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Dem Peritoneum mehr Raum geben
In der abdominalen Radiologie gibt es Spezialisten für Organe wie Leber, Pankreas oder Darm. Das Peritoneum jedoch ist verwaist, kaum jemand widmet sich explizit seinen feinen Anatomien und Besonderheiten. Zu Unrecht, findet Prof. Dr. Johannes Wessling. Der Leiter der Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie und Neuroradiologie des Clemenshospitals Münster setzt sich dafür ein, Peritoneum und Mesenterium als eigenes Organ zu begreifen und in der medizinischen Ausbildung stärker zu berücksichtigen.
Report: Sonja Buske
„Es gibt viele Erkrankungen, die sich im Peritoneum ausbreiten, und zu teils skurrilen diagnostischen Bildern führen. Darunter fallen insbesondere Tumorerkrankungen im Rahmen einer Peritonealkarzinose“, weiß Wessling. „Ominöse Tumorknoten irgendwo in der Bauchhöhle überfordern nicht wenige Assistenzärzte. Sie können oft weder sagen, wo sich der Knoten genau anatomisch befindet, noch wie er dorthin gekommen ist. In der Routine fehlt es oftmals an Expertise sowie an anatomischer Kenntnis. Diesem Wissensdefizit muss unbedingt begegnet werden.“ Wichtig ist dem Radiologen daher auch, dass Begrifflichkeiten klarer werden. So sei es notwendig zwischen intraperitoneal, subperitoneal, transperitoneal und retroperitoneal zu unterscheiden. „Gerade im Subperitonealraum gibt es viele eigenständige Pathologien wie z.B. die Pannikulitis oder sklerosierende Mesenteritis wie aber auch Metastasen diverser Tumoren. Damit sollten wir uns vertraut machen“, findet Wessling.
Peritoneum in den Vortragskatalog übernehmen
Die Arbeitsgemeinschaft Abdominal- und Gastrointestinaldiagnostik der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG), in dessen Vorstand Wessling ist, hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, das Thema stärker nach außen zu tragen. Bei Kongressen und Fortbildungen soll das Peritoneum systematisch als Teil der Vortragsreihen aufgenommen werden. „Es gibt hier viel Wissensdurst und einen großen Bedarf an Fortbildungen. Bisher ist das Thema deutlich unterrepräsentiert, doch viele Ärzte sind für „Nachhilfe“ auf diesem Gebiet dankbar“, berichtet Wessling.
Er empfindet es als große Hilfe im praktischen Alltag, wenn man sich im Bauchraum orientieren und Pathologien anhand ihrer anatomischen Ausdehnung erkennen und verstehen kann. Dafür müssten basisanatomische Kenntnisse auf das CT- oder MRT-Bild übertragen werden. „Eine gute Orientierung können Ligamente und Faszien bieten. Außerdem sollten Ärzte wissen, entlang welcher Strukturen sich beispielsweise Magen, Pankreas- oder Kolonkarzinome ausbreiten und wo natürliche Grenzen eine weitere Ausdehnung verhindern. Zudem erlaubt die genaue anatomische Zuordnung von Krankheitsmanifestationen auch Rückschlüsse auf den Ursprung der Erkrankung, womit die Differentialdiagnose signifikant eingegrenzt werden kann. Derart präzise Angaben helfen wiederum den zuweisenden Kollegen, eine zielgenaue weitere Abklärung und Behandlung einzuleiten. Wessling ist überzeugt: „Wir Radiologen müssen mit anatomisch versierten Kollegen wie beispielsweise den Chirurgen eine gemeinsame Sprache auf Augenhöhe sprechen. Nur so werden wir als kompetente Partner in Diagnostik und Therapie wahrgenommen.“
Profil:
Prof. Dr. Johannes Wessling leitet seit 2013 das Zentrum für diagnostische und interventionelle Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin des Clemenshospitals und der Raphaelsklinik Münster. Davor war er als stellvertretender Direktor am Institut für Klinische Radiologie des Universitätsklinikums Münster tätig. 2013 erhielt er von der Deutschen Röntgengesellschaft den Friedrich-Wachsmann-Preis für Fort- und Weiterbildung. Er ist seit 2014 im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft (AG) Abdominal- und Gastrointestinal-diagnostik der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) und vertritt seit 2019 als Mitglied des Vorstandes der deutschen Röntgengesellschaft die Interessen der deutschen Krankenhausradiologie.
05.11.2020