Interview • HIV und Hep C
Neue therapeutische Strategien zur Bekämpfung von Virus-Infektionen
Rund 1.000 junge und etablierte Wissenschaftler aus der ganzen Welt und aus allen Bereichen der Virologie werden vom 20. bis 23. März 2019 zur 29. Jahrestagung der Gesellschaft für Virologie e. V. (GfV, Society for Virology) in Düsseldorf erwartet. Bei der größten wissenschaftlichen Fachgesellschaft der Virologie in Europa werden aktuelle Erkenntnisse im Zusammenhang mit Viren und viralen Infektionen vorgestellt. Einen ersten Einblick in aktuelle Tagungsschwerpunkte und Highlights gibt Kongresspräsident Prof. Dr. Jörg Timm, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Virologie.
Welche spezifischen Schwerpunkte stehen dieses Jahr im Fokus gestellt?
Die Stärke unserer Fachgesellschaft ist das breite Spektrum der Forschungsaktivitäten, das sich von den zellbiologischen und immunologischen Grundlagen von Virusinfektionen bis hin zu patientennahen klinischen Forschungsprojekten erstreckt. In Düsseldorf interessieren wir uns gemeinsam mit dem benachbarten Standort in Essen sehr für die Infektionsimmunologie, also für die Frage, wie unser Immunsystem mit Infektionen umgeht und wie man die Mechanismen der Immunantwort für neue therapeutische und prophylaktische Strategien einsetzen kann. Zu diesem Thema haben wir international anerkannte Experten aus der ganzen Welt nach Düsseldorf eingeladen, die von neuen Entwicklungen in diesem Bereich berichten werden.
Welches sind besondere Highlights des Kongresses?
In den letzten Jahren hat sich immer wieder gezeigt, dass Virusinfektionen zu den zentralen Bedrohungen für die Weltgesundheit zählen. Die Ebola-Ausbrüche in Afrika oder die neue Verbreitung des Zika-Virus in Südamerika waren dabei besonders dramatisch und eindrucksvoll. Es gibt ein sehr großes Interesse in der virologischen Forschung, die Verbreitungswege dieser Viren zu verstehen und neue Therapien zu entwickeln. Dieser Bereich ist daher auch bei der Tagung besonders stark vertreten und wird sicherlich spannende neue Ergebnisse vorstellen. Leider haben wir aber auch immer noch Probleme mit Virusinfektionen, die eigentlich mit einer Impfung sehr gut und sicher verhindert werden können. Zum Beispiel ist die Zahl der Masernfälle weltweit wieder gestiegen. Das zeigt, dass bei allen Erfolgen in der Entwicklung von Impfstoffen und antiviralen Therapien auch Strategien für deren effizienten Einsatz entwickelt werden müssen.
In den letzten Jahrzehnten gab es bei der Bekämpfung gefährlicher Viren große Durchbrüche. Welche Therapiefortschritte werden bei der Tagung vorgestellt?
Tatsächlich gibt es gerade bei der Therapie von HIV und Hepatitis C fantastische Erfolge. Die Hepatitis C ist mittlerweile in den allermeisten Fällen heilbar. Die HIV-Infektion aber auch die Hepatitis B ist mit Medikamenten zumindest kontrollierbar, obwohl hier eine Heilung weiterhin schwierig ist und in der Regel eine lebenslange Medikamenteneinnahme erforderlich ist. Aber auch bei diesen Infektionen gibt es neue Entwicklungen, die eine Aussicht auf eine funktionelle Heilung versprechen und die auf der Tagung vorgestellt werden.
Dabei können wir von Fällen lernen, wie die kürzlich international vorgestellten Patienten aus London und Düsseldorf, bei denen nach Stammzelltransplantationen das HI-Virus nicht mehr nachgewiesen werden kann. Es wurde vor kurzem auch ein neues Medikament gegen das Zytomegalievirus zugelassen, das vor allem in der Transplantationsmedizin zum Einsatz kommt und dort helfen kann Komplikationen zu vermeiden.
Wie wirken sich neu entwickelte Technologien wie DNA-Sequenzierung, Gesamt-Proteomanalysen und ultra-hoch auflösende Mikroskopieverfahren auf die schnelle und sichere virologische Diagnostik aus?
Tatsächlich haben die technischen Möglichkeiten die virologische Forschung in den letzten Jahren in allen Bereichen ganz entscheidend geprägt und werden das auch in Zukunft tun. Die neuen Entwicklungen im Bereich der Genomsequenzierung sind bereits ein wichtiger Bestandteil der virologischen Diagnostik geworden, wenn es um die Charakterisierung von resistenten Viren gegen eine antivirale Therapie geht. Mit diesen neuen Methoden können aber auch viel schneller neue, bisher unbekannte Viren nachgewiesen werden und erlauben so einen Virusnachweis bei bisher ungeklärten Erkrankungsbildern. Der Zuwachs an Daten aus der Bildgebung, Genomsequenzierung und Proteomanalysen ist ganz erstaunlich und erfordert immer mehr Expertise aus dem Bereich der Bioinformatik und des Maschinellen Lernens.
Für viele Virusinfektionen gibt es schon Schutzimpfungen zur Prophylaxe. In welchen Bereichen werden virologische Arbeiten zu Impfstoffentwicklungen vorgestellt?
Trotz zahlreicher Erfolge bei der Impfstoffentwicklung gegen Virusinfektionen gibt es leider noch sehr viele Herausforderungen. Für einige Viren konnte bisher trotz intensiver Bemühungen noch kein effektiver Impfstoff entwickelt werden. Dazu gehört zum Beispiel HIV, wo weiterhin intensiv nach Lösungen gesucht wird. Für andere Viren wie zum Beispiel Ebola ist das Interesse an einem Impfstoff seit dem Ausbruch in Westafrika stark gestiegen. Hier gibt es sehr gute Kandidaten, die bereits im Menschen eingesetzt wurden und die auf der Tagung präsentiert werden.
Wie schnell Viren zu einer Gefahr für Menschen werden können, zeigen plötzlich auftretende Epidemien. Wie sind wir auf weitere Ausbrüche vorbereitet? Welche Strategien werden entwickelt, die im Notfall verfügbar sind, das Risiko zu begrenzen?
Im Zeitalter der Globalisierung bekommt die Vorbereitung auf große Ausbrüche von Virusinfektionen einen immer größeren Stellenwert. Dazu gehört zuerst, dass man die Verbreitung und Infektionsmechanismen von neuen Viren kennt. Das schließt auch die Verbreitung von Viren in Tieren ein, die sehr häufig ein Reservoir für Übertragungen auf den Menschen darstellen. Für eine frühe Erkennung von Ausbruchsgeschehen ist ein möglichst engmaschiges Überwachungsnetz erforderlich, mit dem Infektionsketten und ungewöhnliche Infektionsgeschehen festgestellt werden. Viele Übertragungsketten von Mensch zu Mensch sind über relativ einfache Hygienemaßnahmen zu verhindern, wenn sie denn sehr früh eingesetzt werden. Neben den nationalen Aktivitäten ist das eine Aufgabe der Weltgemeinschaft. Darüber hinaus werden Baukastensysteme für Impfstoffe entwickelt, die rasch angepasst werden können und so eine schnelle Reaktion auf aktuelle Infektionsereignisse erlauben. Nach meinem Eindruck haben wir aus dem Ebola-Ausbruch in dieser Hinsicht viel gelernt, was verbessert werden muss.
Quelle: Gesellschaft für Virologie e. V.
18.03.2019