Wunsch und Wirklichkeit

Forschungsansätze für den klinischen Alltag

In unserem Interview mit Univ.-Prof. Dr. Fabian Kießling („Wenn Tumoren blinken) wollten wir vor allem die aktuellen Forschungsansätze in der molekularen und onkologischen Bildgebung vorstellen, ungeachtet der Möglichkeit ihrer gegenwärtigen klinischen Umsetzbarkeit.

Prof. Dr. Hans-Ulrich Kauczor
Prof. Dr. Hans-Ulrich Kauczor

Um es gleich vorwegzunehmen, die Übertragung von innovativen Bildgebungsverfahren aus dem präklinischen Bereich auf die klinische Anwendung ist nicht ganz einfach: „Das ist aus vielen Gründen ein sehr anspruchsvolles Vorhaben. Die Systeme sind zum Teil aufgrund ihrer physikalischen Grundlagen so eingeschränkt, dass eine sinnvolle Adaption für die Praxis bis auf Weiteres nicht zu erwarten ist“, so Prof. Kauczor.

Ein Verfahren, das sich in absehbarer Zeit jedoch im klinischen Einsatz bewähren könnte, ist die optische Bildgebung, vor allem in Verknüpfung mit der Endoskopie, der Bronchoskopie und der intraoperativen Diagnostik. In der begrenzten Eindringtiefe mit dem direkten Blick unter die Oberfläche liege das Potenzial für die onkologische Befundung, meint Kauczor, und bestätigt damit Kießlings Einschätzung. Weniger erfolgreich war allerdings der Versuch, optische Bildgebung sinnvoll bei der Mammadiagnostik einzusetzen: „Hier wurden über längere Zeit Konzepte verfolgt, die keinen Weg in breite klinische Anwendungen gefunden haben. Die Innovationen bei der Mammadiagnostik sind im Bereich der Fusionsbildung und bei der Tomosynthese, zum Beispiel auch mit Kontrastmitteln, zu finden, nicht jedoch bei der optischen Bildgebung“, erklärt der Heidelberger Radiologe.

Das Verfahren mit der größten Aussicht, sich erfolgreich in der Praxis durchzusetzen, ist der kontrastmittelgestützte Ultraschall. Leider fehlt es hier laut Kauczor noch an einer stärkeren Durchdringung im Klinikalltag und an der allgemeinen Akzeptanz der neuen Methoden und Verfahren im Rahmen von Diagnostikpfaden im Konzert mit CT und MRT.

Und dann gibt es noch die neuen spezifischen Tracer für PET-CT und MRT/PET, von deren Entwicklung man sich so viel verspricht. Hier gibt es vor allem zwei Probleme: regulatorische Herausforderungen bei der Zulassung und bei Studien am Patienten, die das Vorankommen verzögern, und zweitens eine begrenzte Leidenschaft bei der Industrie, in die Entwicklung der spezifischen Tracer zu investieren: „Die Indikationen für spezifische Tracer betreffen häufig nur sehr kleine Patientengruppen. Es ist also weniger Geschäftspotenzial zu erwarten als beispielsweise beim gadoliniumhaltigen MR-Kontrastmittel. Da ist die Prostatadiagnostik vielleicht eine Ausnahme und aktuell ein großes Feld mit vielversprechenden spezifischen Tracern, die sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie funktionieren könnten. Ansonsten sehe ich nur wenige vielversprechende neue Chancen. Der Hype um die Tracer-Herstellung hat bei den Firmen nachgelassen, der Forschung auch Produkte folgen lassen zu können.

Doch es gibt auch Entwicklungen, die Zuversicht aufkommen lassen – wie die präklinischen Bemühungen beim Magnetic Particle Imaging: „Wenn es gelingt, Entzündungszellen zu markieren und so das Feld der Entzündungsbildgebung zu erschließen, stoßen wir damit in völlig neue Dimensionen der diagnostischen Bildgebung vor. Von diesem Forschungsfeld verspreche ich mir viel, vor allem einen baldigen Durchbruch“, so Kauczor.

Bei allem Potenzial in der präklinischen Forschung bleibt Kauczor in seinen Erwartungen verhalten, denn de facto wird in der klinischen Praxis außer beim Ultraschall wenig des hier Diskutierten umgesetzt. Wichtig ist es vielmehr, vorhandene Technologien wie die kontrastmittelverstärkte Perfusionsuntersuchung von Tumoren praktikabler in den Alltag zu integrieren: „Wir brauchen eine Standardisierung, einen Ablauf und eine Quantifizierung mit einer leicht verständlichen und bedienbaren Auswertungssoftware, die sozusagen selbst-erklärend und semiautomatisch ist und in wenigen Minuten ein vernünftiges, befundunterstützendes Ergebnis liefert – als sinnvoller quantitativer und somit objektiver Baustein für die Diagnoseunterstützung und die Beurteilung des Therapieerfolgs“, so Kauczor abschließend.

 

Im Profil

Prof. Dr. Hans-Ulrich Kauczor studierte Ende der 1980er-Jahre in Bonn und Heidelberg Medizin und arbeitete danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Radiologie am Deutschen Krebsforschungszentrum, die er viele Jahre später – von 2003 bis 2007 – leiten sollte.

An der Kölner Universität erwarb er seinen Doktor und habilitierte sich an der Universität Mainz. Seit 2003 ist er Professor für Diagnostische Radiologie an der Universität Heidelberg, an der er 2008 die Ärztliche Direktion der Radiologischen Klinik übernahm. Für seine radiologischen Forschungen wurde er im Jahr 2000 mit dem Holthusen-Ring der Deutschen Röntgengesellschaft ausgezeichnet.

 

29.05.2013

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