Same but different
Neue Standards für Leberläsionen
Dank modernster Protokolle und des Einsatzes leberspezifischer Kontrastmittel sind von untersuchungstechnischer Seite her beste Voraussetzungen für eine sichere Differentialdiagnose von fokalen Leberläsionen gegeben. Eine Herausforderung bleibt weiterhin die Befundung nach standardisierten charakteristischen Mustern. Denn nicht jeder Tumor verhält sich nach Lehrbuch, weiß Prof. Dr. Wieland Sommer, Oberarzt am Institut für Klinische Radiologie im Klinikum Großhadern der LMU München.
Der erstmalige Nachweis einer fokalen Leberläsion durch eine Sonographie erbracht. Die Raumforderungen werden generell in benigne und maligne eingeteilt, wobei auch benigne Veränderungen symptomatisch werden können und Komplikationen bereiten, wenn sie beispielsweise eine gewisse Größe erreichen und einbluten. Unter den primär malignen Läsionen sind das hepatozelluläre Karzinom (HCC) und das Cholangiokarzinom (CCC) am häufigsten. Zudem ist die Leber häufig von Metastasen anderer Tumoren betroffen.
„Ein Vorteil der Leber-MRT ist, dass man sich einer ganzen Reihe verschiedener Sequenzen bedienen kann, um sich ein umfassendes Bild zu machen“, berichtet Prof. Sommer. Dabei kommen auch leberspezifische Kontrastmittel zum Einsatz, die einen hohen Nutzen bieten: „Diese speziell entwickelten Kontrastmittel werden in den Hepatozyten gespeichert. Während benigne Läsionen wie die fokal noduläre Hyperplasie Hepatozyten besitzen, die das Kontrastmittel anreichern, weisen maligne Läsionen wie das CCC oder Metastasen keine Hepatozyten auf. Darüber hinaus stellt die hepatozytenspezifische Spätphase die allersensitivste Sequenz dar, um kleine Metastasen zu identifizieren und die Anzahl von Lebermetastasen bei einem Patienten abzuklären.“
Beim hepatozellulären Karzinom richten sich die Therapieoptionen nach dem Ausbreitungsmuster der Erkrankung. Der Radiologe ist hier oft das Zünglein an der Waage. Die Entscheidung, ob ein HCC-Patient auf die Warteliste für eine Lebertransplantation aufgenommen wird, erfolgt nur nach strikter Einhaltung der Milan-Kriterien hinsichtlich Tumorgröße und -anzahl. „Die Beurteilung nach den Milan-Kriterien funktioniert nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip“, erläutert Sommer. Außerdem wird ein bestimmtes Vaskularisationsmuster vorausgesetzt, das durch die arterielle Hypervaskularisation mit venösem Washout definiert ist. Es gibt jedoch Karzinome, die dieses charakteristische Muster nicht aufweisen und dennoch Anhaltspunkte für ein HCC handelt.“ Inzwischen liegen Studien vor, die diese Skepsis untermauern. Sie belegen, dass ein Drittel der Karzinome nicht die charakteristischen Vaskularisationsmuster aufweisen. Das American College of Radiology (ACR) hat deshalb neue Standards für die Befundung von Leberläsionen entwickelt. Die sogenannten LI-RADS (Liver Imaging Reporting and Data System) definieren Haupt- und Nebenkriterien für die Einordnung einer Leberläsion als hepatozelluäres Karzinom. „Die Diagnosekategorien, nach denen hier befundet wird, sind jedoch äußerst komplex und deshalb schwierig in den Arbeitsalltag zu integrieren“, räumt Prof. Sommer ein, „deshalb bleibt abzuwarten, ob sie sich durchsetzen können.“
PROFIL:
Prof. Dr. Wieland Sommer studierte Medizin in Heidelberg, Berlin, Madrid und Lausanne. 2007 kam der heute 35-jährige Oberarzt ans Institut für Radiologie am Klinikum Großhadern der Ludwig Maximilian Universität München, wo er seit August 2014 auch die Professur für onkologische Bildgebung innehat. Im Jahr 2013 erlangte Sommer einen Masterabschluss in Gesundheitswesen an der Harvard School of Public Health in Boston, USA.
13.02.2015