Scores helfen bei der Diagnostik von Leber und Milz
Die strukturierte Befundung ist ein zunehmender Trend in der Radiologie. Während in einigen Bereichen der Radiologie die Klassifikationen schon ziemlich ausgereift sind, wie zum Beispiel in der intensivmedizinischen Bildgebung und der Mammographie, können sich spezielle Scores in anderen Bereichen nur schwer durchsetzen.
Das gilt auch für die Organ Injury Scale (OIS) der American Association for the Surgery of Trauma (AAST), die schon vor über 20 Jahren als CT-Checkliste bei Leber- und Milztraumata entwickelt wurde. In einer retrospektiven Studie hat das Traumazentrum am Universitätsklinikum Münster von 2003 bis 2012 den Nutzen der OIS für die Klinik evaluiert.
Traumata der Leber und der Niere treten meist als Folge von Verkehrsunfällen auf. In der Nacht und am Wochenende stellt das eine Herausforderung dar, weil die Abteilung mit nur einem diensthabenden Radiologen dann dünn besetzt ist. „Wir hatten die Erwartung, dass es in der stressigen Traumasituation von Vorteil wäre, wenn der untersuchende Radiologe strukturiert nach einer vorgegebenen Checkliste den Befund abarbeiten kann. Allerdings hat sich gezeigt, dass die Studienergebnisse hinter unseren Erwartungen zurückbleiben, und dass die Akzeptanz unter den eigenen Kollegen noch schwierig ist“, erklärt Dr. Georg Homann, Studienleiter und Assistenzarzt am Institut für Klinische Radiologie der Universität Münster.
Bislang findet die OIS in der klinischen Routine in Deutschland keine Anwendung, einige wenige Zentren nutzen sie zu Studien- und akademischen Zwecken. Zum einen gibt es das eher pragmatische Problem des Mehraufwands, der durch das zusätzliche Beachten und Ausfüllen der Score-Anforderungen entsteht, andererseits hat die OIS aber auch ein Akzeptanzproblem. „Es gibt ein paar größere Studien aus der Schweiz und dem amerikanischen Raum, in denen man die Klassifikation und die daraus resultierenden Therapien untersucht hat. Das Ergebnis ist eine sehr inhomogene Beurteilung des Verletzungsgrads zwischen den verschiedenen Zentren und auch in den Krankenhäusern selbst. Hinzu kommt, dass die OIS einen relativ alten Score beinhaltet, der aktuelle Fragestellungen nicht zu 100 Prozent berücksichtigt. Mancher Kollege arbeitet da lieber nach seinem eigenen Schema weiter“, erklärt der Münsteraner Studienleiter.
Denn als der AAST-Score entwickelt wurde, waren viele Therapieverfahren, die heute zum Einsatz kommen, wie die Embolisation der Milz vor der Resektion, noch gar nicht bekannt und fanden somit auch keine Berücksichtigung. Zwar gibt es inzwischen auch jüngere adaptierte Scores, die die aktive Extravasation – also eine fokale, starke arterielle Blutung – oder die Ent stehung posttraumatischer Pseudoaneurysmen berücksichtigen, aber auch diese Klassifikationen haben Akzeptanzschwierigkeiten aufgrund unzureichender klinischer Evaluation.
Die großen Vorteile der OIS sieht Dr. Homann in der Vergleichbarkeit der Untersuchungsergebnisse, einer besseren interdisziplinären Kommunikation mit den Chirurgen und nicht zuletzt in einer schnelleren Diagnosestellung. „Alte und neue Befunde lassen sich miteinander vergleichen, der Schweregrad der Verletzung kann sicher beurteilt werden, und die Verletzung ist für den Radiologen leichter einzuordnen. Auch ein relativ unerfahrener Radiologe kann das Schema gut anwenden und es hilft dabei, keine größeren Verletzungen zu übersehen“, so Homann. Anhand der 53 eingeschlossenen Patienten konnte die Studie nachweisen, dass eine Beurteilung der Patienten nach der OIS keine Nachteile bringt, und dass es den Trend gibt, Diagnosen genauer zu erfassen und besser zu kommunizieren. Allerdings hält Dr. Homann die OIS nicht für das Nonplusultra. „Wir sind jetzt in einer Phase des kritischen Hinterfragens, zum Ende des Jahres streben wir ein prospektives Setting unter Berücksichtigung aktueller Fragestellungen an. Langfristig wird es sicher noch größere Scores geben, bei denen sowohl klinische als auch bildgebende Parameter einfließen werden“, ist sich Homann sicher.
IM PROFIL
Bereits in seiner Jugend hatte der Rheinländer Dr. Georg Homann mit innovativen Ideen Kontakt zur Forschung. Als Abiturient belegte er den fünften Platz beim Bundeswettbewerb „Jugend forscht“ im Fachgebiet Technik und im Rahmen der „Young Creation Fair“ in Tokio erhielt er den Future Creation Excellence Award. Das Medizinstudium absolvierte er an der RWTH Aachen, wo er über die „Modulation der Transmitterfreisetzung in vestibulären Typ-IIHaarzellen durch pharmakologische Inhibition von drucksensitiven Kaliumströmen“ promovierte. Seit 2011 ist er Assistenzarzt am Institut für Klinische Radiologie der Universität Münster.
Veranstaltungshinweis
Raum Rieder
Fr, 31.05., 15:25 – 15:35 Uhr
Zweckmäßigkeit der AAST Organ Injury Scale als CT-Checkliste bei traumatischen Leber- und Milzverletzungen
Homann G/Münster
Session: Intensivmedizin/Polytrauma
30.05.2013