News • Darmkrebs-Forschung

Protein verhindert Tumorbildung in Darmschleimhaut

Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), der Universität und vom Universitätsspital Zürich sowie vom Beatson Institut in Glasgow haben bei Mäusen mit MLC1 ein Protein identifiziert, das offenbar vor Darmkrebs schützt.

Bislang war MLC1, das den programmierten Zelltod verhindert, als Zielstruktur neuer Krebstherapien untersucht worden. Die aktuellen Ergebnisse zeigen jedoch, dass ein Einsatz von MCL1-Hemmern zwar Tumorzellen in den Zelltod treibt, aber außerdem Entzündungen induziert und so die Entstehung neuer Tumoren fördern kann.

Die Forscher veröffentlichen ihre Erkenntnisse jetzt im Journal Gastroenterology.

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Gewebeschnitt Dickdarm einer Maus mit chronischer Kolitis, die der chronische Entzündung beim Menschen sehr ähnlich ist. Pfeile zeigen den Zelltod (Nekrose oder Apoptose). Sterne markieren die Entzündungsherde.

© DKFZ

Darmkrebs ist weltweit die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache. Obwohl einige Betroffene eine genetische Veranlagung aufweisen, treten die meisten Fälle spontan auf. Eine nun veröffentlichte Studie wirft ein neues Licht auf den Beginn dieser Erkrankung: Ein internationales Team konnte an Mäusen nachweisen, dass das Protein MCL1 dazu beiträgt, die Darmschleimhaut intakt zu halten, und dadurch auch vor Darmkrebs schützen könnte. Das Projekt wurde von Mathias Heikenwälder vom DKFZ in Kooperation mit Kollegen von der Universität und vom Universitätsspital Zürich sowie vom Beatson Institut in Glasgow geleitet.

Für ihre Untersuchungen veränderten die Wissenschaftler das Erbgut von Mäusen so, dass die Zellen der Darmschleimhaut kein oder weniger MCL1-Protein produzierten. Normalerweise hemmt dieses Protein den Zelltod und trägt so zum richtigen Verhältnis zwischen absterbenden und neu gebildeten Zellen in der Darmschleimhaut bei. Der Verlust der MCL1-Funktion führte bei den Mäusen zu einer irreparablen Schädigung des Darms und in der Folge zur Entstehung von Tumoren. Ähnliche Veränderungen lassen sich auch im Darm von Menschen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen beobachten, die ebenfalls ein erhöhtes Darmkrebs-Risiko haben.

Ist der Tumor erst einmal fortgeschritten, bringt ihm eine hohe MLC1-Expression, die den Zelltod Apoptose verhindert, deutliche Wachstumsvorteile

Mathias Heikenwälder

Die Rolle chronischer Entzündungen bei der Entstehung von Darmkrebs ist seit langem bekannt, und sie wurden bisher als ein wesentlicher Auslöser angesehen. „Bemerkenswert ist, dass ein Mangel oder eine Reduktion an MCL1 auch ohne eine von Bakterien erzeugte Entzündung zu Darmkrebs führt", sagt Heikenwälder. Dies zeigte sich an Mäusen, die ohne MCL1-Protein in einer keimfreien Umgebung gehalten wurden. „Das bedeutet, dass allein der Verlust bestimmter Gene oder die Reduktion deren Genprodukte offenbar ausreicht, um die Entstehung von Darmkrebs voranzutreiben – auch unabhängig von einer mikrobiell bedingten Entzündung. Diese Erkenntnis fördert unser Verständnis für die kritischen frühen Schritte bei der Entstehung von Darmkrebs erheblich", so der DKFZ-Forscher.

Ein überraschender Befund: In einigen Tumorarten – einschließlich Darmkrebs – gibt es im fortgeschrittenen Zustand zu viel statt zu wenig MCL1-Protein. „Für die Initiierung von Tumoren ist es vorteilhaft, MLC1 zu reduzieren. Doch ist der Tumor erst einmal fortgeschritten, bringt ihm eine hohe MLC1-Expression, die den Zelltod Apoptose verhindert, deutliche Wachstumsvorteile", erklärt Heikenwälder. Heute werden bereits Wirkstoffe, die die Funktion von MLC1 hemmen, in präklinischen Studien untersucht. Die Ergebnisse der aktuellen Arbeit zeigen jedoch, dass nicht nur die Überproduktion, sondern auch der Mangel an MCL1 schädlich sein kann. Möglicherweise löst der – vielleicht nur vorübergehende – Verlust der MCL1-Funktion eine Störung der Darmschleimhaut und die ersten Schritte der Tumorentwicklung aus. „Die Regulierung dieses Proteins ist eine Gratwanderung", so Mathias Heikenwälder. „Setzt man MCL1-Hemmer ein, so fördert dies möglicherweise gleichzeitig die Initiation neuer Tumoren. Deshalb wäre es wichtig, Wirkstoffe zu finden, die hier spezifischer und selektiver eingreifen."


Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)

24.03.2020

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