Intensivpflege
NRW: Studie zu selbstorganisierten "Beatmungs-WGs"
Eine Pilotstudie der Uni Witten/Herdecke erfasst erstmals die Lebenssituation von Patienten, die außerhalb von Krankenhäusern Intensivpflege erhalten.
In NRW leben 199 Menschen in 73 selbstorganisierten Wohngemeinschaften für technologieabhängige Menschen – und damit sind keinesfalls Handy- oder Internetsüchtige gemeint, sondern Menschen, die im Wachkoma liegen, schwere Lungenkrankheiten haben oder eine Querschnittslähmung ab den oberen Wirbeln. Diese Zahlen sind das Ergebnis einer Pilotstudie von Pflegewissenschaftlern der Universität Witten/Herdecke im Auftrag des NRW-Gesundheitsministeriums. Die von Barbara Steffens geleitete Behörde ist auch dafür zuständig, Mindeststandards von Wohn- und Betreuungsangeboten für ältere Menschen und Menschen mit Behinderung festzulegen. 2012 war es in Köln zu einem Todesfall in einer Einrichtung gekommen, in der ein Pflegedienst mehrere Menschen versorgte, die beatmet werden mussten. "Neben diesen Einrichtungen von Anbietern gibt es aber auch selbstorganisierte Wohngemeinschaften, in denen Menschen gepflegt werden, die sonst auf einer Intensivstation liegen würden. Aber niemand kannte die Zahl und die Lebenssituation dieser Menschen", erklärt Prof. Christel Bienstein den Anlass der Studie.
Von den 199 Patienten (Stand Ende 2013) haben 58 eine schwere Lungenkrankheit und 57 Erkrankungen des Nervensystems. 44 liegen im Wachkoma, zehn haben eine "hohe" Querschnittslähmung, sind also ab den Schultern bewegungsunfähig. Die verbleibenden 30 verteilen sich auf sehr unterschiedliche Krankheitsbilder. 91 von ihnen sind über 60 Jahre alt, 70 Patienten sind zwischen 26 und 60, es gibt aber auch Kleinkinder, Kinder und Jugendliche, die versorgt werden müssen. Viele dieser Patienten werden über 24 Stunden beatmet.
Mit 21 dieser Patienten, Pflegenden und Angehörigen haben die Wittener Pflegewissenschaftler Interviews geführt: Sie loben die intensivere und raschere Versorgung durch das höhere Verhältnis von Pflegenden in den "Beatmungs-WGs", einige berichten sogar, dass sich durch die umfassende Unterstützung ihr Gesundheitszustand deutlich verbessert habe und erleben die Möglichkeit, das eigene Zimmer beziehungsweise die Wohnung persönlich zu gestalten sehr positiv im Gegensatz zu ihren Aufenthalten in Krankenhäusern. Die Forschergruppe konnte erste Empfehlungen für die Versorgung von Menschen in Beatmungs-Wohngemeinschaften aussprechen.
Sie befürworten die im neuen Gesetz vorgesehene Förderung von Wohngemeinschaften für technologieabhängige Menschen, speziell die Förderung von "selbstverantworteten" Wohngemeinschaften, bei weiterhin transparenten und veröffentlichen Förderkriterien. Die vorhandenen Leitlinien, Empfehlungen, Konventionen sollten zu einer Richtlinie zusammengefasst werden. Expertenrunden mit allen Beteiligten, insbesondere die Vertreter der Menschen und ihrer Angehörigen, die in selbstverantworteten Wohngemeinschaften leben, sollten regelmäßig einberufen werden. Sozialdienste in Kliniken und Rehabilitationseinrichtungen, Verbraucherzentralen und Pflegestützpunkte sollten die Voraussetzungen kennen und Interessenten gezielt beraten können.
Quelle: Pressemitteilung der Universität Witten/Herdecke
20.03.2015