Die AG Onkologische Bildgebung hat ehrgeizige Ziele
Prof. Dr. Heinz-Peter Schlemmer, Abteilungsleiter der Radiologie beim Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) richtet 2014 als Präsident in spe der International Cancer Imaging Society (ICIS) in Heidelberg einen Kongress aus, den es so in Deutschland noch nicht gegeben hat.
Gemeinsam mit der European Society of Oncology soll er der onkologischen Bildgebung neuen Schwung geben. Für Schlemmer ist das längst kein medizininternes Politikum mehr, sondern eine zwingende inhaltliche Notwendigkeit. Daher wird eine gemeinsame Plattform geschaffen, die alle nötigen Fachdisziplinen einbindet und so Synergien schafft. Ziel ist, nachhaltig und effizient die Diagnostik im Sinne des Patienten zu optimieren und einheitliche Standards zu schaffen, was zugegebenermaßen bei der Komplexität des Themas nicht ganz einfach ist. Diese Herausforderung nimmt der Vorsitzende jedoch mit Leidenschaft an und versteht sich als Verantwortlicher mit Moderationsfunktion. Vorbild sind die amerikanischen Comprehensive Cancer Center Tumor Boards, die auf der komplexen Zusammenarbeit aller Disziplinen fußen.
Die Radiologie spezialisiert sich im Allgemeinen auf spezifische Organe oder Systeme, so auch die onkologische Diagnostik. Entsprechend sind auch die Arbeitsgemeinschaften der Deutschen Röntgengesellschaft organisiert. Allerdings gibt es etliche medizinische Fragestellungen, besonders im onkologischen Bereich, die den gesamten Körper betreffen und abteilungsübergreifend bearbeitet werden müssen. Zu Teilen ist das natürlich bereits der Fall, zum Beispiel wird bei einer Befundung des Gastrointestinaltrakts auch die Leber auf onkologische Auffälligkeiten überprüft.
Dennoch wird die Notwendigkeit einer gesamtheitlichen onkologischen Bildgebung unterschätzt. Professor Schlemmer: „Die Methoden haben sich im Verlauf der weiteren Entwicklung der Radiologie so schnell und rasant entwickelt, dass die einzelnen Subspezialitäten teilweise nicht mithalten konnten oder sich übergreifende Probleme ergeben haben, die nicht kontrolliert bearbeitet wurden. Ich denke hier vor allem an den metastasierenden Tumor. Dieser entsteht lokal in einem Bereich, taucht dann in anderen Organsystemen und Körperregionen auf. Leider liegt dieses Verhalten in der Natur maligner Tumoren.“
Ein wichtiger anderer Bereich, der durch die neue AG aufgefangen werden soll, sind Tumorentitäten wie die hämatologische Erkrankung, die bisher vollständig durch das Raster Organbezogenen Handelns fällt. Ein weiterer Vorteil wird sich für den Bereich des Therapiemonitorings ergeben. Tumoren in verschiedenen Körperregionen sprechen erfahrungsgemäß verschieden gut auf moderne Therapien an, weshalb der behandelnde Arzt den Blick auf den ganzen Körper benötigt und mit dem nötigen Wissen ausgestattet sein muss, um mit Hybridverfahren wie PET-CT, MR/PET und Ganzkörper-MRT umzugehen. Es müssen Strukturen geschaffen werden, beispielsweise standardisierte Biomarker für Therapie-Response-Assessment, und Kriterien für Multicenterstudien.
Der erste Schritt für dieses Vorhaben wurde bereits getan, und zwar in enger Absprache mit Dr. Stefan Lohwasser, Geschäftsführer der Deutschen Röntgengesellschaft. Inhaltliche Arbeitsbereiche wurden abgesteckt und dem Vorstand vorgestellt. Die Auftaktveranstaltung und die Gründungssitzung der Arbeitsgemeinschaft Onkologische Bildgebung werden in den Röntgenkongress in Hamburg eingebettet sein. Die Herausforderungen und Chancen liegen laut Schlemmer in der inter- und multidisziplinären Zusammenarbeit. Nach Definition der Arbeitsfelder innerhalb der Röntgengesellschaft folgt die Ansprache der entsprechenden Gesellschaften. Über den geplanten Prozess sagt der Experte: „Mir ist an diesem Punkt besonders wichtig, dass wir innerhalb der Röntgengesellschaft eine Sprache sprechen und uns auf eine klare Stoßrichtung einigen, damit wir den anderen Disziplinen konkrete und stimmige Vorschläge machen können. Ich sehe das als unsere Vorleistung, damit wir Dinge auch umsetzen können – und nicht nur darüber reden.“
... und die AG Ultraschall auch
Das fachliche Herz der Deutschen Röntgengesellschaft schlägt in den Arbeitsgemeinschaften. Hier beraten sich die Experten der Subspezialitäten des Faches, hier werden wissenschaftliche und wissenschaftspolitische Initiativen gestartet. Auf dem 94. Deutschen Röntgenkongress nimmt neben der AG Onkologische Bildgebung auch die AG Ultraschall ihre Arbeit auf.
Die Gründung der AG Ultraschall hat sowohl eine medizinisch-technologische Dimension als auch eine politische.
Zum einen hat sich der Ultraschall in den vergangenen Jahren enorm weiterentwickelt. Stichworte sind die Elastographie, die mit Ultraschall kombinierten Verfahren der Hybridtechnologien sowie die Perspektiven im Bereich der molekularen Bildgebung. Demgegenüber steht eine besorgniserregende Entwicklung in Weiterbildung und Praxis der Radiologen: Der Ultraschall hat sowohl in der Facharzt-Weiterbildung, als auch in der täglichen radiologischen Arbeit an Bedeutung verloren. Das führte bisweilen zu der Überlegung, diese Modalität gänzlich aus der Weiterbildungsordnung
der Radiologie zu nehmen.
Die AG Ultraschall möchte die Modalität wieder stärker in den Fokus der Radiologen rücken und folgende Ziele erreichen: Zum einen die Festigung des Stellenwertes des Ultraschalls als integraler Bestandteil der diagnostischen Radiologie in den Krankenhausstrukturen, in der Weiterbildung und in der Forschung. Und zweitens die Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit mit anderen Fächern unter Einbringung radiologischer Expertise, speziell auf dem Gebiet der Methodenentwicklung und der Befundung in enger Abstimmung mit der radiologischen Sektion in der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM).
IM PROFIL
Prof. Dr. med. Dipl.-Phys. Heinz-Peter Schlemmer leitet seit Anfang 2010 die Abteilung Radiologie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg. Der Arzt und Physiker kehrt damit an den Ort seiner medizinischen Aus- und Weiterbildung zurück. Am DKFZ liegen seine Forschungsschwerpunkte bei der Früherkennung von Prostata-, Kolon- und Lungenkrebs sowie in der Weiterentwicklung funktioneller Bildgebungsverfahren zur Tumorcharakterisierung und zum Therapiemonitoring. Prof. Schlemmer war zuletzt in der Abteilung Diagnostische Radiologie des Universitätsklinikums Tübingen tätig und als Leitender Oberarzt für den Bereich Magnetresonanztomografie verantwortlich. In Tübingen war er maßgeblich an der technischen Entwicklung des weltweit ersten Ganzkörper-MRT beteiligt.
29.05.2013