Digitalisierung
eHealth, mHealth und andere Buzzwords
Die Welt der Technik ist schnelllebig und voll von Fachbegriffen und Termini, die kaum noch einer versteht, der nicht im Thema ist. Dies gilt auch für den Medizin- und Gesundheitsbereich. Zusätzlich zu eHealth gibt es jetzt auch noch mHealth und darüber hinaus die Frage, wer diese Begrifflichkeiten versteht und mit dem Fortschritt überhaupt noch mithalten kann. Im Rahmen der conhIT 2015 sprach die Redaktion mit Dr. med. Urs-Vito Albrecht, stellvertretender Direktor des Peter L. Reichertz Instituts für Medizinische Informatik der TU Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover über Begrifflichkeiten, Entwicklungen und die Schwierigkeiten der modernen Technologie.
Interview: Marcel Rasch
Zuerst eHealth, jetzt mHealth – worin unterscheiden sich diese beiden Begriffe und wer soll da noch durchblicken?
Der Begriffsdschungel ist in der Tat sehr dicht und es gibt diverse Wortkreationen zum Thema, doch eigentlich ist es gar nicht so schwierig: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht die Aufgabe von eHealth in der Förderung der allgemeinen Gesundheit, des Wissens und der Forschung sowie der Unterstützung der Gesundheitssysteme, Gesundheitsberichterstattung und Gesundheitsförderung durch Informations- und Kommunikationstechnologien. mHealth hingegen ist die Umsetzung dieser Ziele mit Mobiltechnologien, zum Beispiel Smartphones.
Sind wir in Deutschland denn auf dem Neuesten Stand der Technologie?
Deutschland ist, wie viele andere Länder auch, begeistert von den neuen Möglichkeiten und ich hatte mehrfach Gelegenheit, junge Entwicklerteams aus dem Start-Up-Bereich zu treffen, die innovative Ideen haben und einen hohen Qualitätsanspruch verfolgen. An Ideen und Umsetzungswillen mangelt es also nicht, nur sind die Rahmenbedingungen nicht ideal. Doch bewegt sich auf dem Gebiet eHealth/mHealth gerade politisch etwas und wir dürfen hoffen, dass hierdurch die Barrieren reduziert und weitere Entwicklungen ermutigt werden.
Welche neuen Entwicklungen haben Sie im Auge?
Es herrscht Aufbruchsstimmung und es wird alles ausprobiert. Derzeit liegen Entwicklungen für den Fitness-Bereich voll im Trend - mit oder ohne Zusatzgeräte. An neueren Entwicklungen lassen sich zunehmend die Auseinandersetzung mit medizinischen Themen ablesen. Entwickler stellen sich hier zunehmend die Frage, wie sie diagnostische Instrumente für den privaten und professionellen Einsatz als Smartphone-Lösungen anbieten können, wie sie für mehr Vernetzung unter Patienten und Ärzten sorgen oder Patienten beim Management ihrer Erkrankungen besser unterstützen können.
Und vor welchen Schwierigkeiten stehen wir hauptsächlich?
Natürlich sollen solche Projekte und Anwendungen auch denen zur Verfügung stehen, die sie benötigen, doch leider kommen viele Maßnahmen nicht über das Pilotstadium hinaus. Nachhaltigkeit stellt hier eine Schwierigkeit dar, die überwunden werden muss. Das gelingt mit einer sorgfältigen Planung, die Grundlage eines tragfähigen Geschäftsmodells sein muss. Qualitativ hochwertige Anwendungen sind in jeder Phase ihres Lebenszyklus mit Kosten verbunden - auch das ein Punkt, der leider häufig von enthusiastischen Entwicklern unterschätzt wird.
Meist ist die ältere Generation von chronischer Krankheit betroffen. Sind diese Menschen mit ihrer Krankheit nicht schon genug beschäftigt, um auch noch den Umgang mit neuen Technologien zu erlernen?
Verspricht eine technische Entwicklung einen individuell großen Nutzen, spielt das Alter eine untergeordnete Rolle. Menschen sind von Natur aus eher bequem und gleichzeitig neugierig. Wenn es eine Lösung gibt, die beide Elemente geschickt verbindet, wird der Nutzung der Technik nichts im Wege stehen. Wichtig ist, dass sich das Design von Hardware und Software idealerweise den körperlichen und geistigen Verhältnissen der Nutzer anpasst - leider wird dieses häufig noch wenig berücksichtigt. Wichtig ist zudem, ungeübten Nutzern Hilfestellung beim Kennenlernen dieser neuen Technologien zu bieten. Das gilt allerdings für alle Nutzer und alle Altersgruppen.
PROFIL:
Dr. med. Urs-Vito Albrecht, MPH, ist stellvertretender Direktor des hannoverschen Standorts des P. L. Reichertz Instituts für Medizinische Informatik der Technischen Universität Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Er ist außerdem Geschäftsführender Arzt der Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover. Dr. Albrecht leitet die multidisziplinäre Forschergruppe PLRI MedAppLab, die sich mit den ethisch-rechtlichen Rahmenbedingungen des medizinischen Einsatzes von Gesundheits-Apps auseinandersetzt. Zudem entwickelt die Gruppe zum gesamten Gesundheitsbereich eigene Anwendungen, die erfolgreich international eingesetzt werden.
17.04.2015