Foto: Peter Friedl, Stefano Zapperi, Andreas Deutsch, Josef A. Käs, Jürgen Lippoldt
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Weniger klebrige Zellen werden krebsartiger
Forscher der Universität Leipzig haben in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Deutschland, Italien und den Niederlanden die Struktur von Tumorgewebe sowie das Verhalten von Tumorzellen eingehend untersucht und dabei wichtige Erkenntnisse erlangt, die in Zukunft Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen verbessern könnten. Sie fanden heraus, dass sich während der Tumorentwicklung die Art der Zellbewegung von koordiniertem, kollektivem Verhalten zu individuellem, chaotischem Verhalten verändern kann.
Das Paper entstand unter der Federführung des Tumorbiologen Prof. Dr. Peter Friedl von der Radboud University im niederländischen Nijmegen in Kooperation mit den Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Josef A. Käs (Universität Leipzig), Prof. Dr. Andreas Deutsch (Technische Universität Dresden) und Prof. Dr. Stefano Zapperi (University of Milan). Die Wissenschaftler untersuchten zellbiologische Veränderungen, die während der Krebsentwicklung durchschritten werden, und fanden heraus, dass dies meist bestimmte Veränderungen sind. Die typischste ist der Abbau des epithelialen Adhesionmoleküls E-cadherin, das heißt: Die Zellen werden weniger „klebrig“. Die Forscher zeigten, dass mit diesem Abbau eine Änderung der Art der Beweglichkeit im Gewebe einhergeht. Zellen die krebsartiger sind, können sich frei an anderen ihrer Art vorbei bewegen, während die epithelialen Zellen von ihren Nachbarn „eingesperrt“ sind.
„Es bestand schon länger die Annahme, dass die Verminderung der Klebrigkeit von Zellen während der Tumorentwicklung die Beweglichkeit dieser Krebszellen erhöht. Unser internationales Team konnte diese fundamentale Annahme bestätigen und zeigen, dass eine dichte Umgebung die Krebszellen trotzdem zurückhalten kann“, erläutert Prof. Käs. Fest stehe, dass die Tumorinvasion stark von der lokalen Umgebung beeinflusst wird: Auch individuell agierende Zellen können sich in Gruppen bewegen, wenn dadurch der Widerstand des umgebenden Gewebes geringer wird. Beide Arten der Zellbewegung führten in den Experimenten der Forscher zu Metastasen.
Die meisten Krebserkrankungen sind Karzinome, die sich aus Epithelgewebe entwickeln, das die Organe bedeckt und abgrenzt. Es hat unter anderem eine Schutz- und Stützfunktion. Zellen in diesem Epithelgewebe sind unter gesunden Bedingungen unbeweglich und bilden das Standardbeispiel der neuen und sich momentan schnell entwickelnden Forschung zu „Zelljamming“. Das erklärt diese Unbeweglichkeit dadurch, dass sich die Zellen gegenseitig im Weg stehen – ähnlich wie Autos in einem Stau oder Sandkörner in einem Sandhaufen. Zur Metastasierung benötigen Krebszellen jedoch die Fähigkeit, sich durch den Körper zu bewegen. Sie verändern ihren Phänotyp weg von epithelartigem Verhalten während der Tumorentwicklung.
In Experimenten mit Tumorzellen, die von Patienten entnommen wurden, stellten die Forscher fest, dass sich Krebszellen in unterschiedlicher Umgebung auch auf verschiedene Weise ausbreiten: Zellen mit einem epithelartigen Phänotyp bleiben in einem geschlossenen Verbund und bewegen sich darin koordiniert und kollektiv. Weniger klebrige Zellen wiederum wurden krebsartiger, verringerten ihren Zusammenhalt und bewegten sich flüssiger. Einzelne, weniger „klebrige“ Zellen sonderten sich in das umgebende Gewebe ab. „Das passiert nur, wenn dieses Gewebe nicht zu dicht ist. Diese Bewegung ist nicht koordiniert, im Gleichschritt, wie bei den Zellen mit epithelialem Phänotyp, sondern zufällig und nicht mit den Nachbarzellen koordiniert“, erklärt Doktorand Jürgen Lippoldt von der Universität Leipzig. „Um dieses Verständnis in einen Vorteil für Krebspatienten umzusetzen, muss weiter erforscht werden, welche Migrationsmethode unter welchen Umständen zu Metastasen führen kann“, erläutert er.
Die Forschungsergebnisse wurden im Fachjournal „Nature Cell Biology“ veröffentlicht.
Quelle: Universität Leipzig
26.08.2020