Röntgenverfahren
Streuung nutzen, um Nanostrukturen darzustellen
Sowohl in der Materialforschung als auch in der biomedizinischen Forschung ist es wichtig, selbst kleinste Nanostrukturen zum Beispiel in Knochen oder Kohlefaserwerkstoffen darzustellen. Ein Team der Technischen Universität München (TUM), der Universität Lund, der Charité Berlin und des Paul Scherrer Instituts (PSI) haben jetzt ein neues CT-Verfahren entwickelt, das nicht die Absorption, sondern die Streuung von Röntgenstrahlen nutzt. Mit dieser Methode können erstmals Nanostrukturen in millimetergroßen Objekten dargestellt werden. Die Forscher machten damit die dreidimensionale Struktur von Kollagenfasern in einem Stück menschlichen Zahn sichtbar.
Grundsätzlich existiert die Röntgen-Computertomographie bereits seit den Sechzigerjahren: ein Objekt wird aus verschiedenen Richtungen mit Röntgenstrahlen durchleuchtet und ein Computer generiert aus diesen Einzelbildern ein dreidimensionales Bild des Objekts. Hierbei wird die unterschiedliche Absorption von Röntgenstrahlen in verschiedenen Materialien als Kontrast verwendet. Die neue Methode, die Prof. Franz Pfeiffer, Professor für Biomedizinische Physik an der TUM, und sein Team entwickelt haben, nutzt aber nicht die Absorption der Strahlen, sondern deren Streuung.
Streuung liefert detailliertes Bild von Nanostrukturen
Prinzipiell verhalten sich Röntgenstrahlen wie Licht mit sehr kleiner Wellenlänge. Damit lässt sich auch die neue Methode erklären: Strahlt man Licht auf eine strukturierte Oberfläche, z.B. von einer CD, entsteht in der Reflexion ein charakteristisches Regenbogenmuster. Obwohl man die feinen Rillen der CD nicht direkt sehen kann, wird so durch die Ablenkung der Lichtstrahlen – auch Streuung genannt – indirekt Information über die Beschaffenheit des Objekts bekannt.
Der gleiche Effekt kann auch mit Röntgenstrahlung beobachtet werden und das haben die Wissenschaftler für ihre Methode genutzt. Der Vorteil von Röntgenstrahlen gegenüber sichtbaren Lichts, ist die Möglichkeit, Material zu durchdringen und so detaillierte Informationen aus dem Inneren von Objekten zu liefern. Die Forscher haben diese dreidimensionale Streuinformation jetzt mit der CT kombiniert.
Das konventionelle Tomographieverfahren errechnet für jeden dreidimensionalen Bildpunkt innerhalb eines Objektes, einem sogenannten Voxel, genau einen Wert. Das neu entwickelte Verfahren erlaubt es, jedem Voxel eine Vielzahl von Werten zuzuordnen, da das Streulicht aus unterschiedlichen Richtungen kommt „Durch diese zusätzliche Information können wir erheblich mehr über die Nanostruktur eines Objektes lernen, als mit herkömmlichen Tomographieverfahren. Über die indirekte Messung der Streuung lassen sich jetzt auch sehr kleine Strukturen darstellen, die vorher zu klein für eine direkte räumliche Auflösung waren“, erklärt Franz Pfeiffer.
Innenansicht eines Zahns
Für Demonstrationszwecke untersuchten die Wissenschaftler ein rund drei Millimeter großes Stück eines menschlichen Zahns. Ein Großteil eines menschlichen Zahns besteht aus dem Stoff Dentin. Er besteht zu einem großen Teil aus mineralisierten Kollagenfasern, deren Struktur hauptverantwortlich für die mechanischen Eigenschaften des Zahns ist. Die Wissenschaftler konnten dieses winzige Fasergeflecht jetzt sichtbar machen.
Insgesamt wurden annähernd 1,4 Millionen Streubilder aufgenommen, bei denen das Streulicht aus unterschiedlichen Richtungen kam. Die einzelnen Streubilder wurden anschließend mit einem eigens entwickelten Algorithmus verarbeitet, um schrittweise eine komplette Rekonstruktion der dreidimensionalen Streuverteilung zu erstellen. „Unser Algorithmus berechnet für jedes Streubild individuell die exakte Richtung der Streuinformation und erstellt danach Gruppen gleicher Streurichtung. Damit lassen sich die aufgenommenen Strukturen rekonstruieren“, sagt Martin Bech, ehemaliger PostDoc der TUM und jetzt Assistenz-Professor an der Universität Lund.
Somit konnte erstmals die dreidimensionale Orientierung der Kollagenfasern innerhalb einer Probe dieser Größe klar dargestellt werden. Die Ergebnisse sind in Einklang mit dem bisherigen, aus dünnen Schnitten gewonnenen Wissen über die untersuchten Strukturen. „Für große Objekte eignet sich nach wie vor ein hochentwickeltes CT-Verfahren besser. Die Darstellung von Strukturen im Nanometerbereich in millimetergroßen Objekten ist aber erst durch unsere neue Methode in dieser Präzision möglich“, erklärt Florian Schaff, Erstautor der Publikation.
Publikation
Florian Schaff, Martin Bech, Paul Zaslansky, Christoph Jud, Marianne Liebi, Manuel Guizar-Sicairos und Franz Pfeiffer, Six-dimensional real and reciprocal space small-angle x-ray scattering tomography, Nature, 19. November 2015. DOI: 10.1038/nature16060;
Quelle: TU München
24.11.2015