Artikel • Kampf dem Schmerz

Rückenschmerz: Es kann jeden treffen

Rückenschmerzen sind ein Volksleiden, rund 85 Prozent der Deutschen leiden einmal im Leben unter ihnen, bei etwa 20 Prozent handelt es sich um chronische oder chronisch rezidive Schmerzen.

Da Rückenschmerzen für etwa 31 Prozent der Krankmeldungen und für die Hälfte aller verfrühten Rentenanträge ursächlich sind, hat die erfolgreiche Behandlung der Erkrankung eine große soziale und wirtschaftliche Bedeutung. Die Gesamtkosten belaufen sich auf etwa 8 Milliarden Euro pro Jahr.

Klare Indikationen für die MRT

Die MR-Bildgebung ist äußerst hilfreich bei der Ursachenforschung, kommt aber nicht immer gleich zum Einsatz. „Bei akuten unspezifischen Rückenschmerzen wird zunächst keine Bildgebung gemacht, weil das hohe Folgekosten verursacht und häufig auch zur Chronifizierung und unnötigen Eingriffen führt. Gemäß den Leitlinien der Bundesärztekammer soll MR-Bildgebung erst bei sogenannten red flags gemacht werden oder bei subakuten oder chronischen Kreuzschmerzen, einmalig nach sechs Wochen Leitlinien-gerechter Therapie ohne Erfolg. Rote Fahnen können zum Beispiel der Hinweis auf einen Tumor, eine Infektion oder eine Fraktur sein, die auch osteo-porotischer Natur und ohne ursächliches Trauma sein kann. Oder es liegen radikuläre Symptome vor, also eine spezifische Reizung der Nervenwurzel, dann muss man davon ausgehen, dass „etwas auf den Nerv drückt“, erklärt Prof. Andrea Baur-Melnyk, Oberärztin des Instituts für Klinische Radiologie am Klinikum Grosshadern in München.

MRT: STIR, T1, T1 KM FS, 17-jähriger Mann mit seit Wochen zunehmenden...
MRT: STIR, T1, T1 KM FS, 17-jähriger Mann mit seit Wochen zunehmenden Rückenschmerzen. In der CT zeigte sich eine Osteolyse. Im MRT sieht man eine intravertebrale Bandscheibenherniation, sog. akute Schmol‘sche Hernie. Schwachstellen in einer Wirbelkörperabschlußplatte können zu einer Herniation von Bandscheibengewebe in den Wirbelkörper hinein führen und eine ödematöse Reizreaktion im Knochenmark auslösen. Diese ist meist sehr schmerzhaft, heilt aber in der Regel von alleine aus.

Radikuläre und nichtradikuläre Symptomatik

Die weitaus häufigste radikuläre Symptomatik wird durch einen Bandscheibenprolaps verursacht. Aber auch ein Tumor oder Synovialzysten, die vom Facettengelenk ausgehen, können die Reizung und den Druck auf die Nervenwurzel ausüben. Und was viele nicht wissen, ein Anulusriss in der äußeren Zone der Bandscheibe kann auch zu empfindlichen Reizreaktionen im Epiduralraum und zu radikulärer oder pseudoradikulärer Symptomatik führen.

Wenn keine radikuläre Symptomatik besteht, gibt es ganz unterschiedliche Ursachen für die Rückenschmerzen. Baur-Melnyk: „Ganz häufig ist es eine muskuläre Dysbalance. Oftmals haben die Patienten eine primäre Fehlhaltung oder degenerative Veränderungen und dann entwickelt sich Muskelhartspann. Dies ist bildgebend nicht darstellbar und eine klinische Diagnose. Die andere große Gruppe sind degenerative Veränderungen wie die erosive Osteochondrose mit Knochenmarködem. Sie führt ursächlich häufig zu Kreuzschmerzen, dabei können sich die Patienten häufig nicht aus dem Liegen aufrichten, sondern rollen sich aus dem Bett heraus. Das kann ein bis zwei Jahre dauern und heilt in der Regel von alleine aus. Bei einer deutlichen Mikroinstabilität und wenn der Schmerz konservativ nicht beherrschbar ist, muss operiert/verblockt werden.

Eine ganz häufige Ursache von Rückenschmerzen bei Erwachsenen ist auch die aktivierte Spondylarthrose. Es liegt eine Arthrose im Facettengelenk vor und diese kann aktiviert sein, also mit Erguss und Ödembildung einhergehen, was lokale Nerven reizt. Weiterhin gibt es auch noch entzündliche Erkrankungen, wie bakterielle Spondylodiszitis oder nicht bakterielle rheumatischen Erkrankungen, wie M. Bechterew und Spondylarthropathien.

Im MRT können alle diese Faktoren, Frakturen und degenerative, entzündliche und tumoröse Erkrankungen nachgewiesen werden.

Prof. Dr. Baur-Melnyk

Ursächlich für Rückenschmerzen können auch Wirbelfrakturen sein, traumatische und akut osteoporotische. Gelegentlich auch eine sakrale Insuffizienzfraktur, eine spontane Fraktur des Kreuzbeins, die vor allem bei älteren Patientinnen in der Menopause oder auch nach Bestrahlungen in dem Bereich auftreten. Dann gibt es noch die primären und sekundären Knochentumore. Zu den häufigsten primären Tumoren, die in der Wirbelsäule auftreten, gehört das gutartige Osteoidosteom. „Wenn alle diese Ursachen für Rückenschmerzen ausgeschlossen werden können, muss man auch an nicht-vertebragene Ursachen denken, wie ein Aortenaneurysma, das in den Rücken ausstrahlen kann oder an gynäkologische oder urologische Ursachen wie Nierensteine. Relativ häufig sind auch psychosomatische Ursachen. „Im MRT können alle diese Faktoren, Frakturen und degenerative, entzündliche und tumoröse Erkrankungen nachgewiesen werden, außer der muskulären Dysbalance, die eine rein funktionelle Sache ist“, schildert die Oberärztin.

STIR und Spezialsequenzen

Als Standard-Protokoll verwendet sie eine T1 und T2 gewichtete Spinechosequenz und dann jeweils sagittal und axial eine T2 gewichtete Spinechosequenz. Zum Standard in Großhadern gehört ebenfalls eine sagittale STIR-Sequenz. Dies ist insbesondere hilfreich zum Nachweis entzündlicher Veränderungen, Ödeme, und von Knochenmetastasen und -tumoren. Die „STIR ist einfach die sensitivste Sequenz, eine Art Suchsequenz, alles was hier leuchtet ist pathologisch, entweder entzündlich oder tumorös. Um das zu unterscheiden, muss man die morphologischen Zeichen lesen. Hierbei kann auch die Gabe von Kontrastmittel helfen, insbesondere um epidurale und paravertebrale Abszesse nachzuweisen.“ Bei den Spezialsequenzen, wie den diffusionsgewichteten Sequenzen, hat sich in den letzten Jahren herausgestellt, dass sie im Ganzkörper MRT eine erhöhte Sensitivität beim Nachweis von Metastasen und eine erhöhte Spezifität haben, weil sie eine sichere Unterscheidung zwischen Ödemen und tumorösen Gewebe ermöglichen. Der Tumor zeigt sich in der Diffusion hell, wohingegen Ödeme aufgrund der vermehrten Wassereinlagerung zu einem Signallabfall führen.

In den vergangenen Jahren hat die Diffusion zunehmend an Gewicht gewonnen.

Prof. Baur-Melnyk

„In den vergangenen Jahren hat die Diffusion zunehmend an Gewicht gewonnen. Wir haben 1998 als Erste weltweit mit der Diffusion außerhalb des Gehirns begonnen und konnten damit erstmals spotane osteoporotische von tumorösen Wirbelfrakturen sicher differenzieren. Inzwischen ist das eine etablierte Technik, die auch im Abdomenbereich und bei fast jedem Organ angewendet wird.“

Aber auch die Perfusion ist im Kommen. Denn mit diesen neueren Sequenzen versucht man Kriterien für die Differentialdiagnose an die Hand zu bekommen. Bei unklaren Veränderungen im MRT empfiehlt Prof. Baur-Melnyk auf jeden Fall eine CT zu machen, um den Knochen zu sehen und so mögliche Osteolysen oder Destruktionen nachzuweisen. „Gerade bei unklaren Knochenmarkläsionen ist die CT als wichtige komplementäre Bildgebung zu sehen, insbesondere, wenn man sich nicht ganz sicher ist, ob entzündliche, tumoröse oder degenerative Veränderungen vorliegen.“

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Prof. Dr. Andrea Baur-Melnyk

Profil:
Prof. Dr. Andrea Baur-Melnyk übernahm 2003 als Oberärztin die Funktionsleitung über die Allgemeine Radiologie am Institut für Klinische Radiologie in Grosshadern und habilitierte mit einer Arbeit über die Wertigkeit der MRT in der Diagnose und Prognose des multiplen Myeloms. Die Berufung zur außerplanmäßigen Professorin erfolgte 2010. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der muskuloskelettalen Bildgebung der Orthopädie und der physikalischen Medizin, bei Knochen- und Weichteiltumoren und in der Ganzkörperbildgebung/Präventivmedizin.

02.02.2017

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