Dr. Gerald Gaß (links), Vorstandsvorsitzender der Deutschen...
Dr. Gerald Gaß (links), Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft, und Prof. Gernot Marx, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin, setzen sich für den stärkeren Einsatz von Telemedizin ein.

© Sonja Buske

Artikel • Digitale Lösungen für das Gesundheitswesen

Telemedizin als Retter in der Not?

Die Zukunft der Gesundheitsversorgung erfordert ein Umdenken und innovative Ansätze. Angesichts demografischer Veränderungen, steigender Versorgungsbedarfe und eines zunehmenden Fachkräftemangels ist die Integration digitaler Lösungen essenziell, wie Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft, und Prof. Gernot Marx, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin, im Rahmen der Sonderschau ‚Hospital of the Future‘ auf der MEDICA in Düsseldorf deutlich machten. Beide Verbände fordern daher in einem gemeinsamen Positionspapier¹ den stärkeren Einsatz von Telemedizin im Krankenhaus.

Artikel: Sonja Buske

„Telemedizin bietet vielversprechende Möglichkeiten, um die Qualität der Patientenversorgung zu steigern und gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen – insbesondere in ländlichen Regionen, die oft von Versorgungsengpässen betroffen sind“, so Marx. Er nannte als Beispiel die Schlaganfallversorgung, die dank telemedizinischer Anbindung auch in abgelegenen Gebieten gewährleistet werden könne. „Experten aus spezialisierten Zentren werden digital in die Behandlung eingebunden. Dies reduziert Transfers zu Maximalversorgern und ermöglicht eine wohnortnahe Versorgung, selbst bei komplexen Diagnosen“, erklärte Marx. Er fordert daher eine Abkehr von der Vorstellung, dass allein am Standort gut versorgt werden könne.

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Telemedizinische Leistungen brauchen Finanzierung

Ein weiterer zentraler Aspekt ist die zukünftige Nutzung von Daten in der Patientenversorgung. Elektronische Patientenakten, kombiniert mit KI-gestützter Analyse, könnten dabei helfen, Diagnosen zu präzisieren und telemedizinische Interventionen gezielter einzusetzen. Dies ermögliche nicht nur eine verbesserte Versorgung, sondern auch eine effektivere Nutzung knapper Ressourcen. Doch damit diese Fortschritte realisiert werden können, bedarf es laut Gaß politischer und struktureller Veränderungen. Er appellierte an die Verantwortlichen, Innovationsräume zu schaffen und veraltete Strukturen zu überwinden. „Telemedizinische Leistungen müssen angemessen finanziert und bestehende gesetzliche Hürden abgebaut werden.“

Flexible Handhabung der Finanzierungsmechanismen

Aktuell könnten beispielsweise bestimmte telemedizinische Leistungen nicht wie ihre analogen Pendants abgerechnet werden. Gaß: „Das hemmt die Integration digitaler Lösungen.“ Abhilfe könnte eine flexible Handhabung der bestehenden Finanzierungsmechanismen, wie etwa der Fallpauschalen, schaffen, ohne zusätzliche Mittel ins System einzuspeisen. Darüber hinaus sei ein Umdenken erforderlich, das den Fokus von technischen Details auf die medizinische Qualität lenke. „Telemedizin sollte nicht nur als technische Ergänzung wahrgenommen werden, sondern als integraler Bestandteil moderner medizinischer Versorgung. Diese Veränderung im Bewusstsein muss sich auch in politischen und regulatorischen Entscheidungen widerspiegeln, um die Akzeptanz und Nutzung digitaler Medizin zu fördern“, ergänzte Marx. Das Ziel sei eine vernetzte Medizin, die Barrieren abbaut, Effizienz steigert und Qualität sichert. 

Es muss möglich werden, dass wir die Kompetenzen telemedizinisch zum Patienten bringen, und für diese Leistung einen Teil der Fallpauschale bekommen

Gernot Marx

Marx und Gaß betonten, dass es nicht darum gehe, mehr Geld zu investieren, wie viele oft glauben würden. „Es geht vielmehr darum, dass diese neuen Formen der Behandlung auch zulässig und im Rahmen vorhandener Volumina abrechenbar werden.“ Als Beispiel diente erneut der Schlaganfall: Wenn eine regionale Schlaganfalleinheit telemedizinischen Sachverstand aus einem neurologischen Zentrum hinzuzieht, kann die Behandlung nicht abgerechnet werden. Um also wirtschaftlich zu agieren, müsste der Patient in eine Klinik transportiert und dort versorgt werden, obwohl die Behandlung auch telemedizinisch hätte erbracht werden können. „Es muss möglich werden, dass wir die Kompetenzen telemedizinisch zum Patienten bringen, und für diese Leistung einen Teil der Fallpauschale bekommen“, machte Marx deutlich. Ihm gehe es nicht darum, ein zusätzliches Abrechnungssystem zu entwerfen, sondern vielmehr darum, mit den Geldern, die vorhanden sind, flexibler umzugehen.

Mittels VR-Brille können sich externe Ärzte über die Digitalisierungsplattform ‚Mona‘ an der Besprechung eines gemeinsamen Patientenfalls beteiligen.

© Sonja Buske

Medizin der Zukunft beginnt jetzt

Wie die Medizin der Zukunft schon heute umsetzbar ist, demonstrierte die Firma Clinomic mit ihrer Digitalisierungsplattform für Intensivmedizin ‚Mona‘. Die integrierte Lösung akquiriert, analysiert und visualisiert Patienten- und operative Daten. Experten können digital hinzugeschaltet werden, um sich gemeinsam mit Kollegen einen Fall anzuschauen. Mona ermöglicht somit interdisziplinäre telemedizinische Konsile mit internen und externen Spezialisten für die optimale Intensivversorgung. „Dies ist ein Durchbruch in der Versorgung kritisch kranker Menschen“, findet Marx, und betont abschließend: „Wenn wir die Möglichkeiten der digitalen Medizin nicht in vollem Umfang nutzen, werden wir die vor uns liegenden Herausforderungen in der Patientenversorgung nicht meistern können.“ 

  1. Positionspapier 'Telemedizin und Telekooperation' der DGTelemed und DKG

02.01.2025

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