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Artikel • Unterschätztes Volksleiden
„Schaufensterkrankheit“: Individualisierte Therapie zur Reduzierung von Schlaganfällen, Herzinfarkten und Amputationen
240 Millionen Menschen leiden weltweit unter der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK), die oft unter dem Namen „Schaufensterkrankheit“ verharmlost wird. Dabei handelt es sich um eine Volkskrankheit, die ein deutlich höheres Sterblichkeitsrisiko hat als manche Krebserkrankung, mahnt Professor Dr. Markus Steinbauer an. Neue Therapien sollen dieses Risiko nun senken und die Lebensqualität erhöhen.
Artikel: Sonja Buske
„Die pAVK wird oft unterschätzt, weil auf den ersten Blick nur die Beine und Arme betroffen sind“, weiß der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG) zu berichten. „Die Durchblutungsstörung hat aber auch Auswirkungen auf Herz, Bauchorgane und Halsschlagadern und ist deshalb so gefährlich.“ Eine Therapie, die für jeden Patienten passend ist, gibt es nicht, wie Studien gezeigt haben. Daher steht mittlerweile eine multimodale Behandlung im Vordergrund, bei der jeder Patient individuell betrachtet wird. Wichtig ist dabei das Stadium der Erkrankung. Steinbauer: „Steht die Erkrankung noch am Anfang, eignet sich eine konservative Behandlung. Dazu gehört die Reduzierung von Risikofaktoren wie Rauchen, hohem Blutdruck oder Stress. Dadurch kann bereits sehr viel erreicht werden.“ Ist die pAVK schon weiter fortgeschritten, kommen endovaskuläre Techniken zum Einsatz. „Bei Patienten mit sehr komplexen Verschlussmustern der Gefäße oder mit großen Wunden hilft hingegen oft nur eine Operation“, sagte Steinbauer im Vorfeld der 38. DGG-Jahrestagung.
Alternde Gesellschaft bringt Probleme mit sich
Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist das steigende Durchschnittsalter der Gesellschaft. Damit steigt auch die Anzahl der Patienten mit Begleiterkrankungen wie Demenz oder Bewegungsstörungen. „Hier müssen wir uns die Frage stellen, ob eine Behandlung überhaupt durchführbar ist“, gibt der Mediziner zu bedenken. Ist der Allgemeinzustand trotz eines hohen Alters gut, spielt die Vorbereitung auf die Behandlung eine wichtige Rolle. Steinbauer: „Durch eine individuelle Physio- und Ernährungstherapie können wir den Zustand der Patienten so weit verbessern, dass die Behandlung erfolgreicher wird und im Anschluss eine höhere Mobilität und Lebensqualität mit sich bringt.“ Dieses Vorgehen spricht mit einer Senkung der Amputationsrate um fast 40 Prozent in den letzten Jahren für sich. „Durch eine noch bessere Zusammenarbeit und Therapieplanung in den Gefäßzentren können wir diese Zahl noch weiter senken“, ist sich der Experte sicher.
Therapie auf mehreren Säulen
Professor Dr. Jörg Heckenkamp sprach sich ebenfalls dafür aus, die Therapie auf mehrere Säulen zu stellen und plädierte für eine Kombination aus Risikofaktoren-Minimierung, Bewegungstherapie, Änderung des Lebensstils, die minimal-invasive Beseitigung von Einengungen oder Gefäßverschlüssen sowie Nachkontrollen und eine medikamentöse Begleittherapie. Der Direktor des Zentrums für Gefäßmedizin am Marienhospital Osnabrück wies darauf hin, dass Begleitmedikamente den Verlauf der Erkrankung deutlich verbessern können. „Dadurch können wir in vielen Fällen eine Amputation vermeiden und Herzinfarkten sowie Schlaganfällen vorbeugen.“ Vielversprechend sind für ihn zudem die modernen Geräte, die mittlerweile bei der Behandlung zum Einsatz kommen: „Früher hat man ausschließlich mit einem Ballon gearbeitet, heute nutzen wir Laser. Medikamentenbeschichtete Stents sorgen zudem dafür, dass sich die Gefäße deutlich seltener wieder einengen und verschließen. Außerdem werden die Stents immer feiner und flexibler. Alles zusammen führt zu besseren Langzeitergebnissen“, fasst Heckenkamp zusammen.
25.10.2022