Neuer Schnelltest kann Demenz-Biomarker frühzeitig anzeigen

Mit einem neuartigen Messsystem lassen sich jetzt Demenzerkrankungen wie etwa Tauopathien frühzeitig diagnostizieren und differenzieren. Lübecker Wissenschaftler haben ein In-vitro-Verfahren entwickelt, das deutlich empfindlicher, genauer und kostengünstiger ist als bisherige Tests.

Q-MAP
Foto: www.atto-lab.com
Q-MAP
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"Zur Früherkennung etwa von Morbus Alzheimer eingesetzt könnten sich für das Gesundheitssystem und die Volkswirtschaft dabei Kosteneinsparungen in Milliardenhöhe ergeben", sagte Constantin Odefey, Forschungsleiter und Geschäftsführer der ATTO-LAB GmbH, kürzlich auf den Deutschen Biotechnologietagen in Stuttgart. Durch frühe Diagnose und Behandlung könnte sich der klinische Krankheitsausbruch von Morbus Alzheimer möglicherweise um Jahre aufschieben lassen.

Tauopathien sind eine Gruppe neurodegenerativer Erkrankungen. Dazu gehören neben Morbus Alzheimer beispielsweise die Frontotemporale Demenz. Diese Erkrankungen haben eines gemeinsam: Das Tau-Protein lagert sich in Form von neurofibrillären Bündeln im Gehirn ab.
Speziell bei der Alzheimer-Demenz ist das Protein zudem übermäßig mit Phosphatgruppen beladen. Die Diagnostik von Tauopathien ist schwierig und teuer. Neben neuropsychologischen Tests werden bildgebende Verfahren wie die Positronenemissionstomografie und funktionelle Magnetresonanztomografie eingesetzt sowie Liquoruntersuchungen auf Biomarker durchgeführt. Aufgrund der komplexen Krankheitsbilder von Tauopathien muss man mehrere Biomarker analysieren und ihre Konzentrationen in Kombination betrachten. Einen Goldstandard gibt es bisher allerdings nicht. Allein für die Alzheimer-Diagnose werden derzeit rund 50 verschiedene Biomarker diskutiert.

Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts haben die Wissenschaftler ein Proteinanalysegerät entwickelt, das jetzt für die klinische Diagnostik zugelassen wurde. "Mit dem 'Q-MAP Proteinanalyser' können wir das Tau-Protein, Phospho-Tau und andere spezifische Protein-Biomarker wie das für Morbus Alzheimer typische Beta-Amyloid 1-42 bereits in attomolaren Konzentrationen (Trillionstel Mol) nachweisen", erläuterte Odefey. Das Q-MAP-System basiert auf einer Laserdetektion von vernetzten Antigen-Antikörper-Komplexen und ist 100.000-fach sensitiver als ein ELISA-Test. Zudem sind die Messergebnisse im Vergleich deutlich genauer und die Kosten für eine vollständige Analyse gängiger Parameter lassen sich signifikant senken. Heute werden üblicherweise Proben gesammelt und zwischenzeitlich eventuell tiefgefroren, bis sich die Nutzung eines teuren Test-Kits rechnet. Mit dem neuen In-vitro-Schnelltest ist das nicht mehr nötig, da die Testkosten für eine Probe bei Einzeltestung kaum höher liegen als bei Sammeltestung.

Das könnte ein Schritt hin zur Etablierung eines routinemäßigen Tests zur Früherkennung von Morbus Alzheimer und anderen Tauopathien sein. Odefey ist sich sicher: "Würde eine kostengünstige Demenz-Früherkennung, wie heute schon die Krebs-Früherkennung, als Kassenleistung für die breite Bevölkerung eingeführt, profitiert das gesamte Gesundheitssystem davon."

Die neue Technologie ermöglicht zudem erstmals, kostengünstig valide Daten zu generieren und die diagnostische Aussagekraft verschiedener Biomarker-Kombinationen zu prüfen. Aufgrund der hohen Nachweisempfindlichkeit lassen sich sowohl Liquor- als auch Blutproben so stark verdünnen, dass sich Matrixeffekte kaum noch auf die Messergebnisse auswirken. Für eine Analyse der Standard-Biomarker genügt ein Tropfen Blut oder Liquor. Innerhalb einer Stunde liegen bei einer Probe exakte Ergebnisse vor. Das Messspektrum lässt sich jederzeit kurzfristig um neue Biomarker aus der aktuellen klinischen Forschung erweitern - man benötigt lediglich eine kleine Menge des spezifischen Antikörpers.

Allerdings erlaubt die einmalige Biomarker-Analyse keine sofortige Diagnose, denn exakte Normwerte existieren nicht. Entscheidend ist der Verlauf über mehrere Jahre. Sprunghaft steigende Werte zeigen an, dass jemand mit hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren an Morbus Alzheimer erkranken wird. Das neue Messverfahren könnte sich darüber hinaus zur Kontrolle des Krankheitsverlaufs eignen und zügig zu der am besten wirkenden Medikation führen.

In Deutschland leben derzeit etwa 1,3 Millionen Menschen mit Demenz. Demografen schätzen, dass es 2030 rund 2 Millionen sein werden und 2050 etwa 2,6 Millionen. Demenzerkrankungen kosten durch Pflege und Arbeitsauszeiten von Angehörigen das Gesundheitssystem und die Volkswirtschaft heute etwa 26 Milliarden Euro im Jahr. Nach Angaben des Heidelberger Alzheimerforschers Professor Konrad Beyreuther ließe sich wahrscheinlich bis zur Hälfte davon einsparen, wenn man den klinischen Krankheitsausbruch um drei bis vier Jahre aufschieben könnte.

13.06.2013

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