarbeit mit der AG Onkologische Bildgebung, der AG Gastrointestinal- und Abdominaldiagnostik und der AG Informationstechnologie sowie u.a. der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie wurden in einem Konsensus-Meeting Anfang des Jahres in Köln strukturierte Befundvorlagen für das Rektum-, Kolon- und Pankreas-Karzinom entwickelt. „Diese Vorlagen sind in einem interdisziplinären Prozess entstanden, denn als Radiologen sind wir Dienstleister und die überweisenden Ärzte unsere Kunden. Darum zählt, was genau der Kunde von uns wissen will“. Das Resultat war eine Excel-Tabelle, die alle essentiellen Beurteilungskriterien beinhaltet und systematisch abfragt.

„Die Idee ist, dieses Arbeitstool in entsprechende Softwareprogramme zu integrieren“, so Schreyer und Wessling. „Wenn der Radiologe dann ein Abdomen befundet und das Stichwort Pankreaskarzinom taucht auf, dann soll auch automatisch dieses Arbeitstool aufpoppen. Noch anschaulicher wird das Ganze natürlich durch eine ergänzende Grafik. Wenn man beispielsweise einen Tumor mit 1,5 cm Größe im Pankreaskopf mit Gefäßbeteiligung beschreibt, klickt man die betreffenden Features an und die Software stellt aus den Informationen ein Schaubild zusammen, so Wessling.“

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PD Dr. Thorsten Persigehl ist leitender Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Köln.

Die strukturierte Befundung hat aber nicht nur das Potential für bessere Diagnosen und Therapien zu sorgen, sondern auch umfangreiche Datenanalysen zu ermöglichen. „Nur weil wir in der Radiologie große Datenmengen schaffen, heißt das nicht automatisch, dass wir Big Data produzieren“, stellen die drei Radiologen klar: „Ein Computerprogramm versteht einen Befund nicht, der als Freitext formuliert ist. Es braucht dafür erkennbare Muster. Mithilfe des Structured Reportings werden aus brach liegenden Daten auswertbare Informationen, mit denen man Tumorregister befüllen kann, bessere Therapiekonzepte erarbeiten und vieles mehr.“

Allerdings sind viele RIS (Radiologieinformationssysteme) heute noch textbasiert. Es braucht also fortschrittliche Software, die auch Bilder, Tabellen und Datenbanken integriert. Schreyer Wessling und Persigehl sind sich sicher, dass das Structured Reporting kommen wird. Die nächsten fachwissenschaftlichen Projekte sind bereits in der Mache: „Hier passiert gerade nicht weniger als die Zukunft der Radiologie.“


Profile:

Prof. Dr. Andreas Schreyer, MHBA, ist seit 2010 Stellvertretender Direktor am Institut für Röntgendiagnostik, Universitätsklinikum Regensburg. Darüber hinaus leitet er die AG Abdominal‐und GI‐Diagnostik der Deutschen Röntgengesellschaft (2014 – 2018), sitzt im Beirat der Deutschen Gesellschaft für Endoskopie und Bildgebende Verfahren und ist Mitglied der Zertifizierungskommission der Deutschen Darmkrebs- und Pankreaskrebszentren. Der gebürtige Bayer wurde u.a. mit dem Excellence Preis 2008 der Bayerischen Röntgengesellschaft und dem Vortragspreis der RWRG (Radiologie Kongress Ruhr) 2014 ausgezeichnet.

PD Dr. Thorsten Persigehl ist seit 2015 leitender Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Köln. Das Studium der Humanmedizin absolvierte der 42-jährige an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität in Bonn und anschließend an der Westfälischen-Wilhelms Universität Münster, wo er auch 2009 seine Anerkennung zum Facharzt für Radiologie erhielt. 2010 und 2011 verbrachte er an der Columbia University, New York, USA. Seit 2013 ist Thorsten Persigehl aktives Mitglied in der Deutschen Röntgengesellschaft und engagiert sich dort in der AG Onkologische Bildgebung, wo der er die Verantwortung für das Gebiet “Strukturierte onkologische Befundung“ trägt.

Seit 2013 leitet Prof. Dr. Johannes Wessling die Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie und Neuroradiologie des Clemenshospitals in Münster. Zuletzt war er als stellvertretender Direktor am Institut für Klinische Radiologie des Universitätsklinikum Münster tätig. 2013 erhielt er von der Deutschen Röntgengesellschaft den Friedrich-Wachsmann-Preis für Fort- und Weiterbildung. Er ist seit 2014 im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft (AG) Abdominal- und Gastrointestinaldiagnostik der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG).


Veranstaltungshinweis:

Fr., 10.11.2017, 16:00 – 16:30

Strukturierte und computergestützte Befundung in der Onkologie

PD Dr. Thorsten Persigehl, Köln

Session: Neue Techniken in der onkologischen Bildgebung

Congress-Saal 

29.09.2017

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