Schwerverletzte profitieren von vernetzten Versorgungsstrukturen
Nach der Rettung und Erstversorgung eines Schwerverletzten müssen zwei für den Patienten überlebenswichtige Fragen beantwortet werden: In welche Klinik soll er gebracht werden? Wie viel Zeit nimmt dies in Anspruch? Ziel ist es, dass jeder Schwerverletzte innerhalb von rund 30 Minuten vom Unfallort in den Behandlungsraum eines geeigneten Krankenhauses transportiert werden kann. Welche Faktoren die Behandlungsqualität und die Überlebenswahrscheinlichkeit zusätzlich maßgeblich beeinflussen, zeigt ein Bericht des TraumaNetzwerkes (TNW) Ostbayern. Dieser wird anlässlich des 1. Jahreskongresses TraumaNetzwerk DGU in Marburg vorgestellt.
Insgesamt 25 Traumazentren sind zum TraumaNetzwerk Ostbayern zusammengefasst. Dieses besteht aus sogenannten Basisversorgern sowie regionalen und überregionalen Traumazentren. „Durch die Einrichtung des TNW Ostbayern konnten wir die Versorgung Schwerverletzter in der Region und die Vernetzung der Kliniken noch weiter verbessern“, berichtet Professor Dr. med. Michael Nerlich, vom überregionalen Traumazentrum am Universitätsklinikum Regensburg. Das zeigt unter anderem der Rettungs- und Behandlungsverlauf eines verletzten LKW-Fahrers in der deutsch-österreichisch-tschechischen Grenzregion Ostbayerns. Der Mann wurde beim Reifenwechsel durch das Abprallen eines Sprengrings im Gesichtsschädelbereich schwerst verletzt. Anfänglich noch spontanatmend, voll orientiert und ansprechbar, sollte der Patient mit einem Rettungswagen zur nächsten Klinik der Maximalversorgung transportiert werden. Kurz nach Antritt des Transportes verschlechterte sich der Zustand des Schwerstverletzten. Aufgrund der schweren Weichteil- und Gesichtsschädelverletzung entschloss sich der Notarzt, die nächstgelegene Klinik der Basisversorgung anzufahren und den Patienten unter klinischen Bedingungen in Kooperation mit der dortigen Anästhesie zu intubieren, also künstlich zu beatmen.
„Diese Entscheidung konnte nur getroffen werden, da diese Klinik Teil des TNW Ostbayern ist. Die Rettungsleitstellen und Notärzte sind ebenfalls in den Abstimmungsprozess einbezogen. Denn sie entscheiden über die Verteilung der Schwerverletzten. Ferner müssen entsprechend des Anforderungsprofils die jeweiligen Einrichtungen bestimmte personelle, räumliche und apparative Ausstattungsmerkmale und Ressourcen bereithalten“, so Nerlich. Dazu gehört zum Beispiel eine 24-stündige Verfügbarkeit von fachlicher Kompetenz und Strukturen zur Akut-Behandlung von Körperhöhlen- oder schweren Gliedmaßen-Verletzungen. Dies schließt auch die dazu notwendigen diagnostischen Möglichkeiten sowie entsprechende OP-Saal- und die Intensivbehandlungs-Kapazitäten ein. Basisversorger übernehmen demnach die chirurgische Notfallversorgung sowie im Verbund mit Traumazentren die Mit- und Weiterbehandlung entsprechend ihres Leistungsspektrums.
Intubiert und beatmet wurde der LKW-Fahrer vom Basisversorger in das nächste regionale Traumazentrum gebracht. Dort zeigte eine Computertomographie eine Epiduralblutung, also eine Hirnblutung, welche in dieser Klinik gestillt wurde. Regionale Traumazentren bieten, als Häuser der Maximal- oder Schwerpunktversorgung, umfassende Notfallversorgung in einem speziellen Leistungsspektrum. In diesem Fall handelte es sich um die medizinischen Kompetenz und Ausstattung, eine Hirnblutung zu diagnostizieren und zu behandeln.
Nach Stabilisierung des Patienten konnte am gleichen Tag sein Weitertransport in eine Klinik der Maximalversorgung erfolgen. Dort wurde seine Verletzung an den Augen mehrfach operiert. Das Augenlicht des Patienten bleibt erhalten. Überregionale Traumazentren, angesiedelt in Universitätskliniken, Kliniken der Berufsgenossenschaften und großen städtischen Häusern der Maximalversorgung, widmen sich der Behandlung von allen Schwerverletzten, insbesondere von Patienten mit speziellen Verletzungsmustern und -folgen. „Dieser Fall zeigt eindrücklich, wie die Kliniken eines TraumaNetzwerkes innerhalb eines Tages bei einem Patienten ineinandergreifen können. Denn durch standardisierte Diagnostik und Behandlung, aber auch Verlegungs-Strategien wird das Optimum für den Schwerverletzten erreicht. Ziel muss es sein, dies im gesamten Bundesgebiet zu erreichen“, so Nerlich.
Bild: geralt / pixelio
27.03.2009