Quelle: Universität Marburg
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Provisorische Beatmungsgeräte bestehen Eignungstest
Provisorische Beatmungsgeräte erfüllen die technischen und physiologischen Mindestanforderungen, um Engpässe aufzufangen, die bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Atemnot auftreten können. Das haben Marburger Forscherinnen und Forscher aus der Physik, der Informatik und der Medizin gezeigt, indem sie Messungen an selbst entwickelten Hilfsmitteln durchführten.
Welle folgt auf Welle: Seitdem sich SARS-CoV-2-Infektionen zu einer Pandemie ausgewachsen haben, rückt die Verfügbarkeit von Beatmungsgeräten immer wieder in den Fokus von Öffentlichkeit und Politik, da solche Apparate zur klinischen Versorgung von COVID-19-Fällen benötigt werden. „Wir schlagen eine Lösung vor, durch die sich mit minimalem Aufwand Notfallbeatmungsgeräte herstellen lassen, die sich für die Behandlung minder schwerer Atemnot eignen“, erklärt der Physiker Dr. Johnny Nguyen von der Philipps-Universität Marburg, der als Erstautor der aktuellen Veröffentlichung firmiert.
Die Gruppe entwickelte einfache Ersatzgeräte, die bei Patientinnen und Patienten mit milden Atembeschwerden eingesetzt werden können, wenn Beatmungsgeräte knapp werden; so bleiben die hochwertigen Standardgeräte den schweren Fällen vorbehalten.
Die Forscherinnen und Forscher verfolgten dabei die Strategie, so genannte CPAP-Maschinen umzubauen – das sind Apparate für den heimischen Gebrauch, die das nächtliche Atmen bei Personen unterstützen, die unter Atemaussetzern im Schlaf leiden.
Das Team entwickelte ein elektronisch gesteuertes Bauteil, um damit CPAP-Geräte umzurüsten. Dadurch können diese als Beatmungsgeräte mit geringem Druck fungieren. Das Bauteil, genannt CARL, enthält ein Ventil, das den Luftstrom des Ausgangsgerätes steuert, so dass die Atmung der Patienten ersetzt oder unterstützt werden kann.
Betroffenen nach ein paar Tagen so weit erholt haben, dass sie weniger intensiv beatmet werden müssen, könnte das Provisorium zum Einsatz kommen. Dann wären die klinischen Standard-Beatmungsgeräte wieder frei für den nächsten schweren Fall.
Jetzt legt die Forschungsgruppe Messdaten zur Funktion des Gerätes vor. Dabei kam eine künstliche Lunge zum Einsatz, an der das Team sein Beatmungsprovisorium ausprobierte und Beatmungsdruck, Atemfluss sowie Atemvolumen maß.
Die Ergebnisse belegen, dass mit der umgebauten Maschine dauerhaft ein Mindest-Beatmungsdruck von mehr als 5 cmH2O erzielt wird, wie er für die Beatmung von COVID-19 Fällen erforderlich ist. Außerdem reagiert der Apparat darauf, ob der oder die Betroffene selbständig atmet oder nicht. Das Bauteil bringt also die technischen Voraussetzungen mit, um in der klinischen Versorgung eingesetzt zu werden.
Die Forschungsgruppe verfolgte außerdem noch einen weiteren Ansatz, um einem Engpass an Beatmungsgeräten vorzubeugen. Hierfür nutzte es Beatmungsbeutel, so genannte „Ambu-Beutel“. Diese Hilfsmittel kommen in der Ersten Hilfe zum Einsatz, wobei ein Plastikbeutel von Hand zusammengedrückt wird, um Luft in die Lunge des Patienten zu pressen.
Das Team fertigte zwei Apparate, die den Beatmungsbeutel in regelmäßigem Takt kneten. Im Vergleich mit einer handelsüblichen Beatmungsmaschine schnitten die provisorischen Apparaturen nicht schlechter ab, ergab die wissenschaftliche Begutachtung. „Unsere Modelle sind zwar nicht so flexibel wie das kommerzielle System, erfüllen aber mit einigen Einschränkungen die Standards, die zur Behandlung von akuter Atemnot erforderlich sind“, schreibt der Physiker Dr. Enrique Castro-Camus in einem Fachaufsatz. Auch Ärzte des Uniklinikums Marburg bestätigen, dass die Geräte einsatzfähig wären.
Die Forscher berichten in „Scientific Reports“ über die Ergebnisse.
Quelle: Universität Marburg
12.06.2021