Apps

Smartphone und Co. in der Inneren Medizin

Die Rolle der Gesundheits-Apps und der mobilen Health-Anwendungen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Nicht nur Patienten fällt es schwer, die Anzahl der mittlerweile existierenden Apps zu überblicken. Auch Ärzte zeigen sich von der Vielzahl der Anwendungen oft überwältigt. Aus diesem Grund ist für Prof. Dr. Ulrich Fölsch, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, besonders ein Punkt wichtig: „In jedem Fall sollte der Patient sich mit seinem Arzt besprechen, welche App für ihn Sinn macht und ihm tatsächlich etwas nutzt.“

Smartphone und Smartwatch sind mit Gesundsheit-App und Sensor verbunden.
Smartphone und Smartwatch sind mit Gesundsheit-App und Sensor verbunden.
Quelle: Shutterstock/Prykhodov

Wie sehen Sie die Entwicklung der Apps aus der Sicht der Inneren Medizin?

Unterscheiden muss man zwischen Fitness-Apps, die eine Distanz beim Laufen messen oder nachhalten, wie viele Kalorien man dabei verbrannt hat, und den tatsächlichen Medizin-Produkten, die den Blutzucker oder die Herzfrequenz messen oder ein EKG aufnehmen. Letztere unterliegen gänzlich anderen Qualitätskontrollen, als die reinen Fitness-Apps, die sich teils überhaupt keinen Qualitätskontrollen unterziehen müssen.

Eine wichtige Aufgabe der Ärzte ist es, die Patienten über die Sinnhaftigkeit einer App für deren jeweilige Belange aufzuklären. Doch müssen Ärzte hierfür auch ausgebildet werden. Sie müssen nicht nur lernen, wie man einen Brustkorb oder das Herz perkutiert und die Lungen abhört, sondern sollten sich mit den wichtigsten Apps auskennen, um Patienten Ratschläge geben können.

Was bedeutet für Sie die Sinnhaftigkeit einer App?

Momentan sehe ich, dass Menschen Apps mehr oder weniger willkürlich nutzen und ihnen vollkommen vertrauen. Wir erleben momentan eine Art kommerzieller Sucht, immer das Neueste ausprobieren zu wollen. Viel zu wenig wird hinterfragt, welchen Nutzen man aus den von Apps ermittelten Werten tatsächlich zieht und ob das irgendeinen Vorteil bringt.

Neben den zahlreichen Anwendungen fürs Mobiltelefon existieren auch diverse Gesundheitsportale. Wie sehen Sie die Entwicklung hier?

Gesundheitsportale gehen einen Schritt weiter als Apps, denn Patienten können ihre Symptome eingeben und erhalten anschließend eine Diagnose. Allerdings hat das British Medical Journal in einer Studie festgestellt, dass nur 30 bis 40 Prozent dieser Diagnosen präzise sind. Das ist eine erschreckend niedrige Erfolgsrate. Auch hier ist das Problem die fehlende Qualitätskontrolle. Bei Gesundheitsportalen wären diese aber gerade wichtig, denn hier werden Symptome diagnostiziert, die auf ernsthafte Erkrankungen verweisen. Vor diesem Hintergrund ist es absolut verständlich, dass es in Deutschland gemäß der Berufsordnung nach wie vor ein Verbot von Videosprechstunden gibt, solange der Arzt den Patienten nicht vorher gesehen hat.

Andererseits ist es sehr sinnvoll, dass gerade ältere Patienten, die unter hohem Blutdruck leiden, kardiologische Probleme haben oder Diabetiker sind, zu Hause ihre Herzfrequenz, ihr EKG oder ihren Blutzucker messen und diesen Wert dann dem Arzt durch einen Datenexport übermitteln können. Auf diese Weise kann der Arzt die Daten per Telefon mit dem Patienten besprechen und ihm Ratschläge geben. Möglich ist das, weil der Arzt den Patienten persönlich kennt und nur noch aktuelle Daten zur Kontrolle erheben muss.

Gibt es Entwicklungen in Ihrem Fach, die Ihnen gut gefallen?

Mit den neu entstandenen Tumorboards, die oft auch telemedizinisch durchgeführt werden,  sind unsere Erfahrungen wirklich exzellent. Durch diese Konferenzen ist die Qualität der Diagnostik für viele Patienten, die nicht in großen Städten wohnen, deutlich erhöht worden. Das ist ein wirklich entscheidender Fortschritt.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Grundsätzlich ist auf dem Gebiet der Fortbildung noch viel zu tun. Es gibt mittlerweile gute Apps auf dem Markt, die den Standard der Medizinprodukte erfüllen und Qualitätskontrollen unterzogen wurden. Dennoch sind solche Standards bei der Fachgesellschaft der inneren Medizin leider noch nicht richtig angekommen.

Man muss dieser Entwicklung mit großem Respekt und Vorsicht begegnen. Enthusiasmus und überbordende Begeisterung, ohne den Blick auf die Qualität zu haben, ist bei Medizinprodukten fehl am Platz. Deshalb haben wir vor rund einem Jahr eine Kommission „Telemedizin“ gegründet, die Geräte oder Anwendungen besprechen und dann publizieren soll. Dort soll auch über Qualitätsstandards und Fortbildungen der Ärzte gesprochen werden, damit diese die Patienten angemessen beraten können.


PROFIL:
Professor Dr. Ulrich Fölsch ist seit 2011 Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM e.V.). Der Mediziner ist Träger zahlreicher Auszeichnungen und leitete fast 20 Jahre die Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin am UKSH, Campus Kiel.

Info-Box:
In einer im April 2016 veröffentlichten Studie des Ärztenachrichtendienstes zeigte sich, dass 46 Prozent der Ärzte bereits mit Gesundheitsdaten konfrontiert wurden, die auf Smartphones gespeichert waren. Während nur rund 16 Prozent der Ärzte selbst bereits Apps getestet haben und 23 Prozent Gesundheits-Anwendungen selbst nutzen, sind 62 Prozent der Meinung, dass lediglich „einige wenige“ Smartphone Apps überhaupt hilfreiche Informationen lieferten. Lediglich 30 Prozent der Ärzte sehen eine Erleichterung durch Apps im Behandlungsalltag; 25 Prozent halten die Daten für unbedeutend.
Ein wichtiger Faktor ist auch die Datensicherheit. Nur vier Prozent aller befragten Mediziner glauben, dass Anwender sich über die Datenrisiken im Klaren sind, 43 Prozent hingegen sind der Überzeugung, dass die meisten Anwender diese Risiken komplett ausblenden. Aus diesem Grund befürworten 37 Prozent der Ärzte eine verpflichtende Kontrolle und 55 Prozent wünschen sich ein Qualitätssiegel für Gesundheits-Apps.

Die Ergebnisse der Studie können in der Pressemitteilung Healthcare Marketing eingesehen werden.

29.06.2016

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