Zwei Seiten einer Medaille
Wechselwirkungen von nicht-alkoholbedingter Fettleber und Diabetesvon Karoline Laarmann
Zu viel ungesundes Essen, zu wenig Bewegung – die Risikofaktoren für die Entstehung einer nicht-alkoholbedingten Fettleber und eines Diabetes Typ 2 sind nicht nur ähnlich, sie bilden auch eine lebensgefährliche Allianz.
Zu Ursache und Wirkung beider Krankheitsbilder stellte PD Dr. Jörg Bojunga, Leiter des Schwerpunktes Endokrinologie und Diabetologie an der Johann Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt a. M., auf dem diesjährigen Deutschen Internistenkongress neue wissenschaftliche Erkenntnisse vor.
„Lange Zeit galt die Fettleber als eine Art Kavaliersdelikt ohne gesundheitliche Konsequenzen. Heute weiß man, dass eine Fettleber in 30 % der Fälle zu schwerwiegenden Folgeerkrankungen wie Fettleberentzündung, Leberzirrhose, Leberausfall oder Leberkrebs führen kann und so zu einer verkürzten Lebenserwartung beiträgt“, erklärt Dr. Bojunga im Interview mit European Hospital. Etwa 60 % der Diabetiker entwickeln in Folge ihrer Erkrankung solch eine Fettleber, die durch einen Organfettgehalt von über 5 % definiert ist. Die Insulinresistenz führt dazu, dass das Fett sich zum einen in der Leber ablagert und zum anderen dazu, dass die Leber selbst zusätzliches Fett produziert.
Entgegen lang gehegter Meinungen gibt es aber auch den umgekehrten Erkrankungsweg, berichtet der Experte: „Zumindest bei einem Teil der Patienten ist die Fettleber zuerst vorhanden und führt mit der Freisetzung von Entzündungsmediatoren wie dem Protein Fetuin A dazu, dass zusätzlich die Insulinempfindlichkeit herabgesetzt wird. Möglicherweise haben wir hier einen Indikator gefunden, um in Zukunft das Risiko eines Diabetes und seiner Komplikationen vorauszusagen.“
Da eine Fettleber keine Beschwerden auslöst, wird sie meist zufällig während einer abdominellen Ultraschalluntersuchung (vergrößerte Leber) oder eines Bluttests (erhöhte Leberwerte) festgestellt. Sollte die Diagnose sich bestätigen, gilt es langfristig zu handeln. Dazu zählen mindestens 20 Minuten Bewegung am Tag und eine Gewichtsreduzierung von 7-10 %. Denn Zuckerkrankheit und Leberkrankheit sind meist Manifestationen ein- und desselben Krankheitsbildes, nämlich des Metabolischen Syndroms. Daher zeigen bei den stark übergewichtigen Patienten schon geringe Gewichtsabnahmen deutlich positive Auswirkungen auf die Fettverteilung in der Leber.
„Eine schnelle Gewichtsabnahme mit Null-Diäten sollte jedoch unbedingt vermieden werden“, betont Dr. Bojunga. „Dadurch kann sich die Fettleber im Gegenteil noch verschlechtern. Außerdem fällt es den Patienten dann meist sehr viel schwerer, die Kilos auch langfristig unten zu halten. Viele Patienten pflegen ihren ungesunden Lebensstil bereits seit mehreren Jahrzehnten. Da ist es schwierig, mit drakonischen Empfehlungen Veränderungen zu bewirken. Ernährungsberatung und Betreuung sind daher außerdem extrem aufwändig und man muss viel investieren, um einen relativ kleinen Patientenanteil dauerhaft zum Erfolg zu führen.“
Aufgrund dieser schwierigen Therapievoraussetzungen setzen Experten in Zukunft verstärkt auf die Prävention. Bereits in Kindergarten und Grundschule soll der Nachwuchs an gesunde Lebensmittel herangeführt werden, fordert auch Bojunga. Hier fehlen oft nicht nur grundlegende Kenntnisse, sondern auch ein kritischer Umgang mit den Werbeversprechen der Lebensmittelindustrie: „Viele Verpackungsangaben wie ,fettarm‘ oder „Diät“ sind irreführend, weil sie zwar weniger Fett aber große Mengen an Fruchtzucker enthalten, die unter anderem auch zur Schädigung der Leber führen können. Durch neue EU-Rechtsvorschriften wird es zum Glück für die Industrie in Zukunft jedoch schwerer, mit ihren nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben zu schummeln.“
Neue Studienerkenntnisse zeigen darüber hinaus, dass in selteneren Fällen auch genetische Veränderungen Ursache für eine Fettleber sein können. Das heißt, auch schlanke Menschen können betroffen sein. Auch hier spielt die Früherkennung eine große Rolle, um nötige Behandlungsschritte einzuleiten und weitere Komplikationen zu vermeiden – wenn überhaupt ein Risiko besteht, denn, so der Arzt: „Bei einer Fettleber handelt es sich um eine Vermehrung von Fett in der Leber, die mit einer Entzündung einhergeht und zu einer Vermehrung des Bindegewebes, der sog. Leberfibrose, führen kann. Allerdings sind wir medizinisch heute noch nicht in der Lage genau zu bestimmen, welcher Patient mit einer Fettleberentzündung auch wirklich fortschreitende Lebererkrankungen entwickelt. Deshalb spielen der Grad der Entzündung und die Bindegewebsvermehrung eine wichtige Rolle sowohl in der Diagnostik als auch in der Forschung.“ Leberpunktionen sind für diese Untersuchung immer seltener nötig. Mit nicht-invasiven Testverfahren wie Bluttests und ultraschallbasierten Vefahren zur Messung des Bindegewebsgehaltes der Leber (z.B. FibroScan®) lassen sich heute schon gute und schnelle Aussagen über Risikofaktoren und Fortschreiten der Lebererkrankung treffen.
16.06.2011