Radiologie bietet besondere Chancen für Eltern

Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren ist in Kliniken mit Schichtdiensten und Überstunden ein schwieriges Unterfangen. Wie erleben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Radiologie den Spagat zwischen dem beruflichen und privaten Alltag? Und wie können Arbeitsplätze attraktiver für Frauen und Männer mit Familien gestaltet werden? Diesen Fragen ist Dr. Bogata Dora Bundy, Assistenzärztin in der Diagnostischen und Interventionellen Radiologie, Universitätsklinikum Heidelberg, in einer Umfrage nachgegangen. Die Ergebnisse präsentiert sie nun auf dem Röntgenkongress. Susanne Werner, European Hospital, hat sie dazu befragt.

Photo: Radiologie bietet besondere Chancen für Eltern

Während des Medizinstudiums sind Frauen deutlich in der Mehrheit. Wie hoch ist denn der Frauenanteil in der Radiologie?
Dr. Bundy: Unter den Radiologen in Deutschland ist etwa jeder Zweite eine Frau, in anderen europäischen Ländern wie z.B. Lettland und Estland liegt der Frauenanteil allerdings bereits bei über 70 Prozent. Unter allen Medizinstudierenden lag 2010 der Frauenanteil bei etwa 64 Prozent, Tendenz steigend. Der Blick in die Statistiken zeigt vor allem, dass die Zahl der Frauen zwischen Examen und Facharztanerkennung, beziehungsweise auf dem Weg von Promotion zu Habilitation deutlich zurückgeht. Das ist genau die Phase, wenn die Frauen um die 30 Jahre alt sind und sich häufig zusätzlich auf Familie und Kinder konzentrieren.


Sie haben die Beschäftigten in acht radiologischen Abteilungen in Nordbaden befragt, darunter Mitarbeiter der unterschiedlich spezialisierten Radiologischen Abteilungen des Universitätsklinikums Heidelberg, des Deutschen Krebsforschungszentrums und des Städtischen Klinikums Karlsruhe. Bestätigt sich das Bild auch in Ihrer Umfrage?
Dr. Bundy: Ja, auch hier geht der Frauenanteil mit jedem Karriereschritt zurück. Während bei den Assistenzärzten und unter den promovierten Kollegen in der Radiologie in unserer Umfrage noch mehr als die Hälfte Frauen waren, stellten die Männer mit etwa zwei Dritteln unter den Oberärzten deutlich die Mehrheit. Und unter den Habilitierten gab es in unserer Umfrage nur Männer.


Liegt es an den beruflichen Strukturen oder an der familiären Rollenverteilung, dass gut ausgebildete Frauen ihren Beruf gar nicht oder nur eingeschränkt ausüben?
Dr. Bundy: Da wirkt beides zusammen. Die familiäre Rollenverteilung ist in vielen Familien weiterhin traditionell geprägt. Selbst wenn Frauen beruflich hervorragend qualifiziert sind, widmen sie sich mehr ihren Kindern und erledigen die Familienarbeit. Wir haben 115 Fragenbögen verteilt und 87 Antworten erhalten. Unter denen, die geantwortet haben, waren 68 Prozent weiblich und 31 Prozent männlich. 46 Prozent von ihnen hatten Kinder. Während bei den Vätern zu 42 Prozent die Partnerin zu Hause war, wurden die Mütter nur zu 18 Prozent von ihrem Partner zu Hause unterstützt. Nur Frauen mit Kindern hatten eine Teilzeitstelle. Die Umfrage zeigt aber auch, dass sich die Einstellung der Männer verändert. Etwa drei Viertel der befragten Männer äußerten den Wunsch, selbst Elternzeit in Anspruch zu nehmen und die überwiegende Anzahl der Männer sprach sich auch für flexible Arbeitszeitmodelle aus. Zusätzlich stand das Kriterium „Gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ bei der Begründung für die Wahl des Faches Radiologie nach den Kriterien „Interesse“ und „Forschung“ bei den Männern an dritter Stelle und bei den Frauen sogar an zweiter Stelle nach „Interesse“.


Ist die Radiologie besser als andere Fachrichtungen der Medizin geeignet, eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten?
Dr. Bundy: Ja, die Befragten bewerten die Radiologie in dieser Hinsicht prinzipiell gut, vor allem Arbeitsplätze in Praxen und in Forschungsinstituten, da hier zusätzlich zumeist keine Dienste anfallen. Dieser fachspezifische Vorteil der Radiologie hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zeigt sich nach Meinung der Befragten allerdings noch nicht in Häusern der Maximalversorgung. Insgesamt 70 Prozent der befragten Männer und 34 Prozent der befragten Frauen finden, dass das Fach Radiologie besser als andere Fachrichtungen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht. Begründet wird dies vor allem mit dem Hinweis, dass sich das Arbeiten selbstständig organisieren lässt und nicht so abhängig ist von anderen Abläufen im Klinikbetrieb, wie das zum Beispiel auf einer Station der Fall ist. Das ist angesichts des sich abzeichnenden Ärztemangels eine große Chance für unser Fach.


Was sind zentrale Herausforderungen auf dem Weg zu einer besseren Vereinbarkeit?
Dr. Bundy: Unsere Umfrage und andere Studien zeigen, dass das Gesundheitswesen sehr viele gut ausgebildete, junge Fachkräfte nicht nur, aber auch aufgrund der Unvereinbarkeit von Familie und Beruf verliert. Die spezielle Arbeitsweise in der Radiologie bietet Chancen, die Abläufe so zu gestalten, dass sie auch für Frauen und Männer mit Kindern attraktiv sind. Ein zentrales Problem sind vor allem die fehlenden, möglichst betriebseigenen Kinderbetreuungsmöglichkeiten mit entsprechenden Öffnungszeiten und flexible Arbeitszeiten mit planbarem Arbeitsende. 87 Prozent der Befragten wünschten sich in unserer Umfrage eine Kinderbetreuungseinrichtung in Kliniknähe.


Fließen die Ergebnisse Ihrer Umfrage, in die weitere Entwicklung an der Klinik ein?
Dr. Bundy: Wir arbeiten gerade an einem neuen Dienstmodell für die Radiologische Abteilung und ich hoffe, die Ergebnisse unserer Umfrage werden hier mit einfließen. Die zentrale Herausforderung allerdings ist, für dieses wichtige Anliegen ein Problembewusstsein zu schaffen. Letztlich muss die Frage, wie Arbeitsplätze familienfreundlich zu gestalten sind, zur Chefsache werden.
 

02.06.2011

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