Stefan Hell erhält Nobelpreis für Chemie
Professor Stefan Hell, Direktor am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen und gleichzeitig Abteilungsleiter am DKFZ, wurde für seine „Entwicklung hochauflösender Fluoreszenz-Mikroskopie“ mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet.
„Stefan Hell ist ein absoluter Ausnahmewissenschaftler“, erklärt Professor Otmar D. Wiestler, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums. „Es erfüllt uns mit großer Freude und Stolz, mit ihm nach Harald zur Hausen innerhalb weniger Jahre bereits den zweiten Nobelpreisträger am Deutschen Krebsforschungszentrum zu wissen.“ Die höchste wissenschaftliche Auszeichnung ist der Lohn für viele Jahre unermüdlicher Forschung, im Laufe derer Stefan Hell das Auflösungsvermögen der Lichtmikroskopie um das Zehnfache steigerte – also zehnmal kleinere Strukturen darstellen konnte, als man das bisher für möglich gehalten hatte. Er hat damit eine völlig neue Dimension der Mikroskopie erschlossen.
„Ich hatte schon während meiner Doktorarbeit den Eindruck, dass das Thema Auflösung in der Lichtmikroskopie noch nicht zu Ende gedacht ist“, erinnert sich Stefan Hell. Damals galt für Lichtmikroskope noch die magische Auflösungsgrenze von 200 Nanometern, die Ernst Abbe bereits im Jahr 1873 in seinem berühmten Gesetz formulierte: Mindestens die Hälfte der Wellenlänge des sichtbaren Lichtes müssten zwei Punkte in der Brennebene des Objektivs auseinander liegen, um voneinander unterscheidbar zu sein. Erst 120 Jahre später, Anfang der 1990er Jahre, gelang es dem Physiker Stefan Hell, diese magische Grenze zu durchbrechen und den Grundstein für die Lichtmikroskopie mit Auflösungen auf der Nanoskala – also die Lichtnanoskopie – zu legen.
Als ersten Schritt erfand Hell 1990 das 4Pi-Mikroskop, bei dem das Licht statt von einer von zwei Seiten gleichzeitig auf das Objekt fällt. Damit konnte die Auflösung bereits um das Vier- bis Siebenfache gesteigert werden. Danach entwickelte er die „Stimulated Emission Depletion“ (STED-)Mikroskopie, ein Verfahren, das die Eigenschaften von Fluoreszenz-Farbstoffen ausnützt, die man ohnehin zum Anfärben von Proteinen oder DNA verwendet. Damit lassen sich biologische Strukturen erkennen, die bis zu 2000-mal feiner sind als ein menschliches Haar (20 bis 50 Nanometer).
„Der Nobelpreis erfüllt mich mit großem Stolz und Dankbarkeit – er ist schließlich die höchste wissenschaftliche Auszeichnung, die ein Forscher erlangen kann“, erklärt Stefan Hell, der im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) die Abteilung „Optische Nanoskopie“ leitet, „vor allem ist es für mich aber auch ein tolles Gefühl, zu erleben, dass das STED-Mikroskop die medizinische Grundlagenforschung enorm beflügelt.“ Zwar lassen sich auch mit Elektronen- oder Rastersondenmikroskopen Strukturen im Nanometerbereich erkennen. Allerdings müssen wir die Präparate für diese Techniken in hauchdünne Scheiben schneiden. Intakte oder sogar lebende Zellen kann man so unmöglich untersuchen. Die STED-Mikroskopie hingegen liefert auch Nanometer-genaue Einblicke in lebende Zellen."
Im Deutschen Krebsforschungszentrum setzen Hell und seine Mitarbeiter besonders leistungsfähige Varianten dieser neuen Verfahren für die biologische und medizinische Grundlagenforschung ein. So untersuchen sie, wie die Rezeptoren auf der Oberfläche von Viren verteilt sind, die für Infektionsprozesse entscheidend sind. Besonders schnelle Aufnahmetechniken können so physiologische Prozesse sichtbar machen, etwa den Transport oder das Freisetzen von Botenstoffen an Nervenenden - wofür gestern im Übrigen der Nobelpreis für Medizin vergeben wurde! Mit der Kombination aus STED- und 4Pi-Mikroskopie erreichen die Forscher zudem eine verbesserte räumliche Auflösung. So lassen sich Informationen über kleinste Details aus dem Inneren einer lebenden Zelle gewinnen – wie zum Beispiel bestimmte Proteine in kleinen Zellorganellen wie den Mitochondrien, den Energiezentralen der Zellen, verteilt sind.
Hell teilt sich den mit insgesamt rund 930 000 Euro dotierten Nobelpreis mit seinen amerikanischen Kollegen Eric Betzig vom Howard Hughes Medical Institute in Ashburn in den USA sowie William E. Moerner von der Stanford University in den USA.
Quelle: DKFZ
08.10.2014