Sanfte Eingriffe

Endoskopie erobert mehr Bereiche in der Diagnostik

Für viele Menschen ist die Bestätigung des Krebsverdachts verknüpft mit geringen Heilungschancen und einer beträchtlichen Einschränkung ihres gewohnten Lebens. Doch kann vielen Patienten, besonders bei Magen- und Darmerkrankungen, durch Früherkennung geholfen werden. Möglicherweise künftig auchTyp-2-Diabetern, von denen es in Deutschland immerhin über 7 Millionen gibt. EH sprach mit dem international bekannten Endoskopiker Professor Dr. Horst Neuhaus, Chefarzt der Inneren Medizin am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf darüber, wie er Innovationen in der digitalen endoskopischen Bildtechnologie nutzt, um die Diagnostik und Therapie für Patienten zu verbessern.

Report: Daniela Zimmermann/Juliane Dannert

Professor Horst Neuhaus MD
Professor Horst Neuhaus MD
Quelle: Professor Horst Neuhaus MD

Zahlen des deutschen Krebsforschungszentrums belegen, dass die Krebssterblichkeit in Deutschland seit Jahren zurückgeht. Ein Grund liegt in den verbesserten Methoden der Früherkennung Beispielsweise bei Darmkrebs. Hier werden bei nahezu jedem dritten Vorsorgepatienten, so weiß Professor Neuhaus, Polypen entdeckt: „Je gründlicher ein Arzt untersucht, desto mehr wird er entdecken und desto geringer ist das Risiko für den Patienten, dass er trotz Koloskopie an Krebs erkrankt. Ein Qualitätskriterium für die Untersuchungsmethode ist die Adenomdetektionsrate. Sie beziffert die Häufigkeit, mit der ein Arzt bei einer endoskopischen Untersuchung ein Adenom entdeckt. Diese, das belegen Studien, sollte bei Menschen ab 50 Jahren für Frauen über 15 Prozent und für Männer über 25 Prozent liegen.“

Qualität ist immer eine Frage der Erfahrung

Denn ausschlaggebend für die erfolgreiche Früherkennung, so Neuhaus, sind sowohl moderne und innovative Endoskope, aber auch die Erfahrung des Arztes: „Die Qualität des Untersuchers ist meines Erachtens mit das Wichtigste. Ein hoch auflösendes Endoskop ist notwendig, kann aber keinen schlechten Untersucher kompensieren.“ In Sachen Darmkrebsvorsorge ist die Adenomdetektionsrate ein gutes Qualitätskriterium, um  die ärztliche Arbeit zu bewerten. „In anderen Bereichen, wie beispielsweise bei endoskopischenen Interventionen in der Speiseröhre, wird es hingegen komplexer. In Deutschland kann hier jeder Arzt, auch bei geringen Fallzahlen und wenig Expertise, einfach drauflos operieren“ beschreibt Neuhaus die Situation. „Dabei liegt es im Interesse der Patienten und auch der Krankenkassen, die Qualität dieser Eingriffe zu steuern. Stellen sie doch meist eine schonende Alternative zu einem operativen Eingriff dar.“

Verschobene Zuständigkeiten und verbesserte Heilungschancen

Deshalb sieht Neuhaus durch den zunehmenden Einsatz neuster endoskopischer Techniken gute Chancen, die Heilungschancen für Patienten deutlich zu verbessern und die Behandlungsqualität zu erhöhen. Gleichzeitig verschieben sich aber auch die Zuständigkeiten in der Medizin. Ein Beispiel dafür kommt aus der mikroskopischen Endoskopie. „Führen Sie bei einer 60 bis 70-jährigen Person eine Kernspintomographie durch, finden Sie in nahezu jedem zehnten Fall Zysten in der Bauchspeicheldrüse. Die sind natürlich nicht alle bösartig, aber leider kann man das im Einzelfall nicht immer sicher feststellen. Das Risiko lässt sich heute jedoch ermitteln mit modernen endosonographischen Verfahren wie Kontrastmittelverstärkung oder einer Zystenpunktion zur Analyse des Inhaltes.

Mit dieser Technik wird in ausgewählten Fällen im Rahmen von Studien auch ein ultradünner Katheter in die Zyste eingeführt. Hiermit lassen sich endomikroskopische Bilder erstellen mit einer Auflösung analog dem, was der Pathologe unter dem Mikroskop sieht: d.h. wir können nach bisherigen Daten zuverlässig diagnostizieren und den Befund als bösartig oder nicht klassifizieren,“ erläutert der Spezialist. Es muss allerdings nicht immer gleich die Endomikroskopie sein“, merkt Neuhaus an. „Denn auch die neuen hochauflösenden Endoskope bringen uns in der Krebsfrüherkennung im Verdauungstrakt weiter, weil wir unser Auge bereits seit Jahren darauf geschult haben, Veränderungen der Struktur von Schleimhäuten oder Gefäßen, Stichwort Neoangiogenese, zu erkennen“ bestätigt er die Fortschritte in der Endoskopietechnik.
Das Endoskop bietet für Neuhaus und sein Team somit eine schonende Möglichkeit, durch interventionelle bildgebende Diagnostik die Biopsie zu ergänzen. „Ist das Bild gemacht, muss es natürlich bewertet werden. Hier helfen Studien und Arbeitsgruppen, die die Bilder klassifizieren oder der Kollege aus der Pathologie, der mit auf das Bild schaut.

Das Zusammenspiel mit den Kollegen ist für uns sehr wichtig, denn bei frühen Krebsstadien der verschiedenen Organe wie Speiseröhre, Magen, Bauchspeicheldrüse und anderen, gibt es immer einen bestimmten Prozentsatz an Patienten, die operiert werden müssen. Der Patient profitiert davon, dass wir alles in einem Haus anbieten können.“ Dieses Arbeiten im Team setzt sich auch mit den Diabetologen fort. Gemeinsam mit ihnen arbeitet Neuhaus in enger Zusammenarbeit mit der medizintechnischen Industrie und im Rahmen von internationalen multizentrischen Studien an einem neuen Verfahren für eine Therapie der Typ-2-Dabetiker.

Diabetes – ein neues Einsatzgebiet des Endoskops

„Die Hälfte der Diabetespatienten hat einen zu hohen HbA1c-Wert. Man weiß, dass Patienten nach einem Magen-Bypass, bei dem der Chirurg den verbliebenen Magen mit dem Dünndarm verbindet und somit den Zwölffingerdarm ausschaltet, nicht nur an Gewicht verlieren, sondern dass sich auch der Diabetes verbessert. Eine der Ursachen hierfür scheint das „Ausschalten“ des Zwölffingerdarmes zu sein. Seine Schleimhaut bildet stoffwechselaktive Hormone wie „Inkretine“ welche die Insulinsekretion stimulieren und bei der Entwicklung des Diabetes Typ 2 eine wichtige Rolle zu spielen scheinen. Einzelheiten der Pathogenese sind noch Gegenstand der Forschung. Überträgt man diese Erkenntnis auf Typ-2-Dabetiker, so liegt nah, dass wir diesen Patienten durch ein „Reset“ der Schleimhaut im Zwölffingerdarm mit neuer Regulierung der Produktion der stoffwechselaktiven Substanzen helfen können“ erläutert Neuhaus. „Hier kommt das Endoskop zum Einsatz mit dessen Hilfe der Arzt einen speziellen Ballon in den Zwölffingerdarm einführt, diesen erhitzt und so die Schleimhaut verschorft. Die Schleimhaut regeneriert sich, scheint aber dann andere Eigenschaften zu haben, als die vorherige“ fasst Neuhaus das Ergebnis der Pilotstudie an einer Klinik in Chile zusammen. In Europa wird das neue Verfahren derzeit an mehreren klinischen Zentren überprüft. Neben dem Evangelischen Krankenhaus in Düsseldorf werden sich zwei weitere deutsche Kliniken an der Studie beteiligen.

Grundlage für diesen Vormarsch in der Intervention ist eine stetige Weiterentwicklung der Technologie. „Es ist nicht nur die Kamera, sondern auch die Steuerung und Beweglichkeit des Endoskops, das dünn genug sein muss, um in engste Kanäle zu kommen. Und ohne sehr gute Spülfunktion können wir keine operativen Eingriffe vornehmen“ beschreibt Neuhaus das Interesse an der Zusammenarbeit mit der Industrie. „Geräte müssen getestet und weiterentwickelt werden und so kommen zu uns regelmäßig Ingenieure,begleiten uns bei der Arbeit und wir diskutieren künftige Technologien auf der Basis des medizinischen Bedarfs.

Um den internationalen Austausch über Verfahren und Technologien zu befördern, hat Neuhaus vor vielen Jahren das Internationalen Endoskopie Symposiums gegründet, das im Jahresrhythmus in Düsseldorf stattfindet. Und was steht 2016 auf dem Plan? „Bei unserer Arbeit geht es zunehmend um Therapie und Intervention, wobei eine gute Diagnostik nicht vernachlässigt werden darf. Die neuen Möglichkeiten von Eingriffen unter Steuerungdurch endoskopischem Ultraschall sind sicher besonders spannend. Im Rahmen einer Endoskopie kann hierdurch organübergreifend untersucht werden und eslassen z.B. sich Stents zu Bildung von Anastomosen, z.B. zwischen Magen und Dünndarm platzieren. Aber auch neue Möglichkeiten, den Dünndarm zu in ganzer Länge zu endoskopieren oder Medikamente gezielt in Organabschnitte oder Tumore zu platzieren stehen im kommenden Jahr sicher auf der Agenda.“


PROFIL:
Professor Dr. Horst Neuhaus ist seit 1995 Chefarzt der Medizinischen Klinik am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf. Sein klinisch wissenschaftliches Interesse gilt der Erkennung und Therapie insbesondere früher Stadien verschiedener Krebsformen des Verdauungstrakts, den Erkrankungen der Gallenwege und Bauchspeicheldrüse sowie der diagnostischen und therapeutischen Endoskopie. Er ist engagiert bei der Durchführung verschiedener internationaler Studien in enger Kooperation mit anderen deutschen Zentren sowie Kliniken weltweit. Professor Neuhaus ist zudem Veranstalter des Internationalen Endoskopie Symposiums Düsseldorf, das in dem Fachgebiet als einer der größten und bedeutendsten Kongresse weltweit angesehen wird.

01.07.2015

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